24 SEESICHT 4/23 www.seesichtmagazin.ch REPORTAGE
WALTER ANDREAS MÜLLER «Ich sage jeden Morgen Danke» Neben SBB ist WAM die wohl bekannteste Abkürzung in der Schweiz. Dahinter steht eine bekannte Bühnenpersönlichkeit, aber auch ein feinfühliger, philosophischer und äusserst sympathischer Mensch. Für SEESICHT nahm er sich viel Zeit, die dennoch leider viel zu schnell vorbei war. TEXT: CLAUDIO BRENTINI FOTO: CLAUDIO BRENTINI Ein Bericht über einen Menschen ist immer eine Herausforderung, denn wie soll man mit gedruckten Buchstaben und Wörtern das Wesen eines Menschen erfassen, vor allem auch, wenn man jemanden vorstellen möchte, der bekannt ist, und über den schon viel geschrieben worden ist? <strong>Das</strong> ist bei WAM definitiv der Fall. Aber, wenn man die Chance bekommt, diesen vielschichtigen sowie philosophischen Menschen kennenzulernen und in ihm nicht einfach den Spassmacher oder Globi sieht, lässt man sich natürlich nicht zweimal bitten. Die Aufgabe wird zwar noch schwieriger, aber auch spannender. So viel vorab: Mit ihm zu reden ist wirklich ein Genuss. Weil er nicht abgekartete oder künstliche Antworten gegenüber dem Journalisten gibt, sondern sich selber treu bleibt, in jedem Satz, der manchmal nach seinem Gusto fast schon zu ehrlich daherkommt. <strong>Das</strong> wurde auch schon ausgenutzt, mit reisserischen und irreführenden Schlagzeilen. Dennoch gibt er sich in unserem Interview offen und gesprächsbereit, vielleicht auch deshalb, weil wir für eine kurze Zeit gemeinsam auf der Bühne standen, im Musical «Die Schweizermacher». Er, die Frau Galli und ich als Francesco Grimolli. <strong>Das</strong> ist lange her, aber das Verständnis, was es heisst, auf einer Bühne zu stehen, wie viel ernsthafte Arbeit dahintersteckt, verbindet oder bildet zumindest eine gute Basis. BÜHNE ALS VENTIL Auf einen Interviewtermin mussten wir lange warten, und das hatte mehrere Gründe. Auf der einen Seite sei er mit Interviews mittlerweile zurückhaltend, betont Walter Andreas Müller. «Ich habe das Gefühl, bereits alles gesagt zu haben und irgendwie immer dasselbe zu erklären.» Zum Beispiel, wie alles bei ihm angefangen habe, wie das sei, auf der Bühne zu stehen und dergleichen. Auf der anderen Seite ist der mittlerweile 77-Jährige aber ein gefragter und vielbeschäftigter Theatermann und bewältigt ein Pensum, von dem viele sich fragen, wie er das alles schafft, zuletzt im erfolgreichen Musical «Sister Äct» auf der Maag-Bühne. Und ein weiterer Grund ist, das WAM nicht gerne im Zentrum steht. <strong>Das</strong> wiederum ist relativ verblüffend für jemanden, der fast tagtäglich auf der Bühne steht. Lernt man aber den Menschen WAM kennen, beginnt man diese Diskrepanz zu verstehen. Bühne und seine Rollen seien eine Art Ventil für ihn, für seine Schüchternheit, erklärt er im Gespräch. «Auf der Bühne, in meiner Rolle fühle ich mich wohl, aber nach der Vorstellung versuche ich eher für mich zu sein.» Lobgesänge des Publikums relativiere er umgehend. <strong>Das</strong> aber ist keine künstliche Tiefstapelei, es ist seine Überzeugung, dass er gar nichts Besonderes tut, einen Job wie jeden anderen auch. Darum übrigens auch keine Biografie über ihn, SEESICHT 4/23 www.seesichtmagazin.ch 25