MQ+ Herbst 2023

Das Artland-Magazin.
dann das gute Stück und vier Rollfilme
zu Bodemann. Herta kam gerade aus
dem Fotostudio und fragte, was sie für
mich tun könne?
Ich händigte ihr die Filme mit der Bitte,
sie zu entwickeln und Abzüge in 9 x
13 anzufertigen, aus. Dann schob ich
ihr den Fotoapparat rüber und bat sie,
ihn zum Reinigen und zur Inspektion
einzuschicken. Herta nahm die Kamera
an sich, schaute sie genau an und ich
erhielt von ihr ohne jegliche Vorwarnung
mit langem Arm über den Tresen
eine Backpfeife.
„Wie gehst du denn mit dieser Kamera
um? Weißt du denn das Geschenk
deines Vaters gar nicht zu schätzen?
Ich werde den Fotoapparat einschicken
und Dir Deine Abzüge bestellen, aber
ich werde die Kamera nur deinem Vater
aushändigen“, sprach sie und ging,
ohne sich umzudrehen in das Atelier.
Ich war mir keiner Schuld bewusst,
denn für mich war es ja ein Werkzeug,
welches ich im Laufe der Zeit nur stark
beansprucht hatte, nahm Herta den
Ausrutscher nicht übel, ihre Ansage
Eingang des Fotogeschäfts Foto: Oliver Seltmann
20 | mq Ausgabe Herbst 2023
Die alte „Regula“ Foto: Detlef Bülow
hingegen aber ernst und so kam mein
Vater bei der „Wiederinbesitznahme“
meiner begehrten Kamera mit.
Ich wurde dabei quasi behandelt, als
stände ich in einem anderen Raum und
Herta erklärte meinem Erzeuger, dass
ich den Apparat gar nicht verdient hätte,
da ich ihn nicht zu würdigen wisse.
Mein Vater hörte ihr bei ihren umfangreichen
Ausführungen stumm zu, fragte
am Ende nur nach den Abzügen, die ich
ja noch bestellt habe und ob die etwas
geworden wären?
Herta holte vier Fototaschen aus der
Schublade, auf denen mein Name
stand, öffnete einen nach dem anderen,
sah sich meine Fotos an und sagte
dann: „Na ja, ein gutes Auge hat er ja
und fotografieren kann er ja auch.“
„Dann ist doch alles gut, Herta“, erwiderte
mein Vater.
Ich bezahlte und wir gingen alle mit
einem Lächeln auseinander.
Vergessen werde ich diese Begegnung
allerdings nie. Das hat aber weniger mit
der Backpfeife zu tun, denn Herta Bodemanns
Aussage, als sie meine Fotos
betrachtete, war für mich ein kleiner
Ritterschlag.
Denn dieses von der Frau zu hören, die
so viele großartige Aufnahmen bei uns
im Artland gemacht hatte, die Frau,
die auf eine Trittleiter stieg, um einen
anderen Blickwinkel haben zu wollen,
als sie über die Große Kirchstraße die
St.-Sylvester-Kirche fotografierte, hat
dafür gesorgt, dass ich bis heute immer
noch liebend gerne fotografiere.