Christkatholisch_2023-16

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2 Christkatholisch 16/2023 Editorial Geistesblitz und Schaffensdrang Egal wo wir in den Wochen vor den Wahlen die Strassen entlangfahren: Überall Plakate mit Köpfen, Namen und Sprüchen. In der Regel sind es nur Bruchteile von Sekunden, die bleiben, damit mir etwas auffällt: Eine Botschaft, die mich anspricht. Jeden Tag, wenn ich zur Arbeit fahre, dieselben Stellwände. Als ich wieder einmal im Stau steckenblieb, dachte ich: Der eine oder anderen Slogan könnte mir zur Meditation dienen. Heute ist es ein Geistesblitz, der meinen Schaffensdrang herausfordert. Morgen ist ein Text nur der zündende Funke für eine ganze Kette von Ideen. Ein anderes Mal lasse ich mich dazu motivieren, für ein Problem eine Lösung zu suchen – vielleicht ist es etwas Unbequemes, was ich immer wieder auf die lange Bank geschoben habe. Jeder Tag ein anderer Slogan. Ich lasse der Fantasie freien Lauf und ich bin schon neugierig, was die nächsten Tage auslösen, wenn ich lese: «Ächt bodenständig,» «Gradlinig auch bei Gegenwind,» «Perspektiven, statt Utopien!» «Neutralität, Sicherheit, Freiheit,» «Unser Klima, deine Wahl,» «Liberal, ausgleichend, genau richtig für jetzt» oder «Gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft!» Niklas Raggenbass Inhalt THEMA Die ökologische Krise und die Mitverantwortung Mutter Erde oder Vater Himmel 3 HINTERGRUND Gott als «Ort», der sowohl «Inhalt als auch Behälter» ist. Gottesbilder und ihre Prägung 6 Jesus von Nazareth und Mahatma Gandhi – Träumer, Propheten und Realisten «Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt.» 8 Das Apsisbild von Steivan Liun Könz Ein wahrer Kunstschatz in die Christuskirche in Luzern 10 PANORAMA Verband Christkatholischer Frauen der Schweiz VCF Vortrag über Anny Peter 12 Retraite der Gemeinschaft des hl. Johannes des Täufers Josef Reinhart und die Musik 12 AUS DEN GEMEINDEN Grenchen/Bettlach/Selzach, Wallbach, Luzern, Allschwil, Baden/Brugg/Wettingen, Möhlin, Baselland, Solothurn 15–17 AGENDA Baselland · Basel-Stadt 18 Kanton Aargau 19 Ostschweiz · Zürich 22 Kanton Bern 23 Mutter Erde und Touristen: eine riesige pflanzliche Skulptur des Gesichts der Mutter Erde mit einer Schar von Touristen. Mosai, Canada. Foto: Alamy Kanton Solothurn 25 Luzern · Tessin 26/27 BIBELWORT Qualität statt Quantität 28 WANDERAUSSTELLUNG «unterwegs» – Christkatholisch in Möhlin 28 Richtlinien Leserbriefe Inhalt und Form von Leserbriefen haben gewisse Mindestanforderungen zu erfüllen, damit sie veröffentlicht werden können. Sind diese nicht oder nur teilweise erfüllt, behält sich die Redaktion das Recht vor, Briefe um die betroffenen Stellen zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen. Im Folgenden die wichtigsten Anforderungen (nichtabschliessende Auflistung). Problematischer Inhalt persönliche Angriffe · primär politische Stellungnahmen · unwahrer Inhalt · Verstösse gegen den persönlichen Datenschutz · rechtswidriger Inhalt Problematische Form verletzende oder vulgäre Sprache · Länge über 2000 Zeichen · handschriftlicher oder abfotografierter/ gescannter Inhalt Disclaimer Der Inhalt von Artikeln widerspiegelt nicht die Meinung der Redaktion, der Redaktionskommission oder der Christkatholischen Kirche als Gesamtes. Verantwortlich dafür ist alleine die jeweilige Autorenschaft. Bilder/Fotos wurden der Redaktion zur Verfügung gestellt, entstammen kirchlichen Archiven oder sind unter der Creative-Commons-Lizenz zur freien Verwendung zugelassen. Mehr unter www.creativecommons.org.
Christkatholisch 16/2023 Thema 3 Ökologische Krise und die Mitverantwortung des Glaubens Mutter Erde oder Vater Himmel «Warum haben die christlichen Kirchen Mutter Erde vergessen und sich nur auf Vater Himmel fokussiert?» So fragte vor ein paar Wochen eine Leserin in der Rubrik «spiritueller Briefkasten» der Zeitschrift des SKF Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. Die Frage trifft. Sie stösst mitten in unser abendländisches Wertesystem und fragt nach den tiefer liegenden Gründen der gegenwärtigen ökologischen Krise und der Mitverantwortung des Glaubens. Ja, warum – warum dieser Drang nach oben, in die lichten Sphären des Himmels? Dorthin, wo wir alles überblicken, leichtfüssig schweben? Warum dieser Drang, die Schwerkraft hinter sich zu lassen, die Herkunft, die Enge des Geburtskanals, das Seufzen der Erde, das Lachen der Kinder, das Lieben und Arbeiten? Und wer ist es, der diesem Begehren frönt, sich abzusetzen, diesem Traum, den Raum gegenseitiger Abhängigkeiten zu verlassen auf absolute Freiheit hin? Auf die Erde verwiesen Hildegard von Bingen (1098–1179) riet im Hochmittelalter noch zum zweifachen Blick. Wer auf Gott blicke, schaue zur Erde: «Wer seinem Gott vertraut, wird auch den Bestand der Welt ehren; den Lauf von Sonne und Mond, Wind und Luft, Erde und Wasser, alles, was Gott um der Ehre des Menschen geschaffen hat und zu seinem Schutz. Einen anderen Halt hat der Mensch nicht.» Himmel und Erde lassen sich bei Hildegard nicht auseinandernehmen. Der Mensch ist Teil einer Ordnung; eingebunden in ein grosses Ganzes trägt er Himmel und Erde in sich. In allem, was Menschen tun, begegnen sie Gott und Gottes schöpferischem Wirken. So antwortete Hildegard auf die spöttische Frage der Agnostiker ihrer Zeit, also der Menschen, die sich sagen, dass die Existenz eines Gottes schon angenommen werden kann, doch nicht vom Verstand aus zu klären und schon gar nicht zu erkennen ist. Hildegard reagierte auf die Kritik nicht mit Theologie und nicht mit geistiger Literatur. Sie verwies ganz einfach auf die Natur, indem sie Gott sagen liess: «Seht ihr Mich denn nicht Tag und Nacht? Seht ihr Mich nicht, wenn ihr sät und wenn die Saat aufgeht, von Meinem Regen benetzt?» Himmel und Erde lassen sich bei Hildegard nicht auseinandernehmen. Der Mensch ist Teil einer Ordnung; eingebunden in ein grosses Ganzes trägt er Himmel und Erde in sich. Foto: iStock
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