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Christkatholisch_2023-16

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8 Hintergrund<br />

<strong>Christkatholisch</strong> <strong>16</strong>/<strong>2023</strong><br />

Jesus von Nazareth und Mahatma Gandhi – Träumer, Propheten und Realisten<br />

«Wenn dich einer auf die rechte Backe<br />

schlägt, halt ihm auch die linke hin!»<br />

Der indische Rechtsanwalt und Politiker Mohandas Karamchand Gandhi (1869 – 1948) kämpfte für<br />

den Frieden ohne Waffen und Gewalt. 50 Jahre seines Lebens setzte er sich für die Rechte und die<br />

Befreiung des indischen Volkes ein. Als es im Vorfeld der Unabhängigkeit Indiens immer wieder<br />

zu blutigen Unruhen zwischen den Anhängern beider Religionen kam, weil die Hindus die<br />

Muslime als unrein brandmarkten, kämpfte Gandhi mit Predigten und Hungerstreiks für ein Ende<br />

der Gewalt, für den Frieden: «Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg!»<br />

Entschieden sprach<br />

sich Mahatma<br />

Gandhi auch für<br />

ein Miteinander<br />

aller Religionen<br />

aus. Gandhi wollte<br />

auch die Botschaft<br />

des Christentums<br />

von ihren Wurzeln<br />

her neu verstehen.<br />

Foto: Shutterstock<br />

Tollkühner Protest:<br />

Mager aber hart<br />

Morddrohungen, Gefängnis und<br />

die Anschläge auf sein Leben<br />

konnten ihn nicht davon abhalten,<br />

Formen des Widerstandes<br />

ohne Gewalt zu finden. Eine<br />

seiner tollkühnsten Aktionen<br />

war der 58 Kilometer lange<br />

Protestmarsch tausender<br />

Inder im Spätherbst 1913 in<br />

Südafrika, wo er begonnen<br />

hatte, sich für die Menschen<br />

in Not einzusetzen.<br />

In der südafrikanischen<br />

Zeitung<br />

«Sunday Post» war<br />

zu lesen: «Die Pilger,<br />

angeführt von<br />

Mr. Gandhi, bilden<br />

eine überaus pittoreske<br />

Schar. Sie sind<br />

mager, ihre Schenkel<br />

sind blosse Stöcke, aber<br />

die Art, wie sie mit Hungerrationen<br />

weitermarschieren,<br />

weist auf ihre Härte hin. Von den zweitausend<br />

gehen eintausendfünfhundert<br />

in einer ziemlich kompakten Masse<br />

zusammen. Mr. Gandhi erfreut sich<br />

absoluter Verehrung.»<br />

Entschieden sprach sich Mahatma<br />

auch für ein Miteinander aller Religionen<br />

aus. Gandhi wollte auch die<br />

Botschaft des Christentums von ihren<br />

Wurzeln her neu verstehen. Die Missionare<br />

trieben ein zwielichtiges Spiel<br />

mit der Bibel. Gandhi entdeckte Jesus<br />

von Nazareth durch die religiös-sozialreformerischen<br />

Schriften des Russen<br />

Lew Tolstois. Er sah, wie weit<br />

sich viele Christinnen und Christen<br />

vom Wanderprediger Jesus entfernt<br />

hatten.<br />

Kann man Jesus von Nazareth<br />

(noch) ernst nehmen?<br />

Gandhi war sich bewusst, dass das<br />

Christentum eine radikale Friedensbotschaft<br />

in sich trägt, die oft genug<br />

missdeutet wird. Einmal hat er sich<br />

über sein Verhältnis zum Christentum<br />

provozierend geäussert: «Wenn da nur<br />

die Bergpredigt wäre, würde ich nicht<br />

zögern zu sagen: ‚O ja, ich bin ein<br />

Christ.’ Leider ist aber viel, was unter<br />

dem Namen Christentum läuft, eine<br />

Negation der Bergpredigt.» Den Weg<br />

der Feindesliebe, den Jesus genommen<br />

hat, ist von Gandhi mit hinduistischen<br />

Gedanken verbunden<br />

worden, mit dem «Weg der<br />

Einfachheit und Wahrheit».<br />

Zentral wichtig war für ihn<br />

der Satz von Jesus: «Ich aber<br />

sage euch: Leistet dem, der<br />

euch etwas Böses antut, keinen<br />

Widerstand, sondern<br />

wenn dich einer auf die rechte<br />

Backe schlägt, dann halt ihm<br />

auch die andere hin (Matthäusevangelium<br />

5, 39)!» Hand aufs Herz:<br />

Sagen sich nicht viele, dass Jesus etwas<br />

bescheuert sein musste?<br />

Wer nicht zurückschlägt,<br />

muss ziemlich doof<br />

sein. Kann man einen<br />

Jesus von Nazareth<br />

ernst nehmen?<br />

Die christliche<br />

Feindesliebe ist pure<br />

Zumutung?<br />

Jedes Mal, wenn es ihm um eine aktive<br />

Feindesliebe ging, fühlte sich Gandhi<br />

mit dem Nazarener besonders verwandt.<br />

Jesus antwortete den römischen<br />

Soldaten nicht mit Gewalt. Er<br />

ergab sich auch nicht als passives Opfer,<br />

sondern hat die Gewalt als Gewalt<br />

selbstbewusst demaskiert. Mit dieser<br />

Haltung hat Gandhi gegen die britische<br />

Besatzung Indiens erbitterten<br />

Widerstand geleistet. Selbstbewusst<br />

und unbestechlich stand er da – bereit<br />

jedes Unrecht auszuhalten. Er liess<br />

sich nicht aus der Ruhe bringen, das<br />

eine Ziel ins Visier zu nehmen: Die<br />

Gewalt muss überwunden werden.

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