Pack & Log 08/2023
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Wellpappe Verpackungsdruck Aktuell<br />
Maschinen<br />
Materialfluss<br />
Fahrerlos in die Zukunft<br />
Fahrerlose Transportsysteme zwischen<br />
Regelwerk und Autonomie<br />
Heute gelten sie für die Industrie als die Heilsbringer schlechthin: Fahrerlose Transportsysteme. Am besten kurven<br />
sie völlig autonom durch das Lager und arbeiten einen Auftrag nach dem anderen ab – 24/7 versteht sich. Dabei<br />
ist die Technologie gar nicht so neu, wie man denken mag. Bereits 1953/54 wurde ein Schlepper vorgestellt, der<br />
einem auf den Boden aufgebrachten Farbstreifen selbsttätig folgte. Über die bemerkenswerte Entwicklung hin zum<br />
Autonomen Mobilen Roboter kurz AMR und deren Möglichkeiten sprach <strong>Pack</strong> & <strong>Log</strong> mit Gregor Schubert-Lebernegg,<br />
KNAPP-Product Manager Open Shuttles und Christian Brauneis, Vice President KNAPP Industry Solutions.<br />
Fotos: KNAPP<br />
Fahrerlose Transportsysteme gibt es schon<br />
seit den 50ern. Aber erst jetzt – 70 Jahre<br />
danach – boomen sie. Das klingt nicht nach<br />
einem durchgängigen Siegeszug.<br />
Brauneis: War es auch nicht. Das Problem<br />
der frühen Systeme war die fehlende Flexibilität.<br />
So war es lange Zeit eine gängige Variante<br />
Induktionsschleifen in den Boden zu verlegen,<br />
denen das Fahrzeug dann folgte. Die Routen<br />
waren damit – im wahrsten Sinn des Wortes<br />
– in Stein gemeißelt. Routenänderungen waren<br />
nur mit enorm hohem Aufwand möglich.<br />
Letztlich fristeten diese Systeme jahrzehntelang<br />
ein Nischendasein.<br />
Schubert-Lebernegg: Dennoch kam es Anfang<br />
der 2000er zu einem ersten echten Hype rund<br />
um Fahrerlose Transportsysteme. Allerdings<br />
ist das, was man sich erhofft hat – nämlich<br />
die Flexibilisierung der Produktion –, nicht<br />
eingetreten und der Hype ist rasch in sich zusammengebrochen.<br />
Und wann ging es aufwärts?<br />
Schubert-Lebernegg: In den letzten 15 Jahren<br />
hat sich die Technologie sehr stark weiterentwickelt<br />
und es konnten viele Freiheitsgrade<br />
dazugewonnen werden. Aber selbst in den<br />
2010er Jahren ist man dieser Technologie noch<br />
sehr skeptisch gegenübergestanden – zu viele<br />
Unternehmen hatten sich zuvor die Finger verbrannt.<br />
Aber Dank renommierter Unternehmen,<br />
die als Pioniere fungierten, konnte der Bann<br />
schlussendlich gebrochen werden. Seit 2015<br />
Das Interview führte<br />
Gernot Rath, CR <strong>Pack</strong> & <strong>Log</strong><br />
ist es mit der Akzeptanz der Technologie steil<br />
bergauf gegangen und mit ihr der Markt, denn<br />
jetzt leistet diese Technologie auch das, was<br />
man von ihr erwartet.<br />
Was waren die grundlegenden technischen<br />
Verbesserungen, die den Siegeszug dieser<br />
Technologie ermöglichten?<br />
Brauneis: Hintergrund ist die gewonnene Autonomie<br />
der Fahrzeuge. Wobei man zwischen<br />
Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) bzw. AGV<br />
(Automated Guided Vehicle) und AMRs – bei<br />
KNAPP läuft das AMR unter der Bezeichnung<br />
Open Shuttle – unterscheiden muss. Ein FTS<br />
folgt fixen Abläufen und Fahrwegen, stößt es auf<br />
ein Hindernis, bleibt es stehen, bis dieses beseitigt<br />
wird. Es agiert nicht autonom! Ein AMR<br />
kann hingegen seine Umgebung wahrnehmen<br />
und trifft darauf basierend seine eigenen Entscheidungen,<br />
z.B. ausweichen. Daher spricht<br />
man in diesem Fall von einem autonomen Fahrzeug.<br />
Weiters können Routenänderungen einfach<br />
am Computer mittels Knopfdruck erledigt<br />
werden. Das alles ermöglicht den gewünschten<br />
flexiblen Produktionsablauf.<br />
Wie autonom agiert ein Open Shuttle bzw.<br />
AMR tatsächlich?<br />
Schubert-Lebernegg: Laut akademischer Definition<br />
darf ein AMR keine zentrale Instanz<br />
haben, die es steuert. Es muss zu 100 % autonom<br />
arbeiten. Das ist in der Praxis aber meistens<br />
nicht sinnvoll. Ein Beispiel zur Illustration: Stellen<br />
Sie sich vor, es sind zehn Autos auf einem<br />
Parkplatz, die StVO. ist außer Kraft gesetzt,<br />
es gibt keinerlei Regeln und alle sollen sich<br />
einparken. Auch wenn es ohne Unfall abgeht,<br />
wird es doch relativ lange dauern, bis alle auf<br />
ihrem Parkplatz stehen. Wenn allerdings die<br />
grundlegenden Verkehrsregeln gelten, ist das<br />
Ganze schnell erledigt. D.h.: Auch im industriellen<br />
Produktionsalltag müssen Regeln bzw.<br />
Parameter vorgegeben werden, innerhalb derer<br />
sich die AMRs autonom bewegen können. Wir<br />
sprechen daher von einem hybriden System. Bei<br />
KNAPP haben wir uns ganz bewusst für einen<br />
hybriden Ansatz und gegen eine „puristische<br />
Version des Schwarmverhaltens“ entschieden.<br />
Open Shuttles sind autonome intelligente Transportroboter, die<br />
eine flexible Gestaltung von <strong>Log</strong>istik-Prozessen ermöglichen<br />
Und wie sieht die „hybride“ Realität aus?<br />
Brauneis: Bei KNAPP arbeiten wir mit einem<br />
zentralen Server, der den Verkehr managt und<br />
die Aufträge verteilt. Das ist es aber auch. Den<br />
Rest machen die AMRs selbsttätig.<br />
Schubert-Lebernegg: In der Praxis heißt das:<br />
Den Open Shuttles werden Quelle und Ziel<br />
bekannt gegeben. Anhand eines vordefinierten<br />
„Straßennetzes“ fahren sie dann von A nach B.<br />
Innerhalb dieser Straßen können sie ausweichen,<br />
allerdings dürfen sie die Straßen nicht verlassen.<br />
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit,