MAINfeeling Winter 2023
Das Lifestyle-Magazin für Rhein-Main
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Demenz und der Spitzenwert des Vergessens – Alzheimer –<br />
gelten als Höchstpreis einer immer weiter ansteigenden Lebenserwartung.<br />
Ein kollektiver Albtraum. Entsprechend groß sind<br />
die Hoffnungen, die auf der Forschung, also auch auf Dr. Arthur<br />
Schall ruhen. Der Diplom-Psychologe ist Mitarbeiter am Arbeitsbereich<br />
Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und<br />
klinische Gerontologie am Institut für Allgemeinmedizin an<br />
der Goethe-Universität Frankfurt. Dort beschäftigt er sich mit<br />
„kreativtherapeutischen Interventionen im Kontext gerontopsychiatrischer<br />
Erkrankungen“ – also mit dem Einsatz von Musik<br />
oder Kunst als therapeutisches Instrument.<br />
Dr. Arthur Schall<br />
ERST KÜRZLICH BE-<br />
HAUPTETE EINE SCHLAG-<br />
ZEILE, ES GÄBE DA BALD EIN<br />
VIELVERSPRECHENDES MITTEL GEGEN ALZ-<br />
HEIMER. DÜRFEN WIR ALSO HOFFEN? Nicht auf<br />
die eine Pille, die die Demenz in all ihren Erscheinungsformen<br />
sofort heilt. Die wird es schon deshalb nicht geben,<br />
weil es eben diese vielen Erscheinungsformen gibt.<br />
Die Medikamente, die im Moment im Einsatz sind, gibt<br />
es schon seit über zwanzig Jahren. Was nicht heißt, dass<br />
es nicht vielleicht irgendwann eine verbesserte Medikation<br />
geben wird. Aber das wird dauern. Allerdings<br />
hat gerade die Stagnation in der pharmakologischen<br />
Entwicklung zu einer neuen Hoffnung geführt: Dass bestimmte<br />
nichtpharmakologische Therapieformen,<br />
die früher eher belächelt wurden, nun deutlich ernster<br />
genommen werden. Einfach, weil man sieht, wie gut<br />
sie wirken.<br />
WELCHE SIND DAS? Im Grunde geht es um dieselben<br />
Faktoren, die auch in der Prävention von Demenz<br />
nachweislich eine Schlüsselposition innehaben: geistige<br />
und körperliche Aktivitäten. Etwa etwas für die Ausdauer<br />
und Muskelstärkung tun, Musik machen, singen.<br />
Sich mit Kunst beschäftigen. Soziale Eingebundenheit.<br />
Man weiß aus Studien, dass auch Isolation mit Folge<br />
einer depressiven Symptomatik Demenz befördern<br />
kann. Ein Kriterium, das ja auch auf viele pflegende<br />
Angehörige zutrifft.<br />
LÄSST SICH DER BENEFIT FÜR DIE ERKRANK-<br />
TEN UND AUCH FÜR DIE ANGEHÖRIGEN NACH-<br />
WEISEN? Wir haben in letzter Zeit einige Studien<br />
durchgeführt. Darunter etwa das gemeinsame Chorsingen.<br />
Zwei Monate lang trafen sich 19 Teilnehmende<br />
mit Demenz zu wöchentlichen Chorproben. Es zeigten<br />
sich sehr positive Effekte auf das Stressniveau, die<br />
Lebensqualität und auch auf die Kommunikation.<br />
Sowohl bei den Erkrankten wie auch bei ihren Angehörigen.<br />
Wir stellten fest, dass auch die familiären<br />
Beziehungen zu den Erkrankten von dem Projekt sehr<br />
profitiert haben. Das Erstaunliche war außerdem: Auch<br />
wenn sich die Dementen nicht mehr erinnern konnten,<br />
dass sie am Singen teilgenommen hatten, freuten sie<br />
sich doch, wenn es zum nächsten Termin ging.<br />
ALSO IST ES NICHT DIE HOFFNUNG AUF HEI-<br />
LUNG, DIE HOFFNUNG MACHT – SONDERN DIE<br />
AUF MEHR LEBENSQUALITÄT? Es gibt durchaus<br />
berechtigte Hoffnungen darauf, gar nicht erst zu erkranken,<br />
wenn man die genannten Faktoren berücksichtigt:<br />
sich gut ernährt, viel bewegt, geistig rege bleibt. Aber<br />
auch, wenn man die Diagnose bekommt, hat man noch<br />
einige gute Jahre vor sich. Wenn man – neben der Medikation,<br />
die auch sehr wichtig ist – Dinge tut, die einem<br />
Spaß machen. Die die motorischen, alltagspraktischen,<br />
kommunikativen und kognitiven Fertigkeiten aktivieren.<br />
Selbst mit einer Demenzerkrankung – das ist nachgewiesen<br />
– bilden sich immer noch neue Synapsen, neue<br />
Verbindungen von Gehirnzellen.