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STORY 18 | 19<br />

Die Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin ist Leitende Oberärztin<br />

der Klinik für Palliativmedizin am Sana Klinikum Offenbach<br />

GmbH. Hier werden Menschen mit schwerwiegenden, weit vorangeschrittenen<br />

Erkrankungen – oft im Endstadium – von einem multiprofessionellen<br />

Team intensiv nicht nur stationär, sondern auch<br />

ambulant palliativmedizinisch optimal versorgt. Unterstützt von dem<br />

Verein palliare e. V. – der nach der Devise „wir fördern die Würde“<br />

für all das Spenden sammelt, was oft gerade am Ende des Lebens<br />

so wichtig ist und nicht von den Kassen übernommen wird – wie<br />

zum Beispiel der Besuch der Therapiehunde Sissi und Helga oder die<br />

Begrünung der Dachterrasse oder auch – so das nächste Projekt –<br />

die längst überfällige Renovierung der Station.<br />

Nadine Rilana Loesel<br />

EINE PALLIATIVSTATION STELLT MAN SICH WIE<br />

DAS EPIZENTRUM DER HOFFNUNGSLOSIGKEIT<br />

VOR. DIE MENSCHEN WISSEN JA, DASS ES AUS-<br />

SICHTSLOS UND DAS ENDE NAHE IST … Tatsächlich<br />

nehme ich sehr viel Hoffnung wahr. Die Hoffnung, dass<br />

man vielleicht noch mal nach Hause entlassen wird, um<br />

dort von unserem mobilen Team versorgt zu werden. Die<br />

Hoffnung darauf, dass nächste Woche die Therapiehunde<br />

kommen, die so ein großes Glück für die Patienten sind.<br />

Oder dass es der Angehörige, der weit weg wohnt, noch<br />

rechtzeitig schafft anzureisen.<br />

GIBT ES NICHT IMMER AUCH DIE HOFFNUNG AUF<br />

EINE WUNDERHEILUNG? Dazu muss man sagen: Es<br />

gibt in diesem Leben keine Überlebenden. Dennoch hoffen<br />

Schwerstkranke darauf, dass noch ein wirklich großes<br />

Wunder geschieht. Aber die meisten nehmen schließlich<br />

doch an, was vor ihnen liegt. Auch weil wir ihnen hier viele<br />

Ängste nehmen können. Zum Beispiel die, etwa mit einer<br />

COPD-Diagnose, qualvoll zu ersticken, aber auch die vor<br />

Schmerzen. Das nimmt viele Berührungsängste mit der<br />

eigenen Endlichkeit. Und dann ändert sich auch, was man<br />

für sich selbst als Hoffnung hegt.<br />

KÖNNTE MAN SAGEN, DASS SICH DIE HOFFNUNG<br />

DEN GEGEBENHEITEN ANPASST? Ich glaube, Hoffnung<br />

ist ein Grundgefühl, das man in sich trägt, das einen<br />

stabilisiert, eine Art Geländer, an dem man sich festhalten<br />

kann. Welchen Inhalt das dann jeweils hat, ist sicher von<br />

der jeweiligen Situation abhängig, von der Lebensphase,<br />

in der man sich gerade befindet.<br />

IST ES NICHT GERADE AM ENDE DES LEBENS<br />

WICHTIG, DASS SICH HOFFNUNGEN NOCH ERFÜL-<br />

LEN – ES IST SCHLIESSLICH DIE LETZTE GELEGEN-<br />

HEIT … Wenn man mit den Patienten spricht, die wirklich<br />

noch bis zu ihrem Tod<br />

kommunizieren können, stellt<br />

man fest – am Ende ist es gar nicht so<br />

wichtig, ob sich alle Hoffnungen erfüllt haben. Viel bedeutsamer<br />

war, dass einen die Hoffnung getragen hat. Genauso<br />

aber erlebe ich allerdings auch Erleichterung, wenn Menschen<br />

dann doch noch den Mut gefasst haben, in Beziehungen<br />

heikle Themen anzusprechen, schwierige Situationen<br />

aufzulösen. Das ist eine Hoffnung, die mir auch oft begegnet:<br />

die auf Klärung.<br />

WIE GUT GELINGT ES ÄRZTEN, IHREN PATIENTEN<br />

DIE HOFFNUNG ZU NEHMEN, DASS EINE WEITERE<br />

THERAPIE DOCH NOCH DIE WENDE BRINGEN<br />

WIRD … Das ist schwierig. Denn schließlich ist es zutiefst<br />

menschlich, auch nach Strohhalmen zu greifen, die eigentlich<br />

keine sind. Es gibt bisweilen eine gewisse Scheu bei<br />

Ärzten, den Patienten die Hoffnung auf Heilung zu nehmen.<br />

Das führt aber dazu, dass die Patienten oft sehr spät<br />

erst auf die Palliativstation kommen. Dass wertvolle Zeit<br />

verloren geht. Zeit, in denen Patienten noch einigermaßen<br />

stabil waren und in der man noch hätte einiges an Bedürfnissen<br />

und Wünschen erfüllen und in der sie ihre letzte<br />

Lebenszeit hätten selbst gestalten können.<br />

AM ENDE GIBT ES DIESE GROSSE HOFFNUNG AUF<br />

EIN LEBEN NACH DEM TODE, IST DIE HILFREICH?<br />

Ich erlebe, dass der Glaube Menschen durchaus Halt gibt.<br />

Ich hatte vor einiger Zeit einen Buddhisten als Patient, dem<br />

wir erklären mussten, dass er bald sterben wird. Der hat das<br />

bloß mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen.<br />

Für ihn war klar, dass seine Reise damit noch lange nicht<br />

zu Ende ist. Und tatsächlich erleben wir auf der Station –<br />

gerade beim Übergang vom Leben in den Tod – manchmal<br />

Situationen, wo wir denken, das kann eigentlich nicht sein,<br />

dass wirklich alles vorbei ist.

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