MAINfeeling Winter 2023
Das Lifestyle-Magazin für Rhein-Main
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STORY 18 | 19<br />
Die Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin ist Leitende Oberärztin<br />
der Klinik für Palliativmedizin am Sana Klinikum Offenbach<br />
GmbH. Hier werden Menschen mit schwerwiegenden, weit vorangeschrittenen<br />
Erkrankungen – oft im Endstadium – von einem multiprofessionellen<br />
Team intensiv nicht nur stationär, sondern auch<br />
ambulant palliativmedizinisch optimal versorgt. Unterstützt von dem<br />
Verein palliare e. V. – der nach der Devise „wir fördern die Würde“<br />
für all das Spenden sammelt, was oft gerade am Ende des Lebens<br />
so wichtig ist und nicht von den Kassen übernommen wird – wie<br />
zum Beispiel der Besuch der Therapiehunde Sissi und Helga oder die<br />
Begrünung der Dachterrasse oder auch – so das nächste Projekt –<br />
die längst überfällige Renovierung der Station.<br />
Nadine Rilana Loesel<br />
EINE PALLIATIVSTATION STELLT MAN SICH WIE<br />
DAS EPIZENTRUM DER HOFFNUNGSLOSIGKEIT<br />
VOR. DIE MENSCHEN WISSEN JA, DASS ES AUS-<br />
SICHTSLOS UND DAS ENDE NAHE IST … Tatsächlich<br />
nehme ich sehr viel Hoffnung wahr. Die Hoffnung, dass<br />
man vielleicht noch mal nach Hause entlassen wird, um<br />
dort von unserem mobilen Team versorgt zu werden. Die<br />
Hoffnung darauf, dass nächste Woche die Therapiehunde<br />
kommen, die so ein großes Glück für die Patienten sind.<br />
Oder dass es der Angehörige, der weit weg wohnt, noch<br />
rechtzeitig schafft anzureisen.<br />
GIBT ES NICHT IMMER AUCH DIE HOFFNUNG AUF<br />
EINE WUNDERHEILUNG? Dazu muss man sagen: Es<br />
gibt in diesem Leben keine Überlebenden. Dennoch hoffen<br />
Schwerstkranke darauf, dass noch ein wirklich großes<br />
Wunder geschieht. Aber die meisten nehmen schließlich<br />
doch an, was vor ihnen liegt. Auch weil wir ihnen hier viele<br />
Ängste nehmen können. Zum Beispiel die, etwa mit einer<br />
COPD-Diagnose, qualvoll zu ersticken, aber auch die vor<br />
Schmerzen. Das nimmt viele Berührungsängste mit der<br />
eigenen Endlichkeit. Und dann ändert sich auch, was man<br />
für sich selbst als Hoffnung hegt.<br />
KÖNNTE MAN SAGEN, DASS SICH DIE HOFFNUNG<br />
DEN GEGEBENHEITEN ANPASST? Ich glaube, Hoffnung<br />
ist ein Grundgefühl, das man in sich trägt, das einen<br />
stabilisiert, eine Art Geländer, an dem man sich festhalten<br />
kann. Welchen Inhalt das dann jeweils hat, ist sicher von<br />
der jeweiligen Situation abhängig, von der Lebensphase,<br />
in der man sich gerade befindet.<br />
IST ES NICHT GERADE AM ENDE DES LEBENS<br />
WICHTIG, DASS SICH HOFFNUNGEN NOCH ERFÜL-<br />
LEN – ES IST SCHLIESSLICH DIE LETZTE GELEGEN-<br />
HEIT … Wenn man mit den Patienten spricht, die wirklich<br />
noch bis zu ihrem Tod<br />
kommunizieren können, stellt<br />
man fest – am Ende ist es gar nicht so<br />
wichtig, ob sich alle Hoffnungen erfüllt haben. Viel bedeutsamer<br />
war, dass einen die Hoffnung getragen hat. Genauso<br />
aber erlebe ich allerdings auch Erleichterung, wenn Menschen<br />
dann doch noch den Mut gefasst haben, in Beziehungen<br />
heikle Themen anzusprechen, schwierige Situationen<br />
aufzulösen. Das ist eine Hoffnung, die mir auch oft begegnet:<br />
die auf Klärung.<br />
WIE GUT GELINGT ES ÄRZTEN, IHREN PATIENTEN<br />
DIE HOFFNUNG ZU NEHMEN, DASS EINE WEITERE<br />
THERAPIE DOCH NOCH DIE WENDE BRINGEN<br />
WIRD … Das ist schwierig. Denn schließlich ist es zutiefst<br />
menschlich, auch nach Strohhalmen zu greifen, die eigentlich<br />
keine sind. Es gibt bisweilen eine gewisse Scheu bei<br />
Ärzten, den Patienten die Hoffnung auf Heilung zu nehmen.<br />
Das führt aber dazu, dass die Patienten oft sehr spät<br />
erst auf die Palliativstation kommen. Dass wertvolle Zeit<br />
verloren geht. Zeit, in denen Patienten noch einigermaßen<br />
stabil waren und in der man noch hätte einiges an Bedürfnissen<br />
und Wünschen erfüllen und in der sie ihre letzte<br />
Lebenszeit hätten selbst gestalten können.<br />
AM ENDE GIBT ES DIESE GROSSE HOFFNUNG AUF<br />
EIN LEBEN NACH DEM TODE, IST DIE HILFREICH?<br />
Ich erlebe, dass der Glaube Menschen durchaus Halt gibt.<br />
Ich hatte vor einiger Zeit einen Buddhisten als Patient, dem<br />
wir erklären mussten, dass er bald sterben wird. Der hat das<br />
bloß mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen.<br />
Für ihn war klar, dass seine Reise damit noch lange nicht<br />
zu Ende ist. Und tatsächlich erleben wir auf der Station –<br />
gerade beim Übergang vom Leben in den Tod – manchmal<br />
Situationen, wo wir denken, das kann eigentlich nicht sein,<br />
dass wirklich alles vorbei ist.