MAINfeeling Winter 2023

22 STORY
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, SIE SIND VER-
MUTLICH DIE GRÖSSTEN HOFFNUNGSTRÄGER
ÜBERHAUPT. ES GIBT SCHLIESSLICH WENIGE
BERUFE, VON DENEN SO UNMÖGLICHES
ERWARTET WIRD, WIE ETWA SCHNITTLAUCH-
FRANSEN IN WALLE-MÄHNEN ZU VERWAN-
DELN … Die Natur setzt sicher ihre Grenzen. Etwa auch
in der Menopause, wenn die Haare dünner werden.
Dazu Corona, das auch an den Haaren einige Verheerungen
hinterlassen hat. Bei manchen hat sich der
Bestand fast halbiert. Aber wenn man einen guten
Friseur hat, lässt sich sehr viel machen. Bis sich das
Haar erholt hat, für den Übergang vielleicht mit einer
schönen Kurzhaarfrisur. Auch mit Extensions oder mit
Haarteilen. Auch mit schwierigem Ausgangsmaterial
lassen sich immer noch Träume erfüllen.
ABER DANN DOCH MIT MAXIMALEM AUFWAND.
EIN HOFFNUNGSASPEKT BEIM HAAR IST JA
AUCH, DASS ES EINFACH SO WOW IST, WIE ES
IST … Martina Acht: Relativ gesehen. Denken Sie daran,
wie ungleich größer der Aufwand früher war. Als ich
anfing, mich für Haare zu interessieren, gab es zum
Glück schon Vidal-Sassoon. Seine Schnitte haben die
Frauen – also wenigstens die meisten – von den Lockenwicklern
befreit. Oder auch von der für alle Beteiligten –
inklusive Haar – so strapaziösen Dauerwelle. Oder all
die Arbeit, die in den so auftoupierten Matten der
Mantafahrerbraut steckte. Bei Porschefahrern kursierte
damals der Spruch: Die geht nicht, die passt nicht in
mein Auto rein. Also eine Befürchtung ist damit vom
Tisch: dass schöne Haare unheimliche Anstrengungen
brauchen.
WIE RADIKAL SIND DA MANCHMAL DIE TYP-
VERÄNDERUNGEN? Es ist nicht so, dass wir fünfmal
am Tag 80 Zentimeter Haarlänge abschneiden. Aber
wir beraten sehr gerne. Wir finden beide, es gibt nichts
Schlimmeres, als wenn man gerade bei Stammkunden
immer nur sagt „wie immer!?“ und gar nicht mehr
nachfragt, ob sie nicht mal Lust auf was Neues haben.
Wir tragen ja selbst immer mal wieder einen anderen
Haarschnitt, damit die Kundinnen vielleicht auch mal
wieder Lust auf Veränderungen bekommen.
ALS ZWEITHAAR-SPEZIALISTEN HELFEN SIE
AUCH FRAUEN, DIE UNTER ERBLICH BEDING-
TEM HAARAUSFALL LEIDEN ODER DURCH EINE
CHEMO IHRE HAARE VERLOREN HABEN – VER-
MUTLICH SPIELT DA DAS THEMA „HOFFNUNG“
VIELLEICHT DIE GRÖSSTE ROLLE. Natürlich
hoffen die Frauen vor allem anderen, dass sie geheilt
werden. Aber auch: Dass man ihnen die Krankheit nicht
ansieht. Wir haben einen eigenen Raum, in dem wir die
Frauen intensiv beraten können. Sie haben meist ihren
Mann, Freundinnen oder ihre Mutter dabei. Es ist
schön, zu erleben, wie sie loslassen können und wie sie
dann auch bei ihrer Perücke mal etwas ausprobieren:
eine andere Haarlänge etwa. Wenn dann jemand sagt,
„du siehst ja ganz anders aus“, dann brauchen sie nicht
erklären, dass sie krank sind, sondern sie sagen einfach:
„Ich habe eine neue Frisur.“
HOFFNUNG SPEIST SICH BEIM HAAR JA AUCH
SEHR STARK AUS FRISURENHEFTEN – AUS
VOR-BILDERN. VERMUTLICH PASST DAS AUCH
NICHT IMMER ZUM JEWEILIGEN HAUPT, WAS
MAN DA ALS FERNZIEL PRÄSENTIERT BE-
KOMMT? Josephine Acht: Wir haben durchaus viele
Kunden, die ein Bild mitbringen oder, wenn sie jünger
sind, eines aus Instagram oder Pinterest zeigen. Wir
finden das ganz gut. Als Inspiration und man bekommt
ein Gefühl dafür, welche Vorstellung die Frau von
Farbe und Länge hat. Und man erfährt, wie sie sich
selbst sieht, wie man sich gern sehen würde.
Foto: Andrea - stock.adobe.com