LebensArt Winter 2023
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DIE BASIS:<br />
DAS HERRGOTTS<br />
BSCHEISSERLE<br />
Maultaschen gehören fest<br />
zur schwäbischen Esskultur.<br />
Einer, der sie puristisch<br />
traditionell zubereitet, ihnen<br />
aber im kulinarischen Beiwerk<br />
neue Genusspotenziale<br />
zuweist, ist Volker Klenk.<br />
Nicht nur in seinem Blog,<br />
auch in einem großen Kochbuch<br />
verleiht er seiner Liebe<br />
zum heimatlichen Traditionsessen<br />
kreativ Ausdruck.<br />
Volker Klenk liebt Maultaschen. Halt –<br />
so viel Zeit muss sein: Professor Dr. Volker<br />
Klenk. Was die Maultaschen gleich auf<br />
ein anderes Niveau hebt. Da sind die kleinen<br />
„Herrgottsbscheißerle“ sofort ein Symbol<br />
für Tradition, für echte schwäbische Hausfrauenkunst<br />
und für das schwäbische Heimatgefühl<br />
– ein Kulturgut eben. Doch mal<br />
ehrlich, in erster Linie schmecken die Nudeltäschle<br />
mit ihrer Füllung so hervorragend,<br />
dass sie der Belagerung des Gaumens durch<br />
die fantastischen Kreationen der internationalen<br />
Haute Cuisine erfolgreich trotzen.<br />
Klenk, von der mütterlichen Küche in Winnenden<br />
geprägt, inspirierte das nicht nur zu<br />
einem Blog im Internet und zu einer kleinen<br />
Manufaktur, sondern auch zu einem Kochbuch,<br />
das den Maultaschen eine erstaunliche<br />
kulinarische Vielfalt zuweist. Und weil‘s<br />
eben der Herr Professor ist, heißt das umfangreiche,<br />
Appetit machende Werk nicht<br />
Kochbuch, sondern „Das Maultaschen Manifest“.<br />
Was nichts daran ändert, dass hier<br />
qualitätsbewusst, fantasievoll und bodenständig<br />
gekocht wird. Bundesweit natürlich<br />
– aber mit dem Anker im Schwäbischen. In<br />
die gute schwäbische Maultasche – die für<br />
eine gelungene Herstellung wirklich Zeit benötigt<br />
– füllt man Fleisch, Spinat, Zwiebeln<br />
und Weckle. Was sonst noch an Zutaten den<br />
Fotos: Christian Verlag/Julia Ruby Hildebrand, Ingolf Hatz; Adobe Stock/ange1011, kittikorn Ph<br />
Geschmack ausbalanciert, Petersilie, Schnittlauch<br />
oder Liebstöckel zum Beispiel, ist der<br />
individuellen Vorliebe überlassen: „Jede<br />
Maultasche ist im Grunde ein Unikat.“<br />
Aber was man dann mit den Päckchen anstellt,<br />
mit denen die Maulbronner Mönche<br />
im Mittelalter während der Fastenzeit den<br />
Herrgott übers Ohr hauen wollten, das ist<br />
schon deutlich mehr als das, was man üblicherweise<br />
auf dem Teller findet. Geschmälzt,<br />
in der Brühe, gebraten, mit grünem Salat<br />
oder Kartoffelsalat serviert – jeder echte<br />
Schwabe kennt das. Schmeckt wunderbar,<br />
nur muss der Teig fein und dünn sein und die<br />
Füllung dazu leicht und locker das Ganze zu<br />
einem kulinarischen Event erheben: Bloß<br />
kein fester, vom Teig erstickter Klumpen, wie<br />
er in manchen hermetisch verschweißten Industriepackungen<br />
zu Hause ist. „Das ärgert<br />
mich“, macht Klenk seinem Missmut über<br />
die verhunzte Schwabentradition Luft.<br />
Eigentlich ist Klenk ein Purist. Mit der<br />
Maultasche selbst wird nicht herumexperimentiert.<br />
Die Zutaten müssen frisch sein, die<br />
Qualität muss stimmen. Das Ganze gibt’s<br />
rechteckig – nicht im Quadrat, nicht dreieckig,<br />
nicht rund. So wie schon seine Mutter,<br />
Im „Maultaschen-<br />
Manifest“<br />
fusionieren die<br />
schwäbischen<br />
Teigtaschen unter<br />
anderem mit<br />
Gerichten der<br />
asiatischen Küche.<br />
Oma Lisbeth genannt, die Füllung verpackt<br />
hat. Was allerdings Volker Klenk dann mit<br />
den Maultaschen anstellt, hätte sich seine<br />
Mutter bestimmt nicht träumen lassen.<br />
VEGANE TÄSCHLE<br />
„Man kann ganz tolle Sachen machen“, sagt<br />
der von Mutters Kochkunst geprägte Sohn<br />
und legt die Hand aufs Herz: „Alle Rezepte<br />
habe ich selbstverständlich selbst gekocht<br />
und verkostet. Dafür habe ich sogar meinen<br />
Urlaub geopfert und am Lago Maggiore jeden<br />
Tag zwei Gerichte zubereitet, mich richtig<br />
reingearbeitet. Die Familie gab dann die<br />
Urteile ab – einiges hat es nicht ins Buch geschafft.“<br />
Auch Frau Klenk liebt Maultaschen, wie<br />
könnte es auch anders sein als „Urschwäbin“.<br />
Allerdings, meint ihr Mann augenzwinkernd,<br />
„die ihrer Mutter mehr als die meiner<br />
Mutter“. Die drei Kinder verteilen ihre Sympathie<br />
gerecht: Beide Omas sammeln Punkte.<br />
Die ältere Tochter Hannah sorgte für ein<br />
spezielles Kapitel in Klenks Buch: Als Veganerin<br />
brachte sie den Vater mit seinem Credo<br />
„in Maultaschen gehört Fleisch“ etwas in<br />
Verlegenheit. Sie entwickelte ein veganes<br />
Täschlerezept, das dem Kochbuchautor<br />
nicht nur in Geschmackssachen Respekt abnötigte:<br />
„Ich fand das toll. Es ist ganz schwer,<br />
mit diesen Zutaten Maultaschen zu machen,<br />
die nicht auseinanderfallen“. Weil es nicht<br />
verwechselt werden sollte mit dem Ur-Rezept,<br />
nannte er das Produkt „Teigtasche“.<br />
Volker Klenk hat seinem<br />
Lieblingsessen, den Maultaschen,<br />
ein Kochbuch gewidmet.<br />
50 Rezepte hat er in seinem Maultaschen-<br />
Manifest vereint. Die Basis bilden immer die<br />
echten Schwäbischen, Klenks Lieblingsessen.<br />
„Ich bin sozusagen verrückt nach Maultaschen.<br />
Sehe ich welche, muss ich sie einfach<br />
bestellen, mitnehmen, probieren,<br />
obwohl ich ahne, meist enttäuscht zu werden.<br />
Erwische ich hingegen gut gemachte<br />
Maultaschen, geht mein Herz auf.“ Schwierigkeiten<br />
könnten durch den vor 30 Jahren<br />
beruflich bedingten Standortwechsel ins<br />
Hessische entstehen. Mit dem hat sich Klenk<br />
– wenigstens äußerlich – vom Schwabenland<br />
entfernt: „Maultaschen-Notstandsgebiet“.<br />
Mangel muss er deswegen nicht leiden.<br />
Es steht zu vermuten, dass er und seine Frau<br />
öfter selbst für die Leibspeise Hand anlegen.<br />
Entstanden ist die Idee zur kleinen Manufaktur,<br />
die übrigens nur Restaurants beliefert,<br />
eigentlich aus einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt<br />
im hessischen Kronberg, wo<br />
man zusammen mit Freunden Maultaschen<br />
für einen guten Zweck herstellte und verkaufte.<br />
Das kam bei den Hessen so gut an,<br />
dass schnell eine Fangemeinde zu dem jährlichen<br />
Markt pilgerte. Warum nicht immer<br />
so, fragte sich die Familie. Obwohl beruflich<br />
eigentlich vollends ausgelastet, ließ sich<br />
Klenk, der dem Spaß am Maultaschenmachen<br />
eine hohe Rangordnung zuweist, gerne<br />
auf das Abenteuer ein.<br />
Die Manufaktur trägt gleichzeitig einem<br />
weiteren Anliegen Rechnung: faire und<br />
nachhaltige Lebensmittel zu verwenden und<br />
zu produzieren. Wenn nun mit dem Rezeptbuch,<br />
das Klenk wegen der Textbeiträge<br />
auch als „Lesebuch“ verstanden wissen will,<br />
der schwäbischen Urspeise internationale<br />
Genusskrönchen aufgesetzt werden, bringt<br />
das sicher nicht nur die Augen im Schwabenland<br />
zum Leuchten. Gabriele Meyer<br />
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