27.11.2023 Aufrufe

LebensArt Winter 2023

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DIE BASIS:<br />

DAS HERRGOTTS<br />

BSCHEISSERLE<br />

Maultaschen gehören fest<br />

zur schwäbischen Esskultur.<br />

Einer, der sie puristisch<br />

traditionell zubereitet, ihnen<br />

aber im kulinarischen Beiwerk<br />

neue Genusspotenziale<br />

zuweist, ist Volker Klenk.<br />

Nicht nur in seinem Blog,<br />

auch in einem großen Kochbuch<br />

verleiht er seiner Liebe<br />

zum heimatlichen Traditionsessen<br />

kreativ Ausdruck.<br />

Volker Klenk liebt Maultaschen. Halt –<br />

so viel Zeit muss sein: Professor Dr. Volker<br />

Klenk. Was die Maultaschen gleich auf<br />

ein anderes Niveau hebt. Da sind die kleinen<br />

„Herrgottsbscheißerle“ sofort ein Symbol<br />

für Tradition, für echte schwäbische Hausfrauenkunst<br />

und für das schwäbische Heimatgefühl<br />

– ein Kulturgut eben. Doch mal<br />

ehrlich, in erster Linie schmecken die Nudeltäschle<br />

mit ihrer Füllung so hervorragend,<br />

dass sie der Belagerung des Gaumens durch<br />

die fantastischen Kreationen der internationalen<br />

Haute Cuisine erfolgreich trotzen.<br />

Klenk, von der mütterlichen Küche in Winnenden<br />

geprägt, inspirierte das nicht nur zu<br />

einem Blog im Internet und zu einer kleinen<br />

Manufaktur, sondern auch zu einem Kochbuch,<br />

das den Maultaschen eine erstaunliche<br />

kulinarische Vielfalt zuweist. Und weil‘s<br />

eben der Herr Professor ist, heißt das umfangreiche,<br />

Appetit machende Werk nicht<br />

Kochbuch, sondern „Das Maultaschen Manifest“.<br />

Was nichts daran ändert, dass hier<br />

qualitätsbewusst, fantasievoll und bodenständig<br />

gekocht wird. Bundesweit natürlich<br />

– aber mit dem Anker im Schwäbischen. In<br />

die gute schwäbische Maultasche – die für<br />

eine gelungene Herstellung wirklich Zeit benötigt<br />

– füllt man Fleisch, Spinat, Zwiebeln<br />

und Weckle. Was sonst noch an Zutaten den<br />

Fotos: Christian Verlag/Julia Ruby Hildebrand, Ingolf Hatz; Adobe Stock/ange1011, kittikorn Ph<br />

Geschmack ausbalanciert, Petersilie, Schnittlauch<br />

oder Liebstöckel zum Beispiel, ist der<br />

individuellen Vorliebe überlassen: „Jede<br />

Maultasche ist im Grunde ein Unikat.“<br />

Aber was man dann mit den Päckchen anstellt,<br />

mit denen die Maulbronner Mönche<br />

im Mittelalter während der Fastenzeit den<br />

Herrgott übers Ohr hauen wollten, das ist<br />

schon deutlich mehr als das, was man üblicherweise<br />

auf dem Teller findet. Geschmälzt,<br />

in der Brühe, gebraten, mit grünem Salat<br />

oder Kartoffelsalat serviert – jeder echte<br />

Schwabe kennt das. Schmeckt wunderbar,<br />

nur muss der Teig fein und dünn sein und die<br />

Füllung dazu leicht und locker das Ganze zu<br />

einem kulinarischen Event erheben: Bloß<br />

kein fester, vom Teig erstickter Klumpen, wie<br />

er in manchen hermetisch verschweißten Industriepackungen<br />

zu Hause ist. „Das ärgert<br />

mich“, macht Klenk seinem Missmut über<br />

die verhunzte Schwabentradition Luft.<br />

Eigentlich ist Klenk ein Purist. Mit der<br />

Maultasche selbst wird nicht herumexperimentiert.<br />

Die Zutaten müssen frisch sein, die<br />

Qualität muss stimmen. Das Ganze gibt’s<br />

rechteckig – nicht im Quadrat, nicht dreieckig,<br />

nicht rund. So wie schon seine Mutter,<br />

Im „Maultaschen-<br />

Manifest“<br />

fusionieren die<br />

schwäbischen<br />

Teigtaschen unter<br />

anderem mit<br />

Gerichten der<br />

asiatischen Küche.<br />

Oma Lisbeth genannt, die Füllung verpackt<br />

hat. Was allerdings Volker Klenk dann mit<br />

den Maultaschen anstellt, hätte sich seine<br />

Mutter bestimmt nicht träumen lassen.<br />

VEGANE TÄSCHLE<br />

„Man kann ganz tolle Sachen machen“, sagt<br />

der von Mutters Kochkunst geprägte Sohn<br />

und legt die Hand aufs Herz: „Alle Rezepte<br />

habe ich selbstverständlich selbst gekocht<br />

und verkostet. Dafür habe ich sogar meinen<br />

Urlaub geopfert und am Lago Maggiore jeden<br />

Tag zwei Gerichte zubereitet, mich richtig<br />

reingearbeitet. Die Familie gab dann die<br />

Urteile ab – einiges hat es nicht ins Buch geschafft.“<br />

Auch Frau Klenk liebt Maultaschen, wie<br />

könnte es auch anders sein als „Urschwäbin“.<br />

Allerdings, meint ihr Mann augenzwinkernd,<br />

„die ihrer Mutter mehr als die meiner<br />

Mutter“. Die drei Kinder verteilen ihre Sympathie<br />

gerecht: Beide Omas sammeln Punkte.<br />

Die ältere Tochter Hannah sorgte für ein<br />

spezielles Kapitel in Klenks Buch: Als Veganerin<br />

brachte sie den Vater mit seinem Credo<br />

„in Maultaschen gehört Fleisch“ etwas in<br />

Verlegenheit. Sie entwickelte ein veganes<br />

Täschlerezept, das dem Kochbuchautor<br />

nicht nur in Geschmackssachen Respekt abnötigte:<br />

„Ich fand das toll. Es ist ganz schwer,<br />

mit diesen Zutaten Maultaschen zu machen,<br />

die nicht auseinanderfallen“. Weil es nicht<br />

verwechselt werden sollte mit dem Ur-Rezept,<br />

nannte er das Produkt „Teigtasche“.<br />

Volker Klenk hat seinem<br />

Lieblingsessen, den Maultaschen,<br />

ein Kochbuch gewidmet.<br />

50 Rezepte hat er in seinem Maultaschen-<br />

Manifest vereint. Die Basis bilden immer die<br />

echten Schwäbischen, Klenks Lieblingsessen.<br />

„Ich bin sozusagen verrückt nach Maultaschen.<br />

Sehe ich welche, muss ich sie einfach<br />

bestellen, mitnehmen, probieren,<br />

obwohl ich ahne, meist enttäuscht zu werden.<br />

Erwische ich hingegen gut gemachte<br />

Maultaschen, geht mein Herz auf.“ Schwierigkeiten<br />

könnten durch den vor 30 Jahren<br />

beruflich bedingten Standortwechsel ins<br />

Hessische entstehen. Mit dem hat sich Klenk<br />

– wenigstens äußerlich – vom Schwabenland<br />

entfernt: „Maultaschen-Notstandsgebiet“.<br />

Mangel muss er deswegen nicht leiden.<br />

Es steht zu vermuten, dass er und seine Frau<br />

öfter selbst für die Leibspeise Hand anlegen.<br />

Entstanden ist die Idee zur kleinen Manufaktur,<br />

die übrigens nur Restaurants beliefert,<br />

eigentlich aus einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt<br />

im hessischen Kronberg, wo<br />

man zusammen mit Freunden Maultaschen<br />

für einen guten Zweck herstellte und verkaufte.<br />

Das kam bei den Hessen so gut an,<br />

dass schnell eine Fangemeinde zu dem jährlichen<br />

Markt pilgerte. Warum nicht immer<br />

so, fragte sich die Familie. Obwohl beruflich<br />

eigentlich vollends ausgelastet, ließ sich<br />

Klenk, der dem Spaß am Maultaschenmachen<br />

eine hohe Rangordnung zuweist, gerne<br />

auf das Abenteuer ein.<br />

Die Manufaktur trägt gleichzeitig einem<br />

weiteren Anliegen Rechnung: faire und<br />

nachhaltige Lebensmittel zu verwenden und<br />

zu produzieren. Wenn nun mit dem Rezeptbuch,<br />

das Klenk wegen der Textbeiträge<br />

auch als „Lesebuch“ verstanden wissen will,<br />

der schwäbischen Urspeise internationale<br />

Genusskrönchen aufgesetzt werden, bringt<br />

das sicher nicht nur die Augen im Schwabenland<br />

zum Leuchten. Gabriele Meyer<br />

14<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!