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68 KULTUR | KUNST<br />

UMSTRITTENE<br />

SAMMLUNG<br />

Darf die Sammlung des Waffenhändlers Emil Bührle, der Bilder aus jüdischem Besitz<br />

unter Preis aufkaufte, gezeigt werden und wenn ja, in welcher Form? Wie kann hier ein<br />

differenzierter Umgang mit der Geschichte gelingen?<br />

VON STEFANIE GÖTTLICH<br />

Genau vor einem Jahr, im <strong>Januar</strong> 2023, hat Ann Demeester<br />

die Direktion des Kunsthauses Zürich übernommen. Sie versprach<br />

damals, Transparenz in die kontroverse Diskussion<br />

um Raubkunst, Fluchtgut und die Person Bührles zu bringen<br />

und stellte eine baldige Neupräsentation der Dauerleihgabe,<br />

die schon seit 2021 zu sehen war, in Aussicht. Ob ihr das gelungen<br />

ist, wird weiterhin heiß diskutiert.<br />

Neue Aufbereitung<br />

Ein interdisziplinäres Team erarbeitete die neue Ausstellung<br />

abteilungsübergreifend und wurde von einem Beirat begleitet.<br />

Im Chipperfield-Bau des Kunsthauses ist die vor einem<br />

Jahr angekündigte Neupräsentation unter dem Titel „Kunst,<br />

Kontext, Krieg und Konflikt“ seit November 2023 geöffnet.<br />

Mit ihr reagiert das Museum auf Kritik zur ersten Präsentation<br />

und hat gleichzeitig auch neue Debatten losgetreten.<br />

Wenige Wochen vor der Eröffnung zog sich der wissenschaftliche<br />

Beirat publikumswirksam zurück, begründete<br />

dies damit, dass er mit der Konzeption der neuen Ausstellung<br />

nicht einverstanden sei, weil Bührle weiter im Zentrum<br />

der Präsentation stehe, während die einstigen Besitzer*innen<br />

der Werke nicht in angemessener Weise sichtbar<br />

werden würden.<br />

Die neue Ausstellung bietet viel Input, um sich eine eigene<br />

Meinung zu bilden. Sie stellt die geschichtlichen Zusammenhänge<br />

her, zeigt Verflechtungen auf und erzählt die Herkunftsgeschichte<br />

von einigen Werken. Neben all diesen Informationen<br />

zur Historie geraten die mehr als 200 hochkarätigen<br />

Kunstwerke von Künstlern wie Cezanne, Gauguin, Van<br />

Gogh, Manet, Monet, Modigliani, Renoir, Picasso oder Toulouse<br />

Lautrec, um nur einige zu nennen, fast in den Hintergrund.<br />

Ziel der Museumdirektorin ist es, einen neuen Umgang<br />

mit der Sammlung zu entwickeln, denn, so betont sie,<br />

die Gemälde und Skulpturen hätten keinen Anteil am unfassbaren<br />

Unrecht, das in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

ausgeübt wurde.<br />

Täter und Opfer<br />

Auf großen Wandtexten werden das Leben Bührles, seine<br />

Geschäfte und sein Erwerb der Kunstwerke chronologisch<br />

durchleuchtet. Hier erfährt man, wie der Waffenlieferant<br />

des NS-Regimes in der Zürcher Kunstgesellschaft eine steile<br />

Karriere machte, Kunst auch von verfolgten jüdischen<br />

Sammler*innen kaufte und wie das Kunsthaus vom Kriegsprofiteur<br />

profitierte, denn der Mäzen war seit Jahrzehnten<br />

mit dem Haus verbunden. Hinterfragt wird auch, ob Bührles<br />

Reichtum teils auf Profiten aus Zwangsarbeit beruht.<br />

In einem eigenen Raum wird der Blick auf die Geschichte<br />

der Opfer gelenkt, wo einzelne Schicksale der jüdischen Vorbesitzer*innen<br />

aufgezeigt werden.<br />

Kontroverser Dialog<br />

Wer durch die Räume der Sammlung geht, begegnet darüber<br />

hinaus verschiedensten Standpunkten. In Videos kom-<br />

Amedeo Modigliani, Liegender Akt, 1916; Öl auf Leinwand, 65,5 x 87 cm;<br />

Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich<br />

Vincent van Gogh, Le Semeur au soleil, couchant, 1888; Öl auf Leinwand,<br />

73 x 92 cm; Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich

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