Christkatholisch_2024-1
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Panorama<br />
Gemeinsam<br />
auf der Suche<br />
In den Anfängen des Christentums waren die frühen Christen alle<br />
gemeinsam auf der Suche nach Gott, nach «der Wahrheit». Die Gemeinden<br />
hatten nur einige Eckpfeiler auf diesem Weg: Es gab kein fest formuliertes<br />
System und keine Dogmen, es gab noch keine feste Lehre. Warum<br />
konnte das nicht so bleiben? Und wie veränderte sich die Suche?<br />
Von Georg Spindler<br />
Was gibt es denn noch<br />
zu suchen?<br />
Ist nicht schon alles gefunden und abgesichert? Was<br />
war nicht alles nötig, um diese Sicherheiten zu erreichen!<br />
Von Anfang an tauchten Lehren auf, die das<br />
Evangelium verfälschen wollten.<br />
Irrlehrer wie Markion und andere Gnostiker mussten<br />
verurteilt und ausgeschieden, Arius musste sein Irrtum<br />
nachgewiesen werden. Nestorius als Erzbischof<br />
der Kaiserstadt Konstantinopel musste vertrieben<br />
und verbannt werden, wollte er doch Maria den Titel<br />
der Gottesmutter nicht zugestehen. Dazu wurden<br />
Konzilien einberufen und Dogmen formuliert und zu<br />
guter Letzt hiess es in solchen oder ähnlichen Worten:<br />
«Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen, all<br />
dies als von Gott geoffenbarte Wahrheit zu verkünden.<br />
Wenn jemand, was Gott verhüten möge, diese<br />
Wahrheit nicht annehmen will, dann sei er ausgeschlossen!»<br />
Also, was wäre da noch zu suchen? Jetzt, da ein<br />
Gebäude der Lehre vor uns steht, wie es imposanter<br />
nicht sein könnte? Wann hat sie eigentlich begonnen,<br />
diese Sucht nach festen Formulierungen und unumstösslichen<br />
Wahrheiten? Wann begann das Dogma<br />
zu herrschen und wann hatte die Suche aufgehört?<br />
Ab wann erschienen Autoritäten, die für sich nicht<br />
nur das Recht in Anspruch nahmen, sondern sich<br />
sogar in der Pflicht sahen, formulieren und bestimmen<br />
zu können, was Wahrheit ist und was nicht?<br />
Die ganz frühen Christen wurden «die Leute auf dem<br />
Weg» genannt. Jesus selber hatte die Menschen, die<br />
er in seine Nachfolge gerufen hatte, mit auf einen<br />
Weg genommen und auf diesem Weg mit Jesus wurden<br />
sie immer mehr seine Schüler. Einmal waren sie<br />
in Judäa, dann wieder in Galiläa, sogar die Grenzen<br />
zu den «Heiden» im Libanon und in der Dekapolis<br />
überschritten sie. Gemeinsam mit Jesus waren sie<br />
immer auf dem Weg und das blieben sie auch, nachdem<br />
ihnen Jesus in seiner irdischen Gestalt genommen<br />
wurde. Auf diesem Weg mit Jesus waren sie<br />
ohne festen Wohnsitz: einmal hier, dann wieder dort.<br />
Nirgends blieben sie lange, denn sie waren ja «auf<br />
dem Weg».<br />
Dieses Auf-dem-Weg-Sein möchte ich nicht nur geografisch<br />
verstehen. Die frühesten Christen hatten<br />
noch keine feste Lehre und schon gar kein fest formuliertes<br />
System. Die Erinnerung an Jesus und an<br />
die gemeinsamen Wanderungen mit ihm waren ja<br />
noch so lebendig, seine Worte und seine Taten waren<br />
in ihre Herzen eingebrannt und Jesu Geist erschloss<br />
ihnen deren Sinn. Es gab auch noch kein «Neues<br />
Testament». Alles war fliessend, und ein lebendiger<br />
Austausch miteinander half ihnen, immer tiefer in die<br />
neue Wirklichkeit des auferstandenen Christus hinein<br />
zu finden.<br />
Es ist in der Apostelgeschichte und auch in den Apostelbriefen<br />
sehr gut zu beobachten, wie sehr die<br />
frühen Gemeinden gemeinsam auf der Suche waren.<br />
Sicher gab es schon Eckpfeiler ihres Glaubens: die<br />
Auferweckung Jesu und sein Sieg über den Tod, das<br />
neue Verhältnis des Menschen zu Gott, dem Vater;<br />
die Liebe zueinander und untereinander, der neue<br />
Umgang miteinander, die Erwartung der Wiederkunft<br />
Christi, das gemeinsame Essen und Trinken, in dem<br />
Jesu Gegenwart erfahren wurde, das neue Menschenbild...<br />
Warum konnte das nicht<br />
so bleiben?<br />
Musste das junge Christentum sich wirklich so sehr<br />
gegen andere Sichtweisen wehren, dass es sich im<br />
Lauf der nächsten Jahrhunderte immer mehr in eine<br />
Art Festung verwandelte, vor allem, seit Kaiser Theodosios<br />
I. es um das Jahr 381 zur Staatsreligion erhob?<br />
Über alles wurde in der Folgezeit gestritten.<br />
Das richtige Verhältnis zwischen dem Vater, dem<br />
Sohn und dem Geist in der einen Gottheit musste<br />
klar formuliert werden, dann die zwei Naturen in dem<br />
einen Christus. Unbedingt beantwortet werden musste<br />
die Frage, wie viele Willen Christus eigentlich habe<br />
und ob der göttliche Wille in ihm dem irdischen widerstrebe.<br />
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<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 1, <strong>2024</strong>