Christkatholisch_2024-1
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Hintergrund<br />
Zum 60. Todestag<br />
von John Fitzgerald<br />
Kennedy<br />
«Der Heldentod bewahrte JFK vor der Entzauberung».<br />
Vor 60 Jahren wurde US-Präsident John F. Kennedy erschossen.<br />
Der plötzliche Tod des jungen Präsidenten und Hoffnungsträgers<br />
erschütterte eine ganze Generation. Bis heute ist Kennedy einer<br />
der beliebtesten US-Präsidenten.<br />
Das Gespräch führte Alexis Amitirigala<br />
Kulturwissenschaftlerin und Autorin Elisabeth Bronfen<br />
erklärt, was JFK zum Mythos machte – und was<br />
das damals neue Massenmedium Fernsehen sowie<br />
der Glanz grosser Hollywood-Stars damit zu tun<br />
haben.<br />
Alexis Amitirigala: John F. Kennedy galt<br />
als Hoffnungsträger, als er 1960 zum<br />
US-Präsidenten gewählt wurde. Was<br />
machte ihn vom Beginn weg zur Ikone?<br />
Elisabeth Bronfen: John F. Kennedy hat gegen Konkurrent<br />
Nixon nur sehr knapp gewonnen. Das gelang<br />
ihm vor allem, weil er telegen war. Er trug den richtigen<br />
Anzug, sprach direkt in die Kamera. Im Gegensatz<br />
zu Nixon wusste er das Medium Fernsehen zu<br />
bedienen.<br />
Kennedy verkörperte die Hoffnung<br />
einer ganzen Generation.<br />
John F. Kennedy versprach den Amerikanern eine<br />
«New Frontier», die Erschliessung neuer Territorien.<br />
Das tat er etwa durch sein Raumfahrtprogramm. Aber<br />
auch in Sachen Frauen-, Arbeiter- oder Bürgerrechte<br />
erschloss Kennedy Neuland.<br />
Wieviel trug Kennedys Nähe zum<br />
Showbusiness zu seiner Popularität bei?<br />
Kennedy verkehrte oft mit wichtigen Leuten aus dem<br />
Showbusiness, wie Frank Sinatra, Marilyn Monroe<br />
oder Judy Garland. Dadurch wurde er in der Öffentlichkeit<br />
selbst wie ein Star wahrgenommen. Kennedy<br />
wollte bewusst zum Showbusiness gehören, und er<br />
ist der erste Präsident, dem das gelungen ist.<br />
Kennedy hatte unzählige Affären, das berühmteste<br />
Zeugnis davon ist Marilyn Monroes Auftritt im Madison<br />
Square Garden: Zu seinem 45. Geburtstag haucht<br />
sie dem Präsidenten ein «Happy Birthday» zu, das<br />
an erotischer Spannung kaum zu überbieten ist.<br />
Welche Rolle spielte seine Frau<br />
Jackie Kennedy?<br />
Die kluge und stilsichere Jackie Kennedy war massgeblich<br />
am ikonischen Image des Präsidenten beteiligt.<br />
Sie verstand es, aus dem Weissen Haus eine Art<br />
demokratischen Hof zu machen. Sie inszenierte das<br />
Weisse Haus wie die strahlende Welt des Schlosses<br />
Camelot aus dem gleichnamigen Musical, das auf<br />
den mythischen King Arthur zurückgeht. Die spielerische<br />
Theatralisierung der Politik verlieh den Kennedys<br />
Glamour, Magie und Eleganz.<br />
Die mysteriöse Ermordung des jungen<br />
US-Präsidenten geriet zum kollektiven<br />
Trauma. Mit Kennedy starb mitten im Kalten<br />
Krieg gewissermassen der American<br />
Dream. Was macht den Mythos JFK bis<br />
heute so attraktiv?<br />
Wenn eine ikonische Figur frühzeitig stirbt, stellt sich<br />
immer die Frage, was gewesen wäre, wenn sie weitergelebt<br />
hätte. So ist es auch bei John F. Kennedy.<br />
Er verkörperte die Hoffnung einer ganzen Generation.<br />
Seine Ermordung liess für viele Menschen die<br />
Hoffnung auf eine bessere Welt platzen.<br />
Hätte Kennedy länger gelebt, wären auch die negativen<br />
Seiten seiner Innen- und Aussenpolitik sowie<br />
seines Privatlebens in den Vordergrund getreten. Der<br />
Heldentod bewahrte Kennedy vor dieser Entzauberung.<br />
Geblieben ist der Mythos JFK, der bis heute<br />
grosse Geschichtenerzähler wie Filmemacher Oliver<br />
Stone, Schriftsteller Stephen King oder Musiker Bob<br />
Dylan inspiriert.<br />
Quelle: SRF, 10 vor 10, vom 21. November 2023.<br />
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<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 1, <strong>2024</strong>