Christkatholisch_2024-1
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nomen est omen<br />
Eine Glocke ruft:<br />
«Stopp, mach Pause!»<br />
Die Aktualität des heiligen Benedikt von Nursia<br />
Vor eineinhalb Jahrtausenden hat der Heilige Benedikt<br />
von Nursia (ca. 480 – 560) gelebt und eine Mönchsregel<br />
verfasst – für Anfänger wie er schrieb.<br />
Von Niklas Raggenbass<br />
Ich meine, Benedikt fordert weiter heraus – und zwar<br />
nicht nur die Mönche. Fromm und religiös zu sein, ist<br />
nicht die Nummer eins auf der Liste, was ein Mönch<br />
sein soll, sondern inwiefern er bereit ist zu suchen.<br />
Es ist eine Suche nach einem Leben, wo es nicht<br />
genügt, dass die Maschine des Alltäglichen funktioniert,<br />
die Räder laufen und die Leistung erbracht wird,<br />
also keine Perfektion. Denen, die sich für unentbehrlich<br />
halten, sagt er sogar, sofort zurückzutreten. «Ora<br />
et labora» – bete und arbeite – ist also kein Zählkasten,<br />
was dem lieben Gott gefällt, um heilig zu werden.<br />
In regelmässigen Rhythmen läutet die Glocke zum<br />
Gebet. Sie ruft «Stopp»! Das kann schwer fallen, hätte<br />
man doch gerade dann die besten Ideen realisieren<br />
können.<br />
Bleiben und nicht fliehen<br />
Nicht nur im Beten und Arbeiten, auch im Ruhen, sich<br />
Weiterbilden und Entspannen liegen die Balancekräfte<br />
für gelingendes Leben, sagt der Mönchsvater. Er<br />
drängt darauf, dass man in Konfikten, in Situationen<br />
von Leid, von Streit und Übermut es miteinander aushalten<br />
und nicht fliehen sollte. Wie oft, gibt er zu Bedenken,<br />
flieht man dabei vor sich selbst. In einigen<br />
Kapiteln widmet sich Benedikt daher speziell den<br />
Kranken, Einsamen, Alten, Schwierigen, Fremden,<br />
Vorgesetzten, Wehrlosen, Ungeschickten, Übergriffigen,<br />
Gefangenen, denen die uns über den Tisch<br />
ziehen wollen, denn wir können lernen, dass sich<br />
überall dort, der grösste Reichtum in uns entdecken<br />
lässt.<br />
Unserer unübersichtliche Welt<br />
Was würde der Heilige Benedikt heute in unserer<br />
unübersichtlichen Welt, in der es keine bleibenden<br />
Werte mehr zu geben scheint, tun? Er selbst ist aus<br />
der grossen Stadt Rom geflohen, wollte weg aus all<br />
dem Trubel, um in die Einsamkeit einer Höhe in Subiaco<br />
Zuflucht zu suchen. Als Benedikt merkte, dass<br />
er die Zeit komplett vergessen hatte und nicht einmal<br />
mehr wusste, dass Ostern war, brach er die Übung<br />
ab. So lässt sich die Regelstelle erklären, die jedem<br />
rät, sich zuallererst in der Gemeinschaft zurechtfinden<br />
und wenn das geht, sich in die Einsamkeit zu<br />
begeben.<br />
Benediktusregel als Lebensregel<br />
Benedikt<br />
reiste von<br />
Nursia nach<br />
Rom. Bald<br />
wurde es ihm<br />
dort zu hektisch.<br />
Er<br />
flüchtete in<br />
eine Höhle in<br />
Subiaco, doch<br />
allein ging es<br />
nicht. «Gemeinschaft»<br />
wurde ihm<br />
zum Zauberwort<br />
–<br />
miteinander<br />
Gott suchen.<br />
Foto: Zvg<br />
Benedikt kann gerade aus dem Scheitern einen Sinn<br />
abgewinnen. Ihm ist es wichtig, dann man in der<br />
«Werkstatt Kloster», wie er sagt, ein Hörender wird,<br />
der das, was er aufnimmt, wie aus einer Schale weitergeben<br />
kann. Nicht zufällig heisst das erste Wort<br />
der Regel auch «Höre»! und am Ende sagte er, die<br />
Regel sei ein Versuch, dass die «Stabilität des Klosters»,<br />
das Bleibende, nie etwas Starres wird und sich<br />
ändern kann und muss. So lässt sich vielleicht mit<br />
«Ja» antwortet, wenn uns einer fragt: «Wer ist der<br />
Mensch, der das Leben liebt, der gute Tage zu sehen<br />
wünscht» (Benediktsregel 4, 49)? Und ausserdem<br />
sagt Benedikt dann am Ende, dass es uns – sollten<br />
wir unzufrieden sein – doch frei stünde, selbst eine<br />
Regel zu schreiben. Wie ein Code steht Benedikts<br />
Rat an allen Benediktinerklöstern: U.I.O.G.D. - möge<br />
in allem Gott Ehre erwiesen werden!<br />
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<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 1, <strong>2024</strong>