31.12.2023 Aufrufe

Christkatholisch_2024-1

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Thema<br />

Einst fast vergessen,<br />

heute ein verbreiteter<br />

Brauch<br />

Die Wiederentdeckung des Dreikönigskuchens.<br />

Der Dreikönigskuchen gehört zu den beliebtesten und am weitesten<br />

verbreiteten Bräuchen in der Schweiz. An sich ist der Brauch<br />

sehr alt, war aber Mitte des 20. Jahrhunderts in der Schweiz fast<br />

vergessen. Seine Wiederbelebung in den 1950er Jahren war ein<br />

grosser Erfolg und verhalf auch der heute typischen Form des<br />

Dreikönigskuchens zum Durchbruch.<br />

Von Adrian Suter<br />

Die «Galette des Rois» in Frankreich ist<br />

ein Blätterteiggebäck mit Marzipanfüllung,<br />

der «Bolo-Rei» in Portugal ist ein<br />

kronenförmiges Brioche-Gebäck mit<br />

kandierten Früchten. Jedes Land hat<br />

seine typische Form des Dreikönigskuchens<br />

– in der Schweiz ist<br />

es das bekannte blütenförmige<br />

Hefegebäck mit Hagelzucker und<br />

Mandelblättchen. Wer das eingebackene<br />

Königsfigürchen<br />

findet, ist für einen Tag Königin<br />

oder König. Das «Regieren»<br />

des so gefundenen<br />

Königs ist nicht nur von Land<br />

zu Land, sondern von Familie<br />

zu Familie unterschiedlich und<br />

beschränkt sich meistens auf zu<br />

erledigende Haushaltsarbeiten oder<br />

den Wunsch des Lieblingsessens. Wobei<br />

nach manchen Traditionen die Regentschaft<br />

auch mit Verpflichtungen verbunden<br />

ist: In Mexiko zum Beispiel ist es Tradition, dass<br />

die Person, die das Figürchen findet, die übrigen<br />

Gäste einladen muss, zum Beispiel zum nächsten<br />

festlichen Beisammensein an Mariä Lichtmess.<br />

Brotforschung als Hobby<br />

Wenn es um die Erforschung und Wiederbelebung<br />

des Dreikönigskuchens in der Schweiz geht, führt<br />

kein Weg an Max Währen (1919-2008) vorbei. Er war<br />

Versicherungsbeamter in Bern und in seiner Freizeit<br />

der wohl bedeutendste Brotforscher seiner Zeit, wofür<br />

ihm die ETH Zürich 1979 den Ehrendoktortitel<br />

verlieh. Er suchte nach Belegen für den Dreikönigskuchen<br />

in alten Dokumenten und Urkunden und konnte<br />

den Brauch des «Bohnenkönigs» in der Schweiz<br />

bis ins Jahr 1390 zurückverfolgen. In jener Zeit wurde<br />

keine Königsfigur, sondern eine Bohne ins Brot<br />

eingebacken, und wer die Bohne fand, wurde für<br />

einen Tag lang König.<br />

Max Währen und andere Forschende seiner Zeit sahen<br />

im spätmittelalterlichen Brauch des Bohnenkönigs<br />

eine direkte Fortsetzung eines ähnlichen Brauches<br />

in der römischen Antike, doch wird dieser Zusammenhang<br />

heute in Frage gestellt. Unabhängig<br />

davon, was der älteste Ursprung ist, bedauerte Währen,<br />

dass der Brauch in der Schweiz weitgehend<br />

verschwunden war. Er veröffentlichte seine Forschungsergebnisse,<br />

doch das allein belebt einen<br />

Volksbrauch nicht wieder. Doch Währen fand einen<br />

starken Verbündeten: den Schweizerischen Bäckerund<br />

Konditorenverband.<br />

Ein Berufsverband als<br />

Brauchtumsvermittler<br />

Es war die Richemont Fachschule mit Sitz in Luzern,<br />

seit 1945 verantwortlich für Aus- und Weiterbildungen<br />

in der Branche Bäckerei, Konditorei und Confiserie,<br />

die das Rezept für den Dreikönigkuchen entwickelte,<br />

wie wir ihn heute in der ganzen Schweiz kennen. 1952<br />

wurde Informationsmaterial zum Dreikönigskuchen<br />

an Bäckermeister verschickt, am 3. Januar 1953<br />

brachte das Schweizer Radio eine Sendung mit Max<br />

Währen, die den Brauch erläuterte und als lustiges<br />

Spiel für Familien propagierte. Schon im ersten Jahr<br />

der Brauchtums-Wiederbelebung wurden 50’000<br />

Dreikönigskuchen verkauft; ein Jahr später bezeichnete<br />

die Werbung den Dreikönigskuchen bereits als<br />

Tradition.<br />

4<br />

<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 1, <strong>2024</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!