38 ZOOM Unterwegs mit dem Kältebus der SKM Augsburg Under the bridge, downtown! E Fotos: Walter Sianos
ZOOM 39 Sobald sich das Thermometer um den Gefrierpunkt bewegt, ist von November bis März ein Kältebus des SKM unterwegs. Dabei kümmern sich zwei ehrenamtliche Mitarbeiter*innen nachts in Augsburg um Obdachlose, die im Freien übernachten. Der SKM (Sozialdienst katholischer Männer) ist ein sozial-karitativer Dienst der Diözese Augsburg. Es ist 20.00 Uhr, als wir uns im Übergangswohnheim des SKM in der Johannes-Rösle-Straße treffen. Das Thermometer zeigt an diesem Abend frostige 6 Grad minus an. Dagmar Frisch und Irene Krapf beladen ihr Einsatzfahrzeug mit Teekannen, Snacks, Kleidung, Decken, Schlafsäcken und kleinen Campingzelten. Zehn Stationen stehen an diesem Abend auf ihrer Tour, u.a. der Hauptbahnhof, Oberhauser Bahnhof, Königsplatz, das Rote Tor oder Brücken in Lechhausen und Pfersee. Knapp drei Stunden dauert an diesem Abend ihr Einsatz. Walter Sianos begleitete Dagmar und Irene auf ihrer nächtlichen Mission. gibt Pärchen, die sich über Nacht nicht in Frauenund Männerhäusern trennen wollen oder Tiere haben. Das ist in den Unterkünften nicht erlaubt und deshalb weichen sie auf die Straße aus. Der SKM bietet in der Wärmestube an der Klinkertorstraße auch untertags Frühstück und warmes Essen an. Lassen sich diese Menschen wenigstens dort blicken? Dagmar: Ja, man sieht schon den einen oder anderen dort. Die Wärmestube bietet diesen Dienst übrigens nicht nur für Obdachlose, sondern für jeden Bedürftigen an. Wie begegnet man euch sonst? Dagmar: Sehr höflich. Es kommt natürlich auch immer darauf an, wie man ihnen gegenübersteht. Wir sind respektvoll, offen und nie herablassend und genau das bekommen wir auch zurück. Irene: Ich treffe auch immer nur auf freundliche Menschen. Wir sind ja schließlich nicht nur ein rollendes Teehaus, sondern auch so etwas wie Seelsorger. Die Leute suchen immer wieder gerne das Gespräch mit uns, weil viele einfach einsam sind und sonst gar niemanden zum Reden haben. v.l.n.r.: Dagmar Frisch und Irene Krapf Ihr seid nachts mit dem Kältebus in Augsburg unterwegs. Warum machst ihr das, was ist eure Motivation? Dagmar: Ich bin dankbar dafür, dass es mir gut geht und diese Dankbarkeit möchte ich an Menschen weitergeben, bei denen es eben nicht so ist. Irene: Bei mir ist es dasselbe Motiv. Ich will das Glück, dass mir in meinem Leben begegnet ist, mit anderen Menschen teilen. Sind es in den letzten Jahren eher mehr oder weniger Obdachlose geworden? Irene: Ich bin jetzt den zweiten Winter dabei und es ist schon eine Steigerung zu sehen, gerade der Krieg in der Ukraine hat die Situation noch zusätzlich verschärft. Dieses Klischee, dass hier nur wohlhabende Ukrainer leben, ist übrigens falsch. Dagmar: Das beobachten wir auch bei der Essensausgabe, die Warteschlangen sind wesentlich länger geworden. Wie seid ihr überhaupt zu diesem ehrenamtlichen Job gekommen? Dagmar: Ich fahre fast jeden Tag an der SKM- Wärmestube vorbei und habe oft lange Warteschlangen vor dem Gebäude gesehen. Vor zwei Jahren habe ich angehalten, bin reinspaziert und habe gefragt, ob ich in irgendeiner Weise helfen kann. So bin ich bei der SKM-Essensausgabe gelandet und später dann beim Kältebus. Irene: Der SKM und ich veranstalten seit 2016 in meiner Rosenaugaststätte die Stadtweihnachten. Das ist eine Veranstaltung für Menschen, die sehr wenig zum Leben haben, die einsam oder ohne Wohnung sind. Dadurch kenne ich die handelnden Personen und als ich einmal in der Wärmestube Essen geliefert habe, das von einer Veranstaltung übriggeblieben ist, hat man mir vom Kältebus berichtet. Ich habe daraufhin spontan meine Unterstützung zugesagt. Für jeden Obdachlosen steht in Augsburg ein Bett zur Verfügung. Warum ziehen dem so viele dann doch lieber die kalte Nacht vor? Dagmar: Im Verhältnis gesehen sind es nicht so viele. Ich denke jeder dieser Personen hat seine eigene Geschichte, warum er dort gestrandet ist, wo er sich gerade befindet. Aus diesen Umständen heraus können manche vielleicht nicht mit mehreren Personen in einem Vierbettzimmer schlafen. Viele sind Einzelgänger mit bestimmten sozialen Hintergründen und Defiziten oder es Ist es nicht manchmal auch etwas unheimlich, wenn man nachts als Frau an dunkle, einsame Plätze und Stellen kommt? Es können ja durchaus auch Alkohol oder Drogen im Spiel sein. Dagmar: Nein, eigentlich nicht, wir sind ja immer als Team unterwegs. Die Leute, zu denen wir gehen, wissen wer wir sind und dass wir ihnen was Gutes tun wollen, deswegen sind sie uns gegenüber positiv eingestellt. Irene: Ich bin jetzt doch schon eine ganze Zeitlang mit dem Kältebus unterwegs und da kann man dann die Situation ganz gut einschätzen. Viele der Betroffenen warten schon regelrecht auf uns. Dagmar, als dich vorhin am Königsplatz ein Mann ganz unvermittelt umarmt hat, bin ich eher reflexartig in Abwehrhaltung gegangen. Du hast diese Situation unheimlich souverän gelöst, indem du ihn ebenfalls umarmt hast. Woher bekommt man die Antenne für solche Situationen? Dagmar: Hugs & tea (lacht). Ich bin vielleicht ein einfühlsamer und empathischer Mensch und das vorhin war keine Situation, wo ich eine Gefahr gesehen habe. Ich kenne meine Grenzen und weiß, was ich machen kann und was nicht. Das war völlig okay für mich und die Reaktion dieses Mannes war auch dementsprechend nett und positiv. Hattet ihr schon mal eine brenzlige Situation? Dagmar: Nein, beim Kältebus noch nie. In der Wärmestube habe ich einmal einen leichten Zwischenfall mit einem alkoholisierten Mann erlebt, aber das ist die absolute Ausnahme. Der Kältebus fährt immer dann, wenn sich zwischen November und März die Temperaturen um den Gefrierpunkt bewegen. Jeden Abend ist dann ein Duo unterwegs. Habt ihr manchmal auch Probleme, die Schichten mit Freiwilligen belegen zu können? Irene: Inzwischen nicht mehr, wir haben das Glück, dass wir genügend Zulauf haben, was freiwillige Helfer betrifft. Wir bekommen jeden Monat eine Liste und geben an, an welchen Tagen wir Zeit haben. Das SKM-Team teilt dann das Personal im Voraus ein, so ist durchschnittlich jeder von uns circa zwei Mal im Monat dran. Der nächste Winter kommt bestimmt. Seid ihr wieder mit an Bord? Dagmar: Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei der SKM-Essensausgabe und ein Jahr beim Kältebus dabei. Und meine Antwort auf deine Frage lautet eindeutig ja. Irene: Da muss ich nicht lange überlegen, klar bin ich wieder dabei! (ws)
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