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Neue Szene Epaper2024-02

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ZOOM<br />

39<br />

Sobald sich das Thermometer um den Gefrierpunkt bewegt, ist von November bis März ein Kältebus des SKM unterwegs.<br />

Dabei kümmern sich zwei ehrenamtliche Mitarbeiter*innen nachts in Augsburg um Obdachlose, die im Freien übernachten.<br />

Der SKM (Sozialdienst katholischer Männer) ist ein sozial-karitativer Dienst der Diözese Augsburg.<br />

Es ist 20.00 Uhr, als wir uns im Übergangswohnheim<br />

des SKM in der Johannes-Rösle-Straße<br />

treffen. Das Thermometer zeigt an diesem Abend<br />

frostige 6 Grad minus an. Dagmar Frisch und<br />

Irene Krapf beladen ihr Einsatzfahrzeug mit<br />

Teekannen, Snacks, Kleidung, Decken, Schlafsäcken<br />

und kleinen Campingzelten. Zehn Stationen<br />

stehen an diesem Abend auf ihrer Tour, u.a. der<br />

Hauptbahnhof, Oberhauser Bahnhof, Königsplatz,<br />

das Rote Tor oder Brücken in Lechhausen und<br />

Pfersee. Knapp drei Stunden dauert an diesem<br />

Abend ihr Einsatz. Walter Sianos begleitete Dagmar<br />

und Irene auf ihrer nächtlichen Mission.<br />

gibt Pärchen, die sich über Nacht nicht in Frauenund<br />

Männerhäusern trennen wollen oder Tiere<br />

haben. Das ist in den Unterkünften nicht erlaubt<br />

und deshalb weichen sie auf die Straße aus.<br />

Der SKM bietet in der Wärmestube an der<br />

Klinkertorstraße auch untertags Frühstück<br />

und warmes Essen an. Lassen sich diese Menschen<br />

wenigstens dort blicken?<br />

Dagmar: Ja, man sieht schon den einen oder<br />

anderen dort. Die Wärmestube bietet diesen<br />

Dienst übrigens nicht nur für Obdachlose, sondern<br />

für jeden Bedürftigen an.<br />

Wie begegnet man euch sonst?<br />

Dagmar: Sehr höflich. Es kommt natürlich<br />

auch immer darauf an, wie man ihnen gegenübersteht.<br />

Wir sind respektvoll, offen und nie<br />

herablassend und genau das bekommen wir auch<br />

zurück.<br />

Irene: Ich treffe auch immer nur auf freundliche<br />

Menschen. Wir sind ja schließlich nicht nur<br />

ein rollendes Teehaus, sondern auch so etwas wie<br />

Seelsorger. Die Leute suchen immer wieder gerne<br />

das Gespräch mit uns, weil viele einfach einsam<br />

sind und sonst gar niemanden zum Reden haben.<br />

v.l.n.r.: Dagmar Frisch und Irene Krapf<br />

Ihr seid nachts mit dem Kältebus in Augsburg<br />

unterwegs. Warum machst ihr das, was ist<br />

eure Motivation?<br />

Dagmar: Ich bin dankbar dafür, dass es mir gut<br />

geht und diese Dankbarkeit möchte ich an Menschen<br />

weitergeben, bei denen es eben nicht so ist.<br />

Irene: Bei mir ist es dasselbe Motiv. Ich will<br />

das Glück, dass mir in meinem Leben begegnet<br />

ist, mit anderen Menschen teilen.<br />

Sind es in den letzten Jahren eher mehr oder<br />

weniger Obdachlose geworden?<br />

Irene: Ich bin jetzt den zweiten Winter dabei<br />

und es ist schon eine Steigerung zu sehen, gerade<br />

der Krieg in der Ukraine hat die Situation noch<br />

zusätzlich verschärft. Dieses Klischee, dass hier nur<br />

wohlhabende Ukrainer leben, ist übrigens falsch.<br />

Dagmar: Das beobachten wir auch bei der<br />

Essensausgabe, die Warteschlangen sind wesentlich<br />

länger geworden.<br />

Wie seid ihr überhaupt zu diesem ehrenamtlichen<br />

Job gekommen?<br />

Dagmar: Ich fahre fast jeden Tag an der SKM-<br />

Wärmestube vorbei und habe oft lange Warteschlangen<br />

vor dem Gebäude gesehen. Vor zwei<br />

Jahren habe ich angehalten, bin reinspaziert und<br />

habe gefragt, ob ich in irgendeiner Weise helfen<br />

kann. So bin ich bei der SKM-Essensausgabe<br />

gelandet und später dann beim Kältebus.<br />

Irene: Der SKM und ich veranstalten seit<br />

2016 in meiner Rosenaugaststätte die Stadtweihnachten.<br />

Das ist eine Veranstaltung für Menschen,<br />

die sehr wenig zum Leben haben, die einsam<br />

oder ohne Wohnung sind. Dadurch kenne ich<br />

die handelnden Personen und als ich einmal in<br />

der Wärmestube Essen geliefert habe, das von<br />

einer Veranstaltung übriggeblieben ist, hat man<br />

mir vom Kältebus berichtet. Ich habe daraufhin<br />

spontan meine Unterstützung zugesagt.<br />

Für jeden Obdachlosen steht in Augsburg ein<br />

Bett zur Verfügung. Warum ziehen dem so<br />

viele dann doch lieber die kalte Nacht vor?<br />

Dagmar: Im Verhältnis gesehen sind es nicht<br />

so viele. Ich denke jeder dieser Personen hat seine<br />

eigene Geschichte, warum er dort gestrandet ist,<br />

wo er sich gerade befindet. Aus diesen Umständen<br />

heraus können manche vielleicht nicht mit<br />

mehreren Personen in einem Vierbettzimmer<br />

schlafen. Viele sind Einzelgänger mit bestimmten<br />

sozialen Hintergründen und Defiziten oder es<br />

Ist es nicht manchmal auch etwas unheimlich,<br />

wenn man nachts als Frau an dunkle, einsame<br />

Plätze und Stellen kommt? Es können ja<br />

durchaus auch Alkohol oder Drogen im Spiel<br />

sein.<br />

Dagmar: Nein, eigentlich nicht, wir sind ja<br />

immer als Team unterwegs. Die Leute, zu denen<br />

wir gehen, wissen wer wir sind und dass wir ihnen<br />

was Gutes tun wollen, deswegen sind sie uns<br />

gegenüber positiv eingestellt.<br />

Irene: Ich bin jetzt doch schon eine ganze<br />

Zeitlang mit dem Kältebus unterwegs und da<br />

kann man dann die Situation ganz gut einschätzen.<br />

Viele der Betroffenen warten schon regelrecht<br />

auf uns.<br />

Dagmar, als dich vorhin am Königsplatz ein<br />

Mann ganz unvermittelt umarmt hat, bin ich<br />

eher reflexartig in Abwehrhaltung gegangen.<br />

Du hast diese Situation unheimlich souverän<br />

gelöst, indem du ihn ebenfalls umarmt hast.<br />

Woher bekommt man die Antenne für solche<br />

Situationen?<br />

Dagmar: Hugs & tea (lacht). Ich bin vielleicht<br />

ein einfühlsamer und empathischer Mensch<br />

und das vorhin war keine Situation, wo ich eine<br />

Gefahr gesehen habe. Ich kenne meine Grenzen<br />

und weiß, was ich machen kann und was nicht.<br />

Das war völlig okay für mich und die Reaktion<br />

dieses Mannes war auch dementsprechend nett<br />

und positiv.<br />

Hattet ihr schon mal eine brenzlige Situation?<br />

Dagmar: Nein, beim Kältebus noch nie. In<br />

der Wärmestube habe ich einmal einen leichten<br />

Zwischenfall mit einem alkoholisierten Mann<br />

erlebt, aber das ist die absolute Ausnahme.<br />

Der Kältebus fährt immer dann, wenn sich<br />

zwischen November und März die Temperaturen<br />

um den Gefrierpunkt bewegen. Jeden<br />

Abend ist dann ein Duo unterwegs. Habt ihr<br />

manchmal auch Probleme, die Schichten mit<br />

Freiwilligen belegen zu können?<br />

Irene: Inzwischen nicht mehr, wir haben<br />

das Glück, dass wir genügend Zulauf haben, was<br />

freiwillige Helfer betrifft. Wir bekommen jeden<br />

Monat eine Liste und geben an, an welchen Tagen<br />

wir Zeit haben. Das SKM-Team teilt dann das Personal<br />

im Voraus ein, so ist durchschnittlich jeder<br />

von uns circa zwei Mal im Monat dran.<br />

Der nächste Winter kommt bestimmt. Seid ihr<br />

wieder mit an Bord?<br />

Dagmar: Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei der<br />

SKM-Essensausgabe und ein Jahr beim Kältebus<br />

dabei. Und meine Antwort auf deine Frage lautet<br />

eindeutig ja.<br />

Irene: Da muss ich nicht lange überlegen, klar<br />

bin ich wieder dabei! (ws)

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