46 THE BV’S EUROPE IS FOR LOVERS! The BV’s sind eine britisch-deutsche Spielgemeinschaft, die inzwischen ihre Heimat in Augsburg gefunden hat. Mit „Taking Pictures of Taking Pictures“ veröffentlicht die Band jetzt bereits ihren dritten Longplayer. Walter Sianos traf die beiden Gründungsmitglieder Josh und Fred zum Gespräch. Fotos: Bruno Tenschert
HEIMATKLÄNGE 47 E uer neues Album heißt „Taking Pictures of Taking Pictures“. Da steckt doch sicher eine Story dahinter? Fred: Nicht wirklich. Der Satz stammt aus dem Buch „White Noise“ von Don De- Lillo, wir fanden den Kontext dieses Zitats so gut, dass wir es gleich als Titel übernommen haben. Unsere erste Platte hieß „Speaking from a Distance“ und irgendwie fanden wir, dass das von der Assoziation her gut passt. Josh, beim Song „Breakdown“ singst du „I had a breakdown in another language, I had a breakdown in Bavaria“. Hat das etwas mit deinem Umzug von England nach Augsburg zu tun? Josh: Den Song habe ich 2019 geschrieben, da lebte ich noch in England. In diesem Jahr waren wir zwei Mal auf Tour, einmal in Deutschland und einmal in England, alles lief prima, aber ich war damals mental nicht ganz so gut drauf und das wollte ich mit diesem Song ausdrücken. Fred: Mein Vater hat mir vor zwei Wochen geschrieben, dass sein Lieblingssong der neuen Platte „Breakdown“ sei. Er hat da aber immer „I had a great time“ statt „Breakdown“ rausgehört (lacht). Du wohnst jetzt schon einige Zeit in Augsburg, was gefällt dir hier, was findest du gewöhnungsbedürftig? Josh: Genau gesagt seit Februar 2<strong>02</strong>2. Mir gefällt hier einiges besser als in England und zudem habe ich hier meine Band und vor allem Sissi, meine Frau. Ich habe sie 2019 in Augsburg kennengelernt, sie war eine Mitbewohnerin von Fred. Inzwischen haben wir sogar geheiratet. Schwierig war für mich anfangs aber die Sprache. Fred: Eher das Augsburgerisch. Josh: Genau. Ich hatte im Vorfeld einige Deutsch-Kurse in England absolviert und dachte, ich sei gut gewappnet, da kann kaum was schief gehen. Aber es kam anders, in den ersten sechs Monaten habe ich kaum etwas verstanden (lacht). Ich bin erstaunt, wie gut du inzwischen Deutsch sprichst. Du und Fred, ihr habt euch in England kennengelernt und euch gleich in jeder Hinsicht super verstanden. Fred: Ich bin 2016 für ein Semester nach England gegangen und damals bei Josh über eine Wohnungsannonce eingezogen. Daraus ist schnell eine intensive Freundschaft entstanden. Ich staune heute noch manchmal über diesen schicksalhaften Zufall. Josh: Wir harmonieren wirklich prima miteinander und gerade in der Anfangsphase haben wir sehr viele Songs zusammen produziert, oft einen am Tag. Fred: Nach sechs Monaten bin ich wieder zurück nach Augsburg, da hat sich natürlich die Arbeitsweise der Band verändert und der Titel des ersten Albums wurde sozusagen Realität. The BV’s waren eine Zeitlang eine Fernbeziehung. Josh, was war der Grund deines Umzugs von Cornwall nach Augsburg? Josh: Sissi ist Augsburgerin und irgendwann haben wir für uns entschieden, dass wir hier unseren Lebensmittelpunkt haben wollen. Fühlt ihr euch wie eine britisch-deutsche oder eher als eine europäische Band? Fred: Schon als europäische, wir haben auf unserer letzten Platte in die Auslaufrille „Europe is for lovers“ einritzen lassen. Als sich England von der EU löste, war leider klar, dass durch den Brexit auch unsere Arbeit als Band komplizierter werden würde. Ihr habt jetzt ein neues Album veröffentlich. Der erste Song „Clipping“ geht gleich voll ins Ohr und Bein. Er klingt fast schon wie eine Surf-Version eines The Cure-Songs, „Kleber“ dagegen ist eine echte Krautrock-Nummer. Josh: Die 80er und Krautrock sind große Inspirationsquellen, das wollen wir gar nicht leugnen. Aber es geht noch weiter darüber hinaus, wir sind schon auch Indie-Pop, Jangle, Dream-Pop, Shoegaze… Ist euer Klangspektrum größer geworden? Fred: Eigentlich war es immer groß – wahrscheinlich fällt es jetzt mehr auf, weil die Aufnahmen professioneller und wir mit Matthias und Hannes eine richtige Band sind. Wir haben wesentlich mehr Möglichkeiten und die Herangehensweise ist auch eine ganz andere. Josh: Wir beide sind nach wie vor die Hauptsongschreiber, aber heute entsteht alles zusammen mit der Band im Proberaum, alles ist strukturierter und ausgefeilter. Wir hatten als Duo ein anderes Pensum als heute, früher hatten wir eine Idee, wir haben den Drumcomputer angeschmissen und kurze Zeit später war der Track im Kasten. In welchem Zeitraum sind die Songs zum neuen Album entstanden? Josh: Songs wie „Breakdown“ und „Warp“ haben wir bereits 2019 geschrieben, ein paar sind 2<strong>02</strong>0 und 2<strong>02</strong>1 entstanden, „Clipping“ sogar 2018, aber natürlich sind auch brandneue Tracks dabei. Allerdings haben die aktuellen Versionen mit den Demos von damals nicht mehr viel gemeinsam, sie klingen völlig anders. „Taking Pictures of Taking Pictures“ erscheint beim Augsburger Label „Kleine Untergrund Schallplatten“. Das ist natürlich sehr praktisch, die Wege sind extrem kurz und Labelinhaber Ronny Pinkau ist auch so ziemlich euer größter Fan… Fred: Ja, das kann man definitiv so sagen, mit Ronny kann man über alles reden und da wir auch noch Arbeitskollegen sind, passiert das dementsprechend oft. Die neue Platte erscheint als Co- Release mit dem US-Label „Shelflife Records“ und wird auch in den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Ich denke Ronny dürfte aber auch euer größter Kritiker sein? Fred: Ronny ist gewissermaßen auch ein Teil der Band und er ist in seiner Art sehr direkt. Letztens hatten wir ein Konzert bei „Tür an Tür“, da haben wir ein reines Krautrock-Instrumental-Set gespielt. Er war am Vortag bei der Generalprobe dabei und höchst begeistert. Den Auftritt selber fand er dann aber nicht so berauschend, was er mir auch gleich ungefiltert gesteckt hat. (lacht) Ihr seid mit den BV’s in ganz Deutschland und auch in Großbritannien und Belgien gut herumgekommen. Macht ihr das Booking selber? Fred: Ja, das läuft alles DIY und dafür ist hauptsächlich Hannes zuständig. Das Problem ist, dass wir aus beruflichen und familiären Gründen eigentlich keine längeren Touren am Stück spielen können und uns auf die Wochenenden konzentrieren müssen. Josh: Das Paradoxe ist, dass wir in Augsburg selber relativ unbekannt sind, aber eine kleine internationale Fanszene haben. Euer neues Album erscheint am 16. Februar, also ohne große Tour. Josh: Es stehen in den nächsten Monaten Wochenendspielblöcke an, aber die ganz große Tour am Stück wird es aus eben genannten Gründen nicht geben. Am 16. Februar präsentieren wir unser neues Album im City Club, Special Guests ist die hervorragende Gruppe „Somewhere Underwater“. (ws) The BV´s Josh Turner – Gitarre, Gesang Fred Jehle – Gitarre, Gesang, Synths Matthias Strobel – Bass, Synths Hannes Müller – Schlagzeug www.thebvsband.com