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Der Harz_02_24_I

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HARZ AKTUELL<br />

Wohnen.“ Betriebe siedeln sich dort an,<br />

wo Menschen gerne leben. Die Arbeit findet<br />

dort statt, wo Menschen ihr Lebensumfeld<br />

attraktiv finden. Menschen leben dort, wo<br />

die Lebensqualität stimmt. Verantwortlich<br />

für diese Lebensqualität ist nicht nur die<br />

Höhe des Verdienstes und die Nähe des<br />

Flughafens. Und das gilt auch für die Lebensphase<br />

nach dem Beruf. Wir werden<br />

heute nicht mehr auf der Scholle geboren,<br />

wachsen dort auf, Übernehmen Verantwortung<br />

im Mehrgenerationenhaus und sterben<br />

auf der Scholle. Nein, auch die Seniorinnen<br />

und Senioren sind heute viel eher bereit, ihr<br />

Wohnumfeld zu ändern. Entscheidend – neben<br />

Verbindungen zu den Kindern – ist das<br />

Lebensumfeld, die Wohnortattraktivität.<br />

Dörte Hansen schreibt in ihrem neuesten<br />

Roman „Zur See“: „Grenzen lösen sich auf,<br />

wir sind nicht mehr an einen Ort gebunden;<br />

wir müssen nicht mehr dort weiterleben,<br />

wo unsere Eltern uns hingeboren haben.“<br />

Zu der entscheidenden Wohnortattraktivität<br />

gehören heute nicht mehr nur die<br />

sog. harten Standortfaktoren, sondern die<br />

bis vor Jahren gerne als weiche Standortfaktoren<br />

bezeichnete Themen, wie Image,<br />

politische Verhältnisse, Attraktivität des<br />

gesellschaftlichen Lebens, Kulturangebote,<br />

Feiern & Feste.<br />

Wer macht das? Aufgrund der kleinen Verwaltungen<br />

sorgen doch gerade wir selbst<br />

– im Ehrenamt – für das was, unser Leben<br />

in den Gemeinden und Ortsteilen ausmacht<br />

und attraktiv macht.<br />

2. Bürgerschaftliches Engagement und<br />

Ehrenamt sind wichtige Stütze der<br />

kommunalen Daseinsvorsorge<br />

Aufgaben und Leistungen, die die Kommune<br />

zu erbringen hat, um ihren Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern die Grundversorgung zu<br />

gewährleisten ist mit dem Begriff der Daseinsvorsorge<br />

gemeint. Das Ehrenamt und<br />

bürgerschaftliches Engagement stützen<br />

insbesondere folgende Bereiche:<br />

• Bildungseinrichtungen, insb. Kitas und<br />

Krippen<br />

• Gesundheitswesen & Soziale Dienste<br />

• Natur- und Umweltschutz<br />

• Wohnungswesen und Beschäftigung<br />

• ÖPNV, Stichwort Bürgerbusse<br />

Ehrenamtliche Engagierte sind zudem zentrale<br />

Akteure bei Brandschutz und technischer<br />

Hilfeleistung. Zu denken ist an freiwilligen<br />

Feuerwehren, das THW. An dieser<br />

Stelle werden kommunale Pflichtaufgaben<br />

im ländlichen Raum durch das Ehrenamt<br />

erledigt. Undenkbar, all die Aktivitäten<br />

der Ortsfeuerwehren durch hauptamtliche<br />

Strukturen und Berufsfeuerwehren zu<br />

ersetzen.<br />

3. Bürgerschaftliches Engagement und<br />

Ehrenamt leisten wichtige Kultur- und<br />

Freizeitfunktion:<br />

Vereine sind wesentliche, an vielen Stellen<br />

im ländlichen Raum alleinige, Träger von<br />

Kultur- und Freizeitangeboten. Und selbst<br />

wenn durch hauptamtliche Strukturen diese<br />

Freizeitangebote geschaffen werden, ist die<br />

ehrenamtliche Unterstützung zwingend.<br />

Wanderwochen oder Walpurgisfeste ohne<br />

Ehrenamt? Sicher nicht, eine attraktive<br />

Freizeitgestaltung wäre nicht denkbar. Das<br />

Vereinswesen ist in der Fläche oft einziger<br />

Kulturträger während in den urbaneren<br />

Räumen unterschiedliche Träger (Theater,<br />

Bibliotheken, höhere Schulen) kulturelle<br />

Angebote bereitstellen. Wir halten fest: Angebote<br />

in Kultur und Musik, Freizeit und Geselligkeit,<br />

Schützenfeste, Kirchweih – ohne<br />

bürgerschaftliches Engagement undenkbar.<br />

4. Bürgerschaftliches Engagement und<br />

Ehrenamt erfüllen wichtige soziale<br />

Funktionen im ländlichen Raum:<br />

Es bedarf keiner besonderen wissenschaftlichen<br />

Expertise, um festzuhalten, dass durch<br />

ehrenamtliche Tätigkeiten soziale Kontakte<br />

entstehen und mit dem Engagement auch<br />

soziale Anerkennung verbunden ist. Die<br />

soziale Funktion geht aber darüber hinaus.<br />

Verabschieden wir uns von dem Gedanken,<br />

dass ehrenamtliches Engagement nur altruistische<br />

Motivationen folgt. Das war noch nie<br />

so. Und es gibt auch nicht nur „eine“ Motivation<br />

für ehrenamtliche Tätigkeiten. Sie sind<br />

vielmehr multiorientiert. Ehrenamtliches<br />

Engagement hängt zunächst davon ab, wie<br />

wichtig und interessant die Aufgabe ist und<br />

ob man sich mit den jeweiligen Zielvorstellungen/Vereinszwecken<br />

identifizieren kann.<br />

<strong>Der</strong> Wunsch, anderen zu helfen, kann parallel<br />

wirken mit dem Wunsch, eigene Interessen zu<br />

verfolgen. Wichtig ist: Die Tätigkeit muss Spaß<br />

machen. Und selbst wenn das Wohl oder das<br />

Glück von anderen im Vordergrund steht, hat<br />

jede Handlung auch einen Selbstbezug und<br />

nicht alle Bedürfnisse der Wünsche werden<br />

dem fremdnützigen Ziel untergeordnet: Zu<br />

denken ist an die soziale Eingebundenheit,<br />

Sinnerfahrungen sowie Erwerb, Anwendung<br />

und Ausbau beruflicher und persönlicher<br />

Qualifikationen. Es geht gewiss auch um das<br />

Bedürfnis nach Anerkennung und Stärkung<br />

des Selbstwertgefühls. Ehrenamt gibt ganz<br />

viel zurück. Selbstkritische Bemerkung: Wir,<br />

die Verantwortungsträger im Ehrenamt, vernachlässigen<br />

zu oft, genau diese sozialen<br />

Funktionen und die ganz egoistischen Motivationen<br />

bei der Mitgliederwerbung in den<br />

Vordergrund zu rücken. Es gibt aus meiner<br />

Sicht keine „guten“ und „schlechten“ Motivationen<br />

für das ehrenamtliche Engagement.<br />

5. Bürgerschaftliches Engagement und<br />

Ehrenamt als Motor (sozialer) Integration<br />

In ländlichen Gegenden fehlen an vielen<br />

Stellen Angebote sozialer Einbringung wie<br />

Kneipen, Cafés, Freizeitparks, Bildungseinrichtungen.<br />

Wo sind sie, die Jugendräume und Jugendclubs,<br />

die Skateranlagen und Treffpunkte?<br />

Wo wird Fair Play und Toleranz erfahren und<br />

erlernt? Wer ermöglicht, preiswerte Angebote<br />

des Sporttreibens? Wo erleben die Migranten<br />

und Flüchtlinge, die Seniorinnen und<br />

Senioren, die Jugendlichen, unsere Kinder<br />

denn in diesem Sommer 2<strong>02</strong>4 ihren besten<br />

Sommer von allen – abgesehen von Urlauben<br />

im Wohnmobil oder Robinson-Club.<br />

Wer stellt die Bademöglichkeiten sicher?<br />

Es ist bürgerschaftliches Engagement, das<br />

die soziale Integration und soziale Kontakte<br />

ermöglicht. So entstehen stabile, soziale Beziehungen.<br />

<strong>Der</strong> einzelne wird in die „Dorfgemeinschaft“,<br />

in gesellschaftliche Zusammenhänge<br />

vor Ort, eingebunden und integriert.<br />

6. Bürgerschaftliches Engagement und<br />

Ehrenamt übernimmt Gesundheitsfunktion<br />

<strong>Der</strong> wichtigste Antreiber für das Sporttreiben<br />

ist die Gesundheit, fast 70 Prozent der<br />

Deutschen sind daher allgemein am Thema<br />

Sport interessiert. Und das zurecht, denn<br />

Sport steigert die physische, psychische und<br />

soziale Gesundheit. Aber, mit Blick auf unsere<br />

Dörfer: Nicht in jeder Straße drei Fitnessstudios<br />

und in jedem Quartier ein Schwimmbad<br />

und Therme und Sauna und Golfplatz ….<br />

Vielmehr stellen der <strong>Harz</strong>klub und Sportvereine<br />

bezahlbare Angebote zum Sporttreiben<br />

in jedem Ort zur Verfügung. So wird<br />

Stress reguliert, steigt die Lebenszufriedenheit<br />

und das Wohlbefinden.<br />

7. Ehrenamt als Lernort<br />

<strong>Der</strong> Mangel an Bildungseinrichtungen im<br />

ländlichen Raum – auch unabhängig von<br />

Ganztagsschulen – wurde erwähnt. Im Ehrenamt<br />

werden Fähigkeiten erlernt, die ein<br />

Schulsystem und berufliche Weiterqualifikationen<br />

nicht vermitteln können. Erlernen<br />

von kommunikativen und sozialen Fähigkeiten.<br />

Denken Sie an Fertigkeiten wie Argumentation,<br />

Mediation, Briefe schreiben,<br />

Reden halten, Versammlungen vorbereiten,<br />

Festakt organisieren, Frustrationstoleranz<br />

bei der Abstimmung mit dem Festredner.<br />

8. Bürgerschaftliches Engagement und<br />

Ehrenamt als kreativer Treiber kommunaler<br />

Entwicklungen<br />

Durch das Ehrenamt werden Strukturen geschaffen,<br />

die engagierte Menschen vernetzt.<br />

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