KEM Konstruktion 01-02.2024
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TRENDS » Fahrzeugbau » Perspektiven<br />
nik bzw. verbaute Hardware definiert und<br />
das Gesamtfahrerlebnis entsprechend geprägt.<br />
Die Software verteilt sich dabei auf<br />
Fahrzeug und Cloud und wird über die Lebensdauer<br />
des Fahrzeugs aktuell gehalten.<br />
Nicolas Legros (Here Technologies):<br />
Zunächst ist das Software Defined Vehicle<br />
(SDV) eine softwarebasierte Fahrzeugarchitektur,<br />
in der die Software die Hauptrolle<br />
spielt, nicht die Hardware. Diese Architektur<br />
umfasst nicht nur das Fahrzeug,<br />
sondern ein ganzes Ökosystem mit Assistenzsystemen,<br />
Infotainment, Vernetzung<br />
und Fahrfunktionen. Dazu zählen auch<br />
Funktionalitäten außerhalb des eigentlichen<br />
Fahrzeugs, wie Cloud-Speicher, Datenbereinigung,<br />
Simulationen oder Feedback-Schleifen.<br />
Die einzelnen Komponenten<br />
eines Software Defined Vehicles lassen<br />
sich über den Lebenszyklus des Fahrzeugs<br />
fortlaufend aktualisieren. Dies eröffnet<br />
dem Fahrzeughersteller neue Umsatzmöglichkeiten<br />
und erhöht gleichzeitig<br />
die Kundenzufriedenheit. Fahrer:innen<br />
profitieren von immer besseren Diensten<br />
Bild: Aurora Labs<br />
»Software Definded Vehicles<br />
gehen über Fahrerassistenz-,<br />
Infotainment- und<br />
Connectivity-Lösungen hinaus<br />
und definieren die gesamte<br />
Automotive- Industrie neu.«<br />
Alexander Bodensohn, Director Business Development bei Aurora Labs<br />
Harald Ruckriegel (Red Hat): Softwaredefiniertes<br />
Fahrzeug bedeutet, dass Funktionen,<br />
die herkömmlicherweise etwa in<br />
Firmware oder ROM fest kodiert sind, in<br />
einen Software-Layer überführt werden,<br />
der auf standardisierter Hardware läuft.<br />
Die Entkopplung der Software von der<br />
Hardware ermöglicht neben der Hardware-Unabhängigkeit<br />
eine Standardisierung<br />
und bietet Vorteile wie eine höhere<br />
Skalierbarkeit und Flexibilität, ein vereinrund<br />
um Navigation, Tempo- oder Spurhalteassistenten,<br />
um nur ein paar Beispiele<br />
zu nennen. Das Fahrwerk oder der<br />
Antrieb stehen in diesem Ökosystem eher<br />
nicht im Vordergrund. Zu den bestehenden<br />
Investitionen in Hardware kommen<br />
weitere Investitionen zu Software hinzu.<br />
Dabei ersetzt das eine nicht das andere.<br />
Die Industrie baut ihre Investitionen in<br />
Software immer weiter aus.<br />
Michael Pollner (Cognizant Mobility):<br />
Aus unserer Sicht steht im Kern eines jeden<br />
SDV die Infrastruktur, um schnell und<br />
effizient SW für Fahrzeuge zu entwickeln<br />
und ebenso schnell auf das Fahrzeug zu<br />
deployen. Die Kernidee dabei ist, neue<br />
Features und Funktionen schnell und ohne<br />
komplexe Architekturabstimmungen<br />
auf das Fahrzeug zu bekommen. Das setzt<br />
natürlich eine starke Abstraktion voraus.<br />
Und zur letzten Frage: Ja, keine Funktion<br />
ist prinzipiell ausgeschlossen. Bei Antrieb<br />
und Fahrwerk sind natürlich die Punkte<br />
‚Functional safety‘ und Security besonders<br />
wichtig, aber sie sind dennoch Bestandteil<br />
des SDV. Ein Beispiel wäre ein<br />
neues Feature in einer Assistenzfunktion.<br />
fachtes Management und letztlich auch<br />
geringere Kosten. Die Abstrahierung der<br />
Software von der Hardware unterstützt<br />
darüber hinaus die Bereitstellung schnell<br />
integrierbarer Softwarekomponenten oder<br />
neuer Funktionen. Prinzipiell ist das Software-defined-Konzept<br />
für alle Arten von<br />
ECUs nutzbar, für QM, Advanced Driver<br />
Assistance Systems (ADAS) und Autonomous<br />
Driving (AD) sowie für Infotainment<br />
und Digital Cockpit. Im Kontext der ECU-<br />
Konsolidierung wird es vor allem stärkere<br />
Änderungen bei den HPC-ECUs geben.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>|Automation: Welche<br />
technischen Anforderungen (SW-<br />
Updates Over-the-Air, zonale Domänenarchitektur,<br />
etc.) müssen Hersteller<br />
für ein Software-defined Vehicle umsetzen?<br />
Bodensohn (Aurora Labs): Die Hersteller<br />
müssen eine fahrzeugübergreifende<br />
Architektur einführen und von einem<br />
funktional begrenzten zu einem ganzheitlichen<br />
Design übergehen. Zonale Domänenarchitekturen<br />
organisieren die<br />
Funktionen mit dem Ziel einer höheren<br />
Effizienz, und das Lebenszyklusmanagement<br />
sichert kontinuierliche Aktualisierungen,<br />
während Over-the-Air-Updates<br />
(OTA-Updates) Werkstattbesuche ersetzen.<br />
Die Unabhängigkeit von Softwareund<br />
Hardware-Lebenszyklen ermöglicht<br />
eine höhere Flexibilität.<br />
de Bono (Valeo): Um das SDV zu realisieren,<br />
muss das Auto bereits mit der entsprechenden<br />
Hardware ausgestattet sein.<br />
Das können zum Beispiel Kameras, Radarsensoren<br />
oder Lidarsensoren sein. In zwei<br />
oder drei Jahren wird es vielleicht Anwendungen<br />
geben, die mit einem Software-Update<br />
aktiviert werden können.<br />
Das bedeutet auch, dass das Fahrzeug<br />
über die Rechenleistung und den Speicher<br />
verfügen muss, um die neue SW ausführen<br />
zu können.<br />
Kopacz (Keysight Technologies): SDV<br />
bietet ein enormes Potenzial für Innovation<br />
und Anpassung, bringt jedoch auch<br />
neue Anforderungen im Hinblick auf Sicherheit,<br />
Cybersecurity und Datenschutz<br />
mit sich, da Fahrzeuge zunehmend vernetzt<br />
sind. SDVs basieren auf einem kontinuierlichen<br />
Datenaustausch zwischen<br />
dem Fahrzeug und dem Hersteller, was<br />
die Notwendigkeit sicherer Datenübertragungsprotokolle<br />
und einer besseren<br />
Transparenz der Datenerfassung mit<br />
sich bringt. Die elektronische Fahrzeugarchitektur<br />
befindet sich in einem Änderungsprozess:<br />
Von einer verteilten<br />
ECU-Architektur zu einer Domain Controller-basierten<br />
Architektur, bis hin zu<br />
einer zentralen Zonenarchitektur. Die<br />
Software-Architekturen von neuen<br />
46 <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>|Automation » <strong>01</strong>-02 | 2024