BTGA Almanach 2024
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Technische Trends und Normung<br />
Abbildung 2:<br />
Zellulares<br />
Energiesystem<br />
es, das Gesamtproblem der zeitdiskreten Bedarfsdeckung<br />
in kleinere Teilprobleme aufzuteilen,<br />
indem das Energiesystem von unten<br />
nach oben geregelt wird. Die hohe Autonomie<br />
und Autarkie jeder Energiezelle reduzieren<br />
den zentralen Steuerungs- und Kommunikationsaufwand<br />
erheblich.<br />
Nach dieser anfänglichen Optimierung<br />
kann der Zell-Manager (ZM) unter der Voraus<br />
set zung eines restriktionsfreien Betriebs<br />
direkt mit dem Strommarkt interagieren. Dabei<br />
hat er die Flexibilität, Energie zu kaufen,<br />
wenn die Nachfrage hoch ist und die Preise<br />
niedrig sind. Oder er verkauft überschüssige<br />
Energie, wenn die Nachfrage gering ist und<br />
die Preise attraktiv sind. Dieser direkte Zugang<br />
zum Strommarkt ermöglicht es der Zelle,<br />
dynamisch auf Marktschwankungen zu<br />
reagieren und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen<br />
zu treffen, um die Ener gie versor<br />
gung zu optimieren und gleichzeitig die<br />
Kosten zu minimieren. Somit spielt der ZM<br />
eine entscheidende Rolle bei der effizienten<br />
Nutzung der dezentralen Energieanlagen<br />
und trägt dazu bei, eine nachhaltige und kosten<br />
günstige Energieversorgung zu gewährleisten.<br />
Die Festlegung von Restriktionen obliegt<br />
dem lokalen Clustermanager (LCM), der<br />
mehrere Level-0-Zellen in regionaler Nähe<br />
koordiniert. Dabei erhält der LCM lediglich<br />
notwendige und aggregierte Informationen<br />
von den untergeordneten Zellmanagern –<br />
und zwar basierend auf dem Subsidiaritätsprinzip<br />
und unter Berücksichtigung des Datenschutzes.<br />
Nach dieser Informationsaggregation<br />
überwacht der LCM nicht nur das Nieder-<br />
und Mittelspannungsnetz, sondern gleichermaßen<br />
auch Fernwärme- und Gasnetze<br />
auf mögliche zukünftige Grenzwertverletzungen<br />
sowie Unter- und Überversorgungen.<br />
Gegebenenfalls werden Beschränkungen für<br />
die untergeordneten Zellen festgelegt.<br />
Die höchste Instanz in diesem Energiesystem<br />
ist der zentrale Clustermanager (ZCM).<br />
Er koordiniert die Level-1-Zellen, die Strommärkte<br />
und das Hochspannungsnetz auf<br />
Grundlage der zellularen Charakteris tiken.<br />
Um zu überprüfen, ob die Implementierung<br />
des zellularen Ansatzes zu einem koordinierten,<br />
aber auch versorgungssicheren<br />
Energiesystem führt, wird im Rahmen des<br />
Forschungsvorhabens ein Beispielquartier<br />
untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei<br />
auf ländlichen Gebieten, in denen die Wärmenachfragedichte<br />
oft nicht ausreicht, um<br />
Nahwärmenetze zu etablieren. Als Alternative<br />
stehen dezentrale Energieanlagen zur<br />
Verfügung, die bei einer direkten Kopplung<br />
mit dem Stromsektor die Komplexität weiter<br />
erhöhen können, beispielsweise bei Wärmepumpen<br />
oder Blockheizkraftwerken. Bei<br />
der zukünftigen Ausgestaltung des Anlagenparks<br />
für ländliche Energiezellen wird ein<br />
besonderes Augenmerk auf festbiomassebasierte<br />
Hybridsysteme (FBHS) gelegt.<br />
Festbiomassebasierte Hybridsysteme<br />
FBHS sind eine Kombination aus mehreren<br />
erneuerbaren Energieerzeugern mit einem<br />
biogenen Energieerzeuger, wie exemplarisch<br />
Abbildung 3: Biomassebasiertes Hybridsystem<br />
in Abbildung 3 dargestellt ist. Dabei wird<br />
die dezentrale Nutzung von Biomasse in diesen<br />
Systemen von verschiedenen Faktoren<br />
wie Netzstabilität und wirtschaftlichen Indikatoren<br />
beeinflusst. Biomassekessel, Blockheizkraftwerke<br />
(BHKW) oder Kamine werden<br />
deshalb nur dann eingesetzt, wenn die<br />
Leistung der Hauptwärmequelle, beispielsweise<br />
eine Wärmepumpe, nicht aus reicht<br />
oder die Nutzung mit erheblichen wirtschaftlichen<br />
Nachteilen verbunden ist. Diese<br />
Nachteile können exemplarisch auftreten,<br />
wenn hohe Strompreise den Einsatz einer<br />
Wärmepumpe unwirtschaftlich machen.<br />
Die Biomasseanlage wird nach dem Prinzip<br />
betrieben, dass nur so viel Wärme erzeugt<br />
wird, wie tatsächlich benötigt wird oder gespeichert<br />
werden kann. Dieser Steuerungsmechanismus<br />
ermöglicht eine bedarfsorientierte<br />
Strom- und Wärmeerzeugung und<br />
kann Schwankungen in der Strom- und Wärmeerzeugung<br />
durch Wind- und Sonnenenergie<br />
zum Teil ausgleichen. Das trägt dazu bei,<br />
den Autarkiegrad der Zellen zu erhöhen und<br />
lokale Spitzenbedarfe zu glätten [5].<br />
Es ist wichtig zu betonen, dass Biomasse<br />
nur dann eingesetzt wird, wenn es keine andere<br />
ökologische und wirtschaftliche Alternative<br />
gibt, beispielsweise für Prozesswärme<br />
oder die Wärmeversorgung in ländlichen<br />
Gebieten. Das gewährleistet eine effiziente<br />
Nutzung des begrenzten Potenzials der Biomasse<br />
[5–8].<br />
Der kostenoptimale Anlagenpark<br />
ländlicher Quartiere<br />
Um den zellularen Ansatz mit einer kosteneffizienten<br />
Gestaltung eines Anlagenparks in<br />
einem ländlichen Quartier zu vereinen, wird<br />
auf die Methode der Energiesystemmodellierung<br />
zurückgegriffen. Im ersten Schritt<br />
wird der optimale Anlagenpark des ländlichen<br />
Quartiers berechnet. Dabei wird das<br />
Gebiet durch eine Zellenstruktur abgedeckt,<br />
bestehend aus mehreren Level-0-Zellen innerhalb<br />
einer Level-1-Zelle, um den zellularen<br />
Ansatz zu berücksichtigen. Interaktionen<br />
über diese Grenzen hinweg werden als<br />
Stromimport oder -export mit einem Verteilungsnetz<br />
zu dynamischen Preisen betrachtet.<br />
Die Optimierung erfolgt nach dem Prinzip<br />
des Bluefield-Ansatzes, der die Struktur<br />
des Ortes (Straßen, Häuser und Energiebedarfe)<br />
im Gegensatz zu vorhandenen Energieanlagen<br />
berücksichtigt.<br />
Zur Ermittlung der kosteneffizienten Anlagenkonfiguration<br />
wird dem Optimierer eine<br />
Auswahl an Energieanlagen mit den entsprechenden<br />
wirtschaftlichen und technischen<br />
Parametern vorgegeben. Auf Grundlage dieser<br />
Vorgaben entscheidet der Optimierer,<br />
<strong>BTGA</strong>-<strong>Almanach</strong> <strong>2024</strong> 25