KULTUR IN DER PAMPA P Fotos: Walter Sianos Das WALDEN im Nordendorfer Ortsteil Blankenburg ist ein ganz besonderer Ort. PETER GROSSHAUSER stammt aus Donauwörth, ist in Augsburg zur Schule gegangen und hat zuletzt über 20 Jahre in Berlin gelebt. Mit seiner Kulturwirtschaft hat er eine unkonventionelle Melange aus Wirtshaus, Ausflugsziel und Veranstaltungslokal jenseits des Mainstreams geschaffen. Von Walter Sianos
Zoom 23 Peter, unsere erste Begegnung dürfte 1982 gewesen sein. Da warst du noch Schüler in der Augsburger FOS Gestaltung. Zu dieser Zeit war Augsburg sehr spannend, Punk und New Wave prägten die Subkultur. Wie hast du das alles noch in Erinnerung? Wie du schon sagst, es war eine sehr spannende Zeit. Ich komme aus Donauwörth und dort gab es zum Glück ein Jugendzentrum, das bundesweit einen ausgezeichneten Ruf in Sachen Punk hatte, das hat mich geprägt. In meiner Augsburger Zeit war ich öfter in diesem Punkschuppen in der Gögginger Straße, ich habe den Namen vergessen. Das Subway! Genau, es war die Anlaufstelle der lokalen Subkultur. Augsburg hat mich definitiv inspiriert, allen voran der Künstler Claus Scheele. Ich hatte das große Glück, bei ihm ein Praktikum absolvieren zu dürfen. Vor Scheele hatte ich immer etwas Respekt, er war in meinen Augen ein bisschen unnahbar und auch irgendwie unberechenbar … Claus war für mich ein Glücksfall, ich komme aus eher bürgerlichen Verhältnissen und Scheele hat in mir einiges ausgelöst und alles aus mir herausgeholt. „Geh´ dorthin, wo es dich hintreibt“, hat er immer gesagt. Und nach diesem Motto habe ich später auch gelebt. Ursprünglich wollte ich Gestaltung studieren, aber dazu kam es nicht, stattdessen bin ich voll rein ins kalte Wasser und habe mit einem Kumpel die Agentur Fauxpas gegründet. Das war ein Gestaltungsbüro für experimentelles Design, Innenarchitektur und Rauminstallation. Ihr habt auch einige Preise gewonnen. Wir haben einfach damit begonnen, Möbel zu schweißen, sind ganz frech nach München gefahren und bei Klaus Lea hereinspaziert. Der hatte damals eine ziemliche abgefahrene Galerie, in der Kunstevents stattfanden. Zu unserer Überraschung ist er voll auf uns angesprungen, wir durften bei ihm ausstellen und haben gleich alle unsere Möbelskulpturen verkauft. Es war ein Experiment, das funktioniert hat. Danach folgten Messen, wir haben tatsächlich Designpreise gewonnen und auch ein paar Klassiker entworfen. Wir sind nach München umgesiedelt und haben in der Praterinsel ein Atelier gemietet. Das war eine tolle und wilde Zeit. Es lief gut, aber irgendwie bin ich nie richtig mit München warm geworden, mein Ziel war immer Berlin und 2001 war es dann soweit. www.waldenkulturwirtschaft.de Bist du dort gleich in die Gastronomie eingestiegen? Erst 2007, davor habe ich als Gestalter gearbeitet und alles lief auch gut, bis die Dotcom-Blase platzte. Mir sind daraufhin einige Kunden abgesprungen und ich musste mich neu orientieren. Ich habe ein Atelier in Neukölln gefunden und dort neben meiner Kunst erste Events veranstaltet, Filme, Lesungen, Konzerte. Gegenüber wurde dann ein Lokal frei und das war mein Einstieg in die Gastronomie und mit dem Valentinsstüberl hatte ich meinen eigenen Laden. Ist der Name eine Verneigung an Karl Valentin? Ich hatte in meinem Leben wenig Vorbilder, aber der Karl war ein ganz wichtiges. In Berlin gab es viele bayerische Exilanten, bei mir gab es Weißwurst, Leberkäse und diesen schrägen, subbavarischen Spirit. Im Nebenraum stand ein DJ-Pult, es fanden Konzerte statt, La Brass Banda hatten bei mir ihr erstes Hauptstadt-Konzert und später kam mit der „Liesl“ noch ein weiteres Lokal dazu. Irgendwann aber hatte ich genug von der Großstadt, ich war erschöpft und verbrannt. Neukölln hat sich auch schwer verändert und dann kam der Zufall ins Spiel. Bei einem Heimatbesuch während Corona habe ich beim Radeln die Natur entdeckt. Als ich nach einigen entspannten Tagen wieder im Zug Richtung Berlin vor meinem Laptop saß, geschah etwas fast schon Magisches. Ich habe bei Immoscout die Begriffe „Gastro“ und „Donau-Ries“ eingegeben und dann ist das Waldcafé in Blankenburg aufgeploppt. Das hat mich total geflasht und nicht mehr losgelassen. Wie ging es weiter? Ich bin einen Monat später mit dem Auto hingefahren und habe mir vor Ort alles angeschaut. Das war ein ganz besonderer Platz mit einem ganz besonderen Flair, ein Idyll in the middle of nowhere, ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben ist. Ich bin mir mit dem Besitzer schnell einig geworden und im September 2021 war dann die Eröffnung. Sagt dir eigentlich der Name Hans Koch etwas? Nein! Vor ziemlich genau hundert Jahren hat Koch in den Tagen der Räterepublik eine anarchistische Kommune hier in Blankenburg gegründet. Freies Leben mit Selbstversorgung war das Motto, wenn das mal keine Inspiration ist (lacht). Wie sind dir denn die Leute hier begegnet? Anfangs hatte ich das Gefühl, dass sich die Einheimischen angegriffen fühlen, alleine schon durch mein Berliner Kennzeichen. Der Bürgermeister unterstützt mich aber total und ich bin auch jemand, der am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde teilnimmt. Das Walden ist eine bürgerliche Wirtschaft mit einem Programm jenseits des Mainstreams, gewagt und mutig. Gab es zu Beginn nicht auch Rückschläge? Mich hat es anfangs mit voller Wucht erwischt, ich bin 2021 während Corona eingestiegen. Wenn ich damals gewusst hätte, wie weitreichend die Folgen sind, ich weiß nicht, ob ich mich darauf eingelassen hätte. Dazu kommt, dass es hier etwas dauert, bis die Leute in den Laden finden, aber wenn sie dann da sind, sind sie meistens auch begeistert, auch von unserer wirklich guten Küche aus regionalen Zutaten von Meister Anselm. Die Menschen sind offener, als man denkt und das ist auch wichtig. Denn bei mir gibt es schon mal äthiopischen Jazz zum Wurstsalat. Das Walden ist ein Ausflugsziel und eine kulturelle Anlaufstelle. Mit einem tollen Programm aus Musik, Literatur und Poetry Slam. Bisher waren Acts wie Sedlmeir, Knarf Rellöm, Ida Nova oder Maxi Pongratz zu Gast. So langsam verbreitet sich auch überregional der Ruf und immer mehr Augsburger und auch Münchener kommen zu den Veranstaltungen nach Walden, das spüre ich in letzter Zeit deutlich. Ich freue mich schon auf die warmen Temperaturen, dann finden alle Veranstaltungen als Open Airs auf der Terrasse statt. Dieses Ambiente mitten in der Natur ist unschlagbar, das bestätigen mir auch die Künstler, die hier auftreten. Ist das hier der Platz, an dem du dich für immer niederlässt? Absolut, denn hier kann ich atmen, ich bin auch wieder künstlerisch aktiv geworden. Ich habe es neulich erst gesagt, Leute, lasst uns zusammen „Wir sein“, kommt rein, macht mit, lasst uns austauschen, das hier ist ein Platz, an dem Projekte entstehen. (ws)