2013-04
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Gesellschaft<br />
KLANG DER WELT<br />
im Eiserfelder Glockenmuseum<br />
„Schaff Dir ein kleines Reich der Freude.“ (Spruch an der Tür zur „Glockenstube“)<br />
3 Fotos: Dieter Gerst<br />
Glocken aus Glas strahlen durch ihre filigrane Machart<br />
einen ganz besonderen Reiz aus.<br />
Es ist eine andere Welt, die ich betrete. Eine überwiegend<br />
messingfarbene Welt. Eine Welt aus Formen,<br />
Klängen, Obertönen. Ein Ort, in dem ich Geschichte<br />
atme, die Ohren spitze, Schwingungen verschiedener<br />
Nuancen meine innere Welt durchstreifen. Sanfte Klänge<br />
umhüllen und pflegen die Seele - helle und dunkle, aufbrausende,<br />
einschmeichelnde, zart verklingende. Töne aus<br />
dem unerschöpflichen Raum der Klänge.<br />
Ich bin im Eiserfelder Glockenmuseum, das Hubert Machinek<br />
in seinem schmucken Heim In der Hubach 50 eingerichtet<br />
hat. Wer die Wahl hat, hat die Qual: Mit welcher Glocke<br />
werden Hubert Machinek und seine Frau Edeltrud die Weihnachtszeit<br />
einläuten? Nicht so einfach zu beantworten, denn:<br />
sage und schreibe rund 2400 Glöckchen und Glocken stehen<br />
zur Auswahl. Aus Metall, aus Porzellan, sogar aus Holz…<br />
Sie ist klein, unscheinbar, grau, hat einen hellen Klang<br />
und ist etwas ganz Besonderes. Hubert Machineks Lieblingsglocke.<br />
Die Kleine mit einer großen Geschichte: Eine<br />
Schlittenglocke, deren Klang den Herrn der Glocken fast<br />
durch sein ganzes Leben begleitete. Hubert Machinek ist in<br />
Niederschlesien geboren. Als die unselige Vertreibung begann,<br />
war Hubert Machinek ein Kind. Der Senior erzählt:<br />
„Innerhalb von zwei Stunden mussten wir unsere Sachen zusammenpacken.<br />
Durften nur das mitnehmen, was wir tragen<br />
konnten…“<br />
Das Kind Hubert löste das<br />
Glöckchen vom Schlitten und<br />
schob es in die Hosentasche. Es<br />
überstand alle Kontrollen (in verschiedenen<br />
Lagern beispielsweise)<br />
und landete nach vielen Wirren<br />
(u. a. in der DDR) „1952 im<br />
Westen“. Der gelernte Fein- und<br />
Kunstschlosser fand zunächst bei<br />
der Siemag einen neuen Arbeitsplatz<br />
und stand seit 1964 bis zu<br />
seiner Pensionierung in Diensten<br />
der Stadt Siegen.<br />
Glocken aus Metall erwiesen<br />
sich als wahre Kunstobjekte.<br />
26 durchblick 4/<strong>2013</strong>