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TE KW 18

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Solidarische Nachhaltigkeit im Grünen<br />

Gemeinschaftsgärten in Kematen, Inzing, Zirl oder Pfaffenhofen zeigen, wie grüne Verbundenheit aussehen kann<br />

In Kematen, Zirl, Inzing und Pfaffenhofen gibt es sie, und es werden<br />

tirolweit mehr: Gemeinschaftsgärten. In den Gärten wachsen<br />

allerdings nicht nur nachhaltige Tomaten, Kürbisse und Kräuter,<br />

sondern vielmehr auch die Solidarität untereinander. Ein Gespräch<br />

mit Sylvia Kainz, Obfrau des Vereins „Kemater Gartl“, Maria Theresia<br />

Halder, Obfrau-Stellvertreterin des Vereins „Kemater Gartl“, und<br />

Sandra Jenewein, Organisatorin des Pfaffenhofener Gemeinschaftsgarten<br />

„Solidago“.<br />

Von Nina Zacke<br />

In den Gemeinschaftsgärten tut sich<br />

etwas, im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Die ersten Knospen sind bereits zu sehen,<br />

Bienen und Hummeln summen<br />

und surren über den Pflanzen, die ersten,<br />

grünen Kräuter ragen bereits aus<br />

der Erdoberfläche heraus. Im Kemater<br />

Gartl pflanzen und ernten 38 Mitglieder<br />

(Familien, Paare, Einzelpersonen)<br />

vorwiegend aus Kematen auf einer<br />

Fläche von gut 1.700 Quadratmetern<br />

Gemüse, Kräuter und Obst. Neben<br />

den Einzelbeeten gibt es auch gemeinschaftlich<br />

genutzte Flächen, auf denen<br />

Kartoffeln, Kürbis und Zucchini<br />

wachsen. Im Tomatenhaus kann jeder<br />

Hobbygärtner seine eigenen Tomatenpflanzen<br />

setzen, hegen und ernten. In<br />

den Gärten wächst allerdings nicht nur<br />

Biogemüse, -kräuter und Artenvielfalt,<br />

sondern auch die Gemeinschaft.<br />

GRÜNES GEMEINSCHAFTSGE-<br />

FÜHL UND SOLIDARITÄT SÄEN.<br />

Als Obfrau des Vereins ist es Sylvia<br />

Kainz nicht nur wichtig nachhaltiges<br />

Biogemüse und Co einzupflanzen, es<br />

geht hier im Kemater Gartl – wie in<br />

vielen anderen Gemeinschaftsgärten<br />

auch – um ein Miteinander: „Wir organisieren<br />

über das Jahr verteilt viele<br />

Veranstaltungen, wir achten immer<br />

wieder darauf, dass ein Angebot für<br />

die Gemeinschaft vorhanden ist, es<br />

ist selten, dass man alleine im Garten<br />

ist, weil es beim Gartln eben auch<br />

um eine soziale Funktion geht.“ So<br />

gibt es unter anderem jährlich einen<br />

Workshop, eine Erntedankfeier, eine<br />

Sonnwendfeier oder gemeinsam organisierte<br />

Grill-abende.<br />

WER NIMMT, MUSS AUCH<br />

GEBEN. Hinter dem seit 2015 bestehenden<br />

Gemeindegarten, der sich auf<br />

dem ehemaligen, südlichen Gelände<br />

der HBLFA Tirol befindet, steht quasi<br />

ein Gesellschaftskonzept der Zukunft.<br />

Jedes Mitglied hat nicht nur sein eigenes<br />

Beet zu betreuen, sondern engagiert<br />

sich zudem an der Gemeinschaftsfläche.<br />

Ob man beim Kompost,<br />

der Kräuterspirale oder beim Hügelbeet<br />

mithilft, spielt dabei keine Rolle.<br />

„Gerade die Gruppenarbeit ist schon<br />

immer wieder eine Herausforderung<br />

in der Organisation, manche sind<br />

dabei sehr aktiv, manche sieht man<br />

seltener, aber ein Ansprechen und<br />

Nachfragen hilft dann schon meist“,<br />

berichtet Maria Theresia Halder.<br />

Denn: Wer später beispielsweise bei<br />

Die „Solidago“-Gemeinschaft in ihrem Garten: Vor Kurzem verlegten die Mitglieder<br />

einen Teil des Kräuterbeetes. Foto: Erwachsenenschule Oberhofen Pfaffenhofen<br />

Auf 1.700 Quadratmetern blühen und gedeihen im Kemater Gartl Blumen,<br />

Kräuter und Kartoffel genauso wie Kürbis und Zucchini. Foto: Roman Nowak<br />

der Kartoffelernte fleißig einpacken<br />

möchte, muss klarerweise auch übers<br />

Jahr mithelfen – das ist nur loyal und<br />

fair. Mitunter ist gerade deswegen das<br />

Projekt „Kemater Gartl“ ein Vorzeigeprojekt<br />

der Gemeinde. Das bestätigt<br />

die Warteliste für den Garten, darunter<br />

nicht nur Familien und Einzelpersonen<br />

aus Kematen, sondern auch aus<br />

Innsbruck.<br />

GEMEINSCHAFTSGÄR<strong>TE</strong>N<br />

BLÜHEN IN TIROL AUF. Auch<br />

die Gemeinde Pfaffenhofen besitzt<br />

seit dem vergangenen Jahr einen Gemeinschaftsgarten.<br />

Das von der Gemeinde<br />

initiierte Projekt nennt sich<br />

passenderweise „Solidago“. „Solidago<br />

ist eine Pflanzengattung innerhalb<br />

der Familie der Korbblütler, die auch<br />

Goldrauten genannt werden, und<br />

steht zudem für die Abkürzung ,solidarische<br />

Gartenorganisation‘ den Namen<br />

fanden wir deshalb in zweierlei<br />

Hinsicht passend“, schildert Sandra<br />

Jenewein, die gemeinsam mit ihrem<br />

Mann den Aufbau und die Organisation<br />

des Gemeinschaftsgarten betreut.<br />

Hier in Pfaffenhofen ist alles erst im<br />

Entstehen, der Garten genauso wie<br />

der Ablauf. „Mein Mann und ich sind<br />

Gartenlaien, es ist ein Prozess für uns,<br />

der uns aber wahnsinnig viel Freude<br />

macht“, erzählt die Pfaffenhofenerin.<br />

Seit dem Frühling 2023 nehmen elf<br />

Menschen, von jung bis alt, am Projekt<br />

teil, trugen im letzten Jahr den Humus<br />

ab, teilten die Beete ein oder legten ein<br />

Kräuterbeet an. Nachdem der Herbst<br />

im Jahr 2023 bis in den Oktober viele<br />

Sonnenstrahlen und warme Temperaturen<br />

bereithielt, konnten die Hobbygärtner<br />

auch schon erste gewachsene<br />

Ergebnisse sehen. Auch hier werden<br />

es immer mehr, die am Gemeinschaft-<br />

projekt im Grünen mithelfen und<br />

-arbeiten möchten. Platz für neue helfende<br />

Hände gibt es im Gegensatz zu<br />

Kematen noch: „Wir brauchen immer<br />

weitere Arbeiter und Anpacker und<br />

freuen uns natürlich über Anfragen“,<br />

sagt Jenewein.<br />

SCHMUTZIGE HÄNDE, ABER<br />

GLÜCKLICHE GEMÜ<strong>TE</strong>R. Dass<br />

die Tiroler wieder gerne „gartln“, verdankt<br />

der Trend mitunter auch der<br />

coronabedingten Pandemie vor einigen<br />

Jahren. „Es erdet wirklich, zwei,<br />

drei Stunden vergehen dabei wie im<br />

Flug“, schildert Sandra Jenewein. Darüber<br />

hinaus sei es ein irrsinnig gutes<br />

und wichtiges Projekt, man komme<br />

der Natur genauso wie einander<br />

menschlich wieder näher, werde achtsamer<br />

und verständnisvoller, findet<br />

Jenewein. Auch für die beiden Obleute<br />

aus Kematen ist der Garten ein<br />

wertvoller Teil ihres Lebens geworden.<br />

„Es geht mir ums Anbauen und<br />

ums Garteln, die Zeit vergeht dort im<br />

Handumdrehen, mindestens einmal<br />

in der Woche gehe ich in den Garten“,<br />

sagt Maria Theresia Halder. Für<br />

Sylvia Kainz ist „der Garten ein guter<br />

Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit,<br />

ich bin in der Natur, gestalte mit meinen<br />

Händen und tausche mich mit<br />

Gleichgesinnten aus“, und sagt weiters:<br />

„Wenn ich beim Einsetzen bin,<br />

kann ich extrem gut abschalten und<br />

vergesse alles andere, du merkst, wie<br />

der Stress nachlässt.“ Wenn sie ihrer<br />

Familie sagt, dass sie für zehn Minuten<br />

in den Garten geht, erntet sie nur<br />

Lacher. „Mein Mann und mein Sohn<br />

wissen, dass aus den zehn Minuten<br />

immer über zwei Stunden werden“,<br />

erzählt Kainz schmunzelnd.<br />

RUNDSCHAU Seite 10 2./3. Mai 2024

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