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Solidarische Nachhaltigkeit im Grünen<br />
Gemeinschaftsgärten in Kematen, Inzing, Zirl oder Pfaffenhofen zeigen, wie grüne Verbundenheit aussehen kann<br />
In Kematen, Zirl, Inzing und Pfaffenhofen gibt es sie, und es werden<br />
tirolweit mehr: Gemeinschaftsgärten. In den Gärten wachsen<br />
allerdings nicht nur nachhaltige Tomaten, Kürbisse und Kräuter,<br />
sondern vielmehr auch die Solidarität untereinander. Ein Gespräch<br />
mit Sylvia Kainz, Obfrau des Vereins „Kemater Gartl“, Maria Theresia<br />
Halder, Obfrau-Stellvertreterin des Vereins „Kemater Gartl“, und<br />
Sandra Jenewein, Organisatorin des Pfaffenhofener Gemeinschaftsgarten<br />
„Solidago“.<br />
Von Nina Zacke<br />
In den Gemeinschaftsgärten tut sich<br />
etwas, im wahrsten Sinne des Wortes.<br />
Die ersten Knospen sind bereits zu sehen,<br />
Bienen und Hummeln summen<br />
und surren über den Pflanzen, die ersten,<br />
grünen Kräuter ragen bereits aus<br />
der Erdoberfläche heraus. Im Kemater<br />
Gartl pflanzen und ernten 38 Mitglieder<br />
(Familien, Paare, Einzelpersonen)<br />
vorwiegend aus Kematen auf einer<br />
Fläche von gut 1.700 Quadratmetern<br />
Gemüse, Kräuter und Obst. Neben<br />
den Einzelbeeten gibt es auch gemeinschaftlich<br />
genutzte Flächen, auf denen<br />
Kartoffeln, Kürbis und Zucchini<br />
wachsen. Im Tomatenhaus kann jeder<br />
Hobbygärtner seine eigenen Tomatenpflanzen<br />
setzen, hegen und ernten. In<br />
den Gärten wächst allerdings nicht nur<br />
Biogemüse, -kräuter und Artenvielfalt,<br />
sondern auch die Gemeinschaft.<br />
GRÜNES GEMEINSCHAFTSGE-<br />
FÜHL UND SOLIDARITÄT SÄEN.<br />
Als Obfrau des Vereins ist es Sylvia<br />
Kainz nicht nur wichtig nachhaltiges<br />
Biogemüse und Co einzupflanzen, es<br />
geht hier im Kemater Gartl – wie in<br />
vielen anderen Gemeinschaftsgärten<br />
auch – um ein Miteinander: „Wir organisieren<br />
über das Jahr verteilt viele<br />
Veranstaltungen, wir achten immer<br />
wieder darauf, dass ein Angebot für<br />
die Gemeinschaft vorhanden ist, es<br />
ist selten, dass man alleine im Garten<br />
ist, weil es beim Gartln eben auch<br />
um eine soziale Funktion geht.“ So<br />
gibt es unter anderem jährlich einen<br />
Workshop, eine Erntedankfeier, eine<br />
Sonnwendfeier oder gemeinsam organisierte<br />
Grill-abende.<br />
WER NIMMT, MUSS AUCH<br />
GEBEN. Hinter dem seit 2015 bestehenden<br />
Gemeindegarten, der sich auf<br />
dem ehemaligen, südlichen Gelände<br />
der HBLFA Tirol befindet, steht quasi<br />
ein Gesellschaftskonzept der Zukunft.<br />
Jedes Mitglied hat nicht nur sein eigenes<br />
Beet zu betreuen, sondern engagiert<br />
sich zudem an der Gemeinschaftsfläche.<br />
Ob man beim Kompost,<br />
der Kräuterspirale oder beim Hügelbeet<br />
mithilft, spielt dabei keine Rolle.<br />
„Gerade die Gruppenarbeit ist schon<br />
immer wieder eine Herausforderung<br />
in der Organisation, manche sind<br />
dabei sehr aktiv, manche sieht man<br />
seltener, aber ein Ansprechen und<br />
Nachfragen hilft dann schon meist“,<br />
berichtet Maria Theresia Halder.<br />
Denn: Wer später beispielsweise bei<br />
Die „Solidago“-Gemeinschaft in ihrem Garten: Vor Kurzem verlegten die Mitglieder<br />
einen Teil des Kräuterbeetes. Foto: Erwachsenenschule Oberhofen Pfaffenhofen<br />
Auf 1.700 Quadratmetern blühen und gedeihen im Kemater Gartl Blumen,<br />
Kräuter und Kartoffel genauso wie Kürbis und Zucchini. Foto: Roman Nowak<br />
der Kartoffelernte fleißig einpacken<br />
möchte, muss klarerweise auch übers<br />
Jahr mithelfen – das ist nur loyal und<br />
fair. Mitunter ist gerade deswegen das<br />
Projekt „Kemater Gartl“ ein Vorzeigeprojekt<br />
der Gemeinde. Das bestätigt<br />
die Warteliste für den Garten, darunter<br />
nicht nur Familien und Einzelpersonen<br />
aus Kematen, sondern auch aus<br />
Innsbruck.<br />
GEMEINSCHAFTSGÄR<strong>TE</strong>N<br />
BLÜHEN IN TIROL AUF. Auch<br />
die Gemeinde Pfaffenhofen besitzt<br />
seit dem vergangenen Jahr einen Gemeinschaftsgarten.<br />
Das von der Gemeinde<br />
initiierte Projekt nennt sich<br />
passenderweise „Solidago“. „Solidago<br />
ist eine Pflanzengattung innerhalb<br />
der Familie der Korbblütler, die auch<br />
Goldrauten genannt werden, und<br />
steht zudem für die Abkürzung ,solidarische<br />
Gartenorganisation‘ den Namen<br />
fanden wir deshalb in zweierlei<br />
Hinsicht passend“, schildert Sandra<br />
Jenewein, die gemeinsam mit ihrem<br />
Mann den Aufbau und die Organisation<br />
des Gemeinschaftsgarten betreut.<br />
Hier in Pfaffenhofen ist alles erst im<br />
Entstehen, der Garten genauso wie<br />
der Ablauf. „Mein Mann und ich sind<br />
Gartenlaien, es ist ein Prozess für uns,<br />
der uns aber wahnsinnig viel Freude<br />
macht“, erzählt die Pfaffenhofenerin.<br />
Seit dem Frühling 2023 nehmen elf<br />
Menschen, von jung bis alt, am Projekt<br />
teil, trugen im letzten Jahr den Humus<br />
ab, teilten die Beete ein oder legten ein<br />
Kräuterbeet an. Nachdem der Herbst<br />
im Jahr 2023 bis in den Oktober viele<br />
Sonnenstrahlen und warme Temperaturen<br />
bereithielt, konnten die Hobbygärtner<br />
auch schon erste gewachsene<br />
Ergebnisse sehen. Auch hier werden<br />
es immer mehr, die am Gemeinschaft-<br />
projekt im Grünen mithelfen und<br />
-arbeiten möchten. Platz für neue helfende<br />
Hände gibt es im Gegensatz zu<br />
Kematen noch: „Wir brauchen immer<br />
weitere Arbeiter und Anpacker und<br />
freuen uns natürlich über Anfragen“,<br />
sagt Jenewein.<br />
SCHMUTZIGE HÄNDE, ABER<br />
GLÜCKLICHE GEMÜ<strong>TE</strong>R. Dass<br />
die Tiroler wieder gerne „gartln“, verdankt<br />
der Trend mitunter auch der<br />
coronabedingten Pandemie vor einigen<br />
Jahren. „Es erdet wirklich, zwei,<br />
drei Stunden vergehen dabei wie im<br />
Flug“, schildert Sandra Jenewein. Darüber<br />
hinaus sei es ein irrsinnig gutes<br />
und wichtiges Projekt, man komme<br />
der Natur genauso wie einander<br />
menschlich wieder näher, werde achtsamer<br />
und verständnisvoller, findet<br />
Jenewein. Auch für die beiden Obleute<br />
aus Kematen ist der Garten ein<br />
wertvoller Teil ihres Lebens geworden.<br />
„Es geht mir ums Anbauen und<br />
ums Garteln, die Zeit vergeht dort im<br />
Handumdrehen, mindestens einmal<br />
in der Woche gehe ich in den Garten“,<br />
sagt Maria Theresia Halder. Für<br />
Sylvia Kainz ist „der Garten ein guter<br />
Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit,<br />
ich bin in der Natur, gestalte mit meinen<br />
Händen und tausche mich mit<br />
Gleichgesinnten aus“, und sagt weiters:<br />
„Wenn ich beim Einsetzen bin,<br />
kann ich extrem gut abschalten und<br />
vergesse alles andere, du merkst, wie<br />
der Stress nachlässt.“ Wenn sie ihrer<br />
Familie sagt, dass sie für zehn Minuten<br />
in den Garten geht, erntet sie nur<br />
Lacher. „Mein Mann und mein Sohn<br />
wissen, dass aus den zehn Minuten<br />
immer über zwei Stunden werden“,<br />
erzählt Kainz schmunzelnd.<br />
RUNDSCHAU Seite 10 2./3. Mai 2024