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Mythos Walpurgisnacht<br />
Wenn Hexen zum Blocksberg fliegen: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch war es wieder soweit<br />
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch fand sie wieder statt : Die<br />
Walpurgisnacht. Der Tanz in den Mai rund um ein Feuer geht in seinen<br />
Ursprüngen auf vorchristliches Brauchtum zurück, der Name<br />
der Nacht des Hexenbrennens bezieht sich hingegen recht missverständlich<br />
auf die heilige Walburga. Ein bunter Mix aus Hexenverfolgung<br />
verharmlosenden Festen, teilweise ähnlich kommerzialisiert<br />
wie „Halloween“, charakterisiert die Nacht auf den ersten Mai. Woher<br />
aber stammen die Geschichten über einen düsteren, Jahrhunderte alten<br />
Irrglauben?<br />
Von Peter Bundschuh<br />
Soweit es die aktuelle Verbreitung<br />
des Glaubens an Hexerei, Zauberei<br />
und okkulte Praktiken hierzulande<br />
betrifft, fehlt es an gesichertem Datenmaterial.<br />
Von echter gesellschaftlicher<br />
Relevanz dürfte die schwarze<br />
Magie in Europa aber nicht sein.<br />
In anderen Teilen der Welt sieht es<br />
hingegen gänzlich anders aus. Eine<br />
gewisse Faszination kann aber auch<br />
in unseren Breiten der Teufelsanbetung<br />
nicht abgesprochen werden.<br />
ZAUBEREI UND HEXEN-<br />
WAHN. Weitgehende Übereinstimmung<br />
herrscht unter Historikern darüber,<br />
dass Zauberei als Phänomen<br />
in der Kulturgeschichte der Menschheit<br />
seit jeher und in allen Religionen<br />
auftritt. Der Begriff der Hexe<br />
kam aber erst im späten Mittelalter,<br />
ursprünglich im Grenzgebiet Frankreich-Schweiz,<br />
auf. Dabei wurde die<br />
als Ketzersekte angesehene Religionsgemeinschaft<br />
der Waldenser beschuldigt,<br />
einen Pakt mit dem Teufel<br />
geschlossen zu haben. Der Ketzerwahn<br />
breitete sich über weite Teile<br />
Europas aus und umfasste immer<br />
größere Personengruppen wie etwa<br />
die jüdische Gemeinde in Norditalien,<br />
der Brunnenvergiftung und<br />
Kindesmord vorgeworfen werden.<br />
Vorwiegend sind es Frauen, die auf<br />
dem Scheiterhaufen bei lebendigem<br />
Leib brennen. Zur Verfolgung durch<br />
sogenannte Inquisitoren, meist aus<br />
dem katholischen Dominikanerorden,<br />
später in erster Linie weltliche<br />
Richter, reichte oft eine Denunziation<br />
seitens der Dorfgemeinschaft.<br />
Man wird davon ausgehen dürfen,<br />
dass besondere körperliche Merkmale<br />
ein Gefährdungspotential darstellen<br />
konnten, wurde aber nach<br />
einem Teufelsmal gesucht, reichte<br />
jeder Pigmentfleck. Ob Hebammen<br />
und kräuterkundige Frauen besonderer<br />
Verfolgung ausgesetzt waren,<br />
ist in der Literatur nicht eindeutig<br />
geklärt. Nachgewiesen ist aber, dass<br />
die meisten Opfer, ob weiblich oder<br />
männlich, aus dem dörflichen Umfeld<br />
und oft der untersten sozialen<br />
Schicht entstammten. Mit der recht<br />
einfachen inquisitorischen Prozessausrichtung<br />
„verwissenschaftlicht“<br />
und konkretisiert sich ein anfänglich<br />
eher diffuser Hexenbegriff. Dieser<br />
wird federführend im prozessualen<br />
Standardwerk „Hexenhammer“, erschienen<br />
1486, festgelegt. Es handelt<br />
sich dabei um eine Zusammenfassung<br />
bereits existierender Texte,<br />
dabei ist es eines der unheilvollsten<br />
Bücher der Weltliteratur.<br />
WALPURGISNACHT AM<br />
BLOCKSBERG. Berichtet und<br />
rege in Umlauf gesetzt wird, dass<br />
der Flug zum Hexensabbat in der<br />
Walpurgisnacht auf Besen oder Stecken,<br />
oder auch auf dem Rücken<br />
eines Schweines stattgefunden hätte.<br />
Dieser Glaube an vermeintliche<br />
Treffen mit dem Teufel wurde durch<br />
Geständnisse unter Folter bestärkt.<br />
Als Ort der ausschweifenden Orgien<br />
wurden dabei öfter der Brocken im<br />
Harz (Blocksberg) und die Nacht<br />
zum ersten Mai genannt. Besonders<br />
Ende des 17. Jahrhunderts rückten<br />
durch das Buch „Blockes–Berges<br />
Verrichtung“ von Johannes Praetorius<br />
der Brocken als Hexentanzplatz<br />
und die Walpurgisnacht in den Vordergrund.<br />
HEXENPROZESSE IN TIROL.<br />
Auch die Menschen im „Heiligen<br />
Land“ blieben vom Hexenwahn<br />
nicht verschont. Der in Völs lebende<br />
Univ–Doz. Dr. Meinrad Pizzinini<br />
meint dazu in seinem Vortrag<br />
„Hexenwahn und Hexenprozesse in<br />
Tirol“ unter anderem (hier gekürzt<br />
und auszugsweise). „Es gibt kaum<br />
ein historisches Thema, das von so<br />
vielen Irrtümern und Fehlinterpretationen<br />
belastet ist wie das Hexenwesen.<br />
Der Hexenbegriff, wie er sich<br />
in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />
ausgebildet hat, ist durch<br />
folgende Wesensmerkmale gekennzeichnet:<br />
Am bedeutendsten wurde<br />
das zwischen Hexe – gemeint sind<br />
auch Hexenmeister und Zauberer –<br />
und dem Teufel geschlossene Bündnis<br />
‚Teufelspakt‘ eingeschätzt. Denn<br />
daraus sollen diese Menschen ihre<br />
Paul Flora, „Hexe und Teufel“, Federzeichnung koloriert, 1987 (Privatbesitz).<br />
<br />
Fotos: Bundschuh<br />
negativen Kräfte bezogen haben.<br />
Diese befähigten sie zu vielerlei Untaten<br />
wie dem Schadenzauber ‚Maleficum‘<br />
und dem Wetterzauber, als<br />
Auslösen von Hagel und anderem<br />
Unwetter. In jedem Falle wurden sie<br />
dazu befähigt, ihren Mitmenschen<br />
körperlichen oder geistigen Schaden<br />
zuzufügen. Ebenso gab der Teufelspakt<br />
Kräfte dazu, dem Viehbestand,<br />
der Ernte und sämtlichen Früchten<br />
Schaden zuzufügen. Man glaubte<br />
auch zu wissen, dass sich Hexen in<br />
raschem Flug durch die Luft bewegen<br />
können und zudem die Fähigkeit<br />
besäßen, die Gestalt von Tieren<br />
anzunehmen“. Den Höhepunkt der<br />
Prozesse gegen Hexen siedeln Historiker<br />
wie Meinrad Pizzinini in<br />
der ersten Hälfte des 16. und der<br />
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />
an, also in Zeiten großer politischer<br />
und religiöser Unsicherheit. Im Bereich<br />
Alt-Tirols gab es zahlreiche<br />
Hexenprozesse. Ein besonders gut<br />
dokumentierter Prozess, der mit<br />
Todesurteil endete, fand 1679/80<br />
gegen Emerenziana Pichler in Lienz<br />
statt. Angemerkt sei, dass der<br />
Prozess, so unfassbar er uns erscheinen<br />
mag, nach damaligen Rechtsvorstellungen<br />
korrekt abgewickelt<br />
wurde. Meinrad Pizzanini schreibt<br />
(auszugsweise): „Unter den Mitschuldigen<br />
des Salzburger ‚Blutgenossenschaft<br />
des Zauberers Jackl‘<br />
Prozesses (ab 1675) wurde auch<br />
die unstetig als Vagantin lebende<br />
Emerentiana Pichler genannt und<br />
die Maschinerie des Rechts begann<br />
zu arbeiten. Auf Androhung der<br />
Auch der „Hexenhammer“, eines der<br />
grauenhaftesten Bücher der Weltliteratur,<br />
gehört zum „Handwerkszeug“<br />
des Historikers, im Bild: Univ.–Doz.<br />
Meinrad Pizzinini.<br />
Tortur und folgenden ‚Spezialverhören‘<br />
gesteht sie in immer wieder aus<br />
ihr herausgequetschten Geständnissen<br />
wahnwitzige Absurditäten. Es<br />
ist davon auszugehen, dass die über<br />
60 Verhöre im Zeitraum von über<br />
zehn Monaten bei der Frau zu einem<br />
krankhaften Geisteszustand geführt<br />
haben. Trotz der Fürsprache des Lienzer<br />
Dekans Dr. Paulus von Dinzl,<br />
der den Hexenprozessen kritisch<br />
gegenüberstand, wurde die Frau gemäß<br />
Urteil am 25. September 1680<br />
zuerst erdrosselt, dann enthauptet<br />
und verbrannt. Ihre Kinder Michael<br />
und Anna folgten ihr zwei Tage später<br />
durch den Galgen in den Tod.“<br />
RUNDSCHAU Seite 20 2./3. Mai 2024