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TE KW 18

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Mythos Walpurgisnacht<br />

Wenn Hexen zum Blocksberg fliegen: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch war es wieder soweit<br />

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch fand sie wieder statt : Die<br />

Walpurgisnacht. Der Tanz in den Mai rund um ein Feuer geht in seinen<br />

Ursprüngen auf vorchristliches Brauchtum zurück, der Name<br />

der Nacht des Hexenbrennens bezieht sich hingegen recht missverständlich<br />

auf die heilige Walburga. Ein bunter Mix aus Hexenverfolgung<br />

verharmlosenden Festen, teilweise ähnlich kommerzialisiert<br />

wie „Halloween“, charakterisiert die Nacht auf den ersten Mai. Woher<br />

aber stammen die Geschichten über einen düsteren, Jahrhunderte alten<br />

Irrglauben?<br />

Von Peter Bundschuh<br />

Soweit es die aktuelle Verbreitung<br />

des Glaubens an Hexerei, Zauberei<br />

und okkulte Praktiken hierzulande<br />

betrifft, fehlt es an gesichertem Datenmaterial.<br />

Von echter gesellschaftlicher<br />

Relevanz dürfte die schwarze<br />

Magie in Europa aber nicht sein.<br />

In anderen Teilen der Welt sieht es<br />

hingegen gänzlich anders aus. Eine<br />

gewisse Faszination kann aber auch<br />

in unseren Breiten der Teufelsanbetung<br />

nicht abgesprochen werden.<br />

ZAUBEREI UND HEXEN-<br />

WAHN. Weitgehende Übereinstimmung<br />

herrscht unter Historikern darüber,<br />

dass Zauberei als Phänomen<br />

in der Kulturgeschichte der Menschheit<br />

seit jeher und in allen Religionen<br />

auftritt. Der Begriff der Hexe<br />

kam aber erst im späten Mittelalter,<br />

ursprünglich im Grenzgebiet Frankreich-Schweiz,<br />

auf. Dabei wurde die<br />

als Ketzersekte angesehene Religionsgemeinschaft<br />

der Waldenser beschuldigt,<br />

einen Pakt mit dem Teufel<br />

geschlossen zu haben. Der Ketzerwahn<br />

breitete sich über weite Teile<br />

Europas aus und umfasste immer<br />

größere Personengruppen wie etwa<br />

die jüdische Gemeinde in Norditalien,<br />

der Brunnenvergiftung und<br />

Kindesmord vorgeworfen werden.<br />

Vorwiegend sind es Frauen, die auf<br />

dem Scheiterhaufen bei lebendigem<br />

Leib brennen. Zur Verfolgung durch<br />

sogenannte Inquisitoren, meist aus<br />

dem katholischen Dominikanerorden,<br />

später in erster Linie weltliche<br />

Richter, reichte oft eine Denunziation<br />

seitens der Dorfgemeinschaft.<br />

Man wird davon ausgehen dürfen,<br />

dass besondere körperliche Merkmale<br />

ein Gefährdungspotential darstellen<br />

konnten, wurde aber nach<br />

einem Teufelsmal gesucht, reichte<br />

jeder Pigmentfleck. Ob Hebammen<br />

und kräuterkundige Frauen besonderer<br />

Verfolgung ausgesetzt waren,<br />

ist in der Literatur nicht eindeutig<br />

geklärt. Nachgewiesen ist aber, dass<br />

die meisten Opfer, ob weiblich oder<br />

männlich, aus dem dörflichen Umfeld<br />

und oft der untersten sozialen<br />

Schicht entstammten. Mit der recht<br />

einfachen inquisitorischen Prozessausrichtung<br />

„verwissenschaftlicht“<br />

und konkretisiert sich ein anfänglich<br />

eher diffuser Hexenbegriff. Dieser<br />

wird federführend im prozessualen<br />

Standardwerk „Hexenhammer“, erschienen<br />

1486, festgelegt. Es handelt<br />

sich dabei um eine Zusammenfassung<br />

bereits existierender Texte,<br />

dabei ist es eines der unheilvollsten<br />

Bücher der Weltliteratur.<br />

WALPURGISNACHT AM<br />

BLOCKSBERG. Berichtet und<br />

rege in Umlauf gesetzt wird, dass<br />

der Flug zum Hexensabbat in der<br />

Walpurgisnacht auf Besen oder Stecken,<br />

oder auch auf dem Rücken<br />

eines Schweines stattgefunden hätte.<br />

Dieser Glaube an vermeintliche<br />

Treffen mit dem Teufel wurde durch<br />

Geständnisse unter Folter bestärkt.<br />

Als Ort der ausschweifenden Orgien<br />

wurden dabei öfter der Brocken im<br />

Harz (Blocksberg) und die Nacht<br />

zum ersten Mai genannt. Besonders<br />

Ende des 17. Jahrhunderts rückten<br />

durch das Buch „Blockes–Berges<br />

Verrichtung“ von Johannes Praetorius<br />

der Brocken als Hexentanzplatz<br />

und die Walpurgisnacht in den Vordergrund.<br />

HEXENPROZESSE IN TIROL.<br />

Auch die Menschen im „Heiligen<br />

Land“ blieben vom Hexenwahn<br />

nicht verschont. Der in Völs lebende<br />

Univ–Doz. Dr. Meinrad Pizzinini<br />

meint dazu in seinem Vortrag<br />

„Hexenwahn und Hexenprozesse in<br />

Tirol“ unter anderem (hier gekürzt<br />

und auszugsweise). „Es gibt kaum<br />

ein historisches Thema, das von so<br />

vielen Irrtümern und Fehlinterpretationen<br />

belastet ist wie das Hexenwesen.<br />

Der Hexenbegriff, wie er sich<br />

in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />

ausgebildet hat, ist durch<br />

folgende Wesensmerkmale gekennzeichnet:<br />

Am bedeutendsten wurde<br />

das zwischen Hexe – gemeint sind<br />

auch Hexenmeister und Zauberer –<br />

und dem Teufel geschlossene Bündnis<br />

‚Teufelspakt‘ eingeschätzt. Denn<br />

daraus sollen diese Menschen ihre<br />

Paul Flora, „Hexe und Teufel“, Federzeichnung koloriert, 1987 (Privatbesitz).<br />

<br />

Fotos: Bundschuh<br />

negativen Kräfte bezogen haben.<br />

Diese befähigten sie zu vielerlei Untaten<br />

wie dem Schadenzauber ‚Maleficum‘<br />

und dem Wetterzauber, als<br />

Auslösen von Hagel und anderem<br />

Unwetter. In jedem Falle wurden sie<br />

dazu befähigt, ihren Mitmenschen<br />

körperlichen oder geistigen Schaden<br />

zuzufügen. Ebenso gab der Teufelspakt<br />

Kräfte dazu, dem Viehbestand,<br />

der Ernte und sämtlichen Früchten<br />

Schaden zuzufügen. Man glaubte<br />

auch zu wissen, dass sich Hexen in<br />

raschem Flug durch die Luft bewegen<br />

können und zudem die Fähigkeit<br />

besäßen, die Gestalt von Tieren<br />

anzunehmen“. Den Höhepunkt der<br />

Prozesse gegen Hexen siedeln Historiker<br />

wie Meinrad Pizzinini in<br />

der ersten Hälfte des 16. und der<br />

ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />

an, also in Zeiten großer politischer<br />

und religiöser Unsicherheit. Im Bereich<br />

Alt-Tirols gab es zahlreiche<br />

Hexenprozesse. Ein besonders gut<br />

dokumentierter Prozess, der mit<br />

Todesurteil endete, fand 1679/80<br />

gegen Emerenziana Pichler in Lienz<br />

statt. Angemerkt sei, dass der<br />

Prozess, so unfassbar er uns erscheinen<br />

mag, nach damaligen Rechtsvorstellungen<br />

korrekt abgewickelt<br />

wurde. Meinrad Pizzanini schreibt<br />

(auszugsweise): „Unter den Mitschuldigen<br />

des Salzburger ‚Blutgenossenschaft<br />

des Zauberers Jackl‘<br />

Prozesses (ab 1675) wurde auch<br />

die unstetig als Vagantin lebende<br />

Emerentiana Pichler genannt und<br />

die Maschinerie des Rechts begann<br />

zu arbeiten. Auf Androhung der<br />

Auch der „Hexenhammer“, eines der<br />

grauenhaftesten Bücher der Weltliteratur,<br />

gehört zum „Handwerkszeug“<br />

des Historikers, im Bild: Univ.–Doz.<br />

Meinrad Pizzinini.<br />

Tortur und folgenden ‚Spezialverhören‘<br />

gesteht sie in immer wieder aus<br />

ihr herausgequetschten Geständnissen<br />

wahnwitzige Absurditäten. Es<br />

ist davon auszugehen, dass die über<br />

60 Verhöre im Zeitraum von über<br />

zehn Monaten bei der Frau zu einem<br />

krankhaften Geisteszustand geführt<br />

haben. Trotz der Fürsprache des Lienzer<br />

Dekans Dr. Paulus von Dinzl,<br />

der den Hexenprozessen kritisch<br />

gegenüberstand, wurde die Frau gemäß<br />

Urteil am 25. September 1680<br />

zuerst erdrosselt, dann enthauptet<br />

und verbrannt. Ihre Kinder Michael<br />

und Anna folgten ihr zwei Tage später<br />

durch den Galgen in den Tod.“<br />

RUNDSCHAU Seite 20 2./3. Mai 2024

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