Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe
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<strong>Artykuły</strong><br />
wirklich allein künstlerische Maßstäbe<br />
angelegt worden seien und nicht etwa<br />
ein Götterbonus verteilt worden ist.<br />
Die Tage der Antike liegen fern. Und<br />
heute? Es scheint gar keinen Anlass mehr<br />
zu geben für Spannungen zwischen Religion<br />
und Kunst, in Deutschland jedenfalls.<br />
Wenn ich mich umblicke: Mir fällt<br />
kein Kollege ein, der zur Zeit für sich in<br />
Anspruch nähme, ein christlicher Autor<br />
zu sein. Martin Mosebach oder Arnold<br />
Stadler sind bekennende Katholiken.<br />
Aber sie würden sich bedanken, bezeichnete<br />
man sie als „christliche Schriftsteller“.<br />
Das wäre ihr Golgatha auf dem<br />
heiligen Markt unserer Tage. Welcher<br />
Kritiker nähme sie dann noch ernst?<br />
Und das war einmal ganz anders.<br />
Noch in meiner Kindheit und Jugend<br />
gab es genug Schriftsteller von<br />
unbestrittenem literarischem Rang und<br />
erheblicher Publikumswirkung, die in<br />
ihren Romanen und Dramen christliche<br />
Welt- und Lebensfragen thematisierten.<br />
Ich nenne, einigermaßen willkürlich<br />
herausgegriffen, in Deutschland Stefan<br />
Andres, Werner Bergengruen, Heinrich<br />
Böll, Gertrud von le Fort, Manfred<br />
Hausmann, Jochen Klepper, Reinhold<br />
Schneider, in Frankreich Georges Bernanos<br />
oder Paul Claudel, im angelsächsischen<br />
Bereich Gilbert Chesterton,<br />
Evelyn Waugh, T.S.Eliot, Christopher<br />
Fry, Graham Greene, Thornton Wilder,<br />
Walker Percy.<br />
Was ist passiert, in diesem Land, innerhalb<br />
einer Generation? Die „Entchristlichung<br />
der Literatur“, um´s auf<br />
den Amboss eines Begriffs zu legen?<br />
Da ich nach der Geburt nicht getauft<br />
worden war, in den letzten Wochen des<br />
Zweiten Weltkriegs (die Kanonen der<br />
12<br />
Roten Armee wummerten schon vor<br />
Breslau), stand während meiner Schulzeit<br />
in den Klassenbüchern unter der Rubrik<br />
„Glaubensbekenntnis“ die Bezeichnung<br />
„gottgl.“ hinter meinem Namen. In voller<br />
Schönheit heißt das „gottgläubig“.<br />
Ich war der einzige in allen meinen Klassen,<br />
bis zum Abitur, der „gottgl.“ war.<br />
Sämtliche Kameraden waren entweder<br />
„ev.“ oder „kath.“. Dennoch fühlte ich<br />
mich in diesem Punkt nie hintangesetzt.<br />
Jesus Christus, Maria und Joseph, der<br />
Heilige Geist gingen mich nichts an.<br />
Doch mehr als an einen Gott glaubten<br />
die Mitschüler ja auch nicht. Dass ich<br />
an einen Gott glaube, wurde mir nie<br />
abgesprochen, und ich selbst habe das<br />
auch nie getan. Wer immer dieser Gott<br />
sein mochte, von dem ich weder ein Bild<br />
noch einen Begriff hatte – nie im Traum<br />
ist es mir eingefallen, mich jemals Atheist<br />
zu nennen. Ich hatte, anders als mancher<br />
meiner unter „ev.“ oder „kath.“<br />
rubrizierten Mitschüler, in keiner Phase<br />
meines Lebens Anlass dazu.<br />
Mit der offenen Form der Gottgläubigkeit<br />
bin ich aufgeschlossen geblieben<br />
gegenüber jeder religiösen Erscheinung,<br />
unbefangener als ein davongelaufener<br />
Christ. Mich hat das Christentum, als<br />
ich Kind war, nicht berührt. Manchmal<br />
bedaure ich das. Ich werde dieses Defizit<br />
zeitlebens wohl nicht mehr füllen können.<br />
Aber das Christentum hat mich andererseits,<br />
als ich Kind war, auch nicht<br />
verletzt. Ich habe ihm nichts vorzuwerfen<br />
und zurückzuzahlen. Ich stehe ihm<br />
neutral gegenüber, manchmal amüsiert,<br />
oft genug auch mit Sympathie und immer<br />
neugierig. Das ist eine Freiheit, für<br />
die ich ausgesprochen dankbar bin.