Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe
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<strong>Artykuły</strong><br />
die er hier beschreibt, und in der alles<br />
gleichzeitig passiert: „Haben wir doch<br />
schon Blätter für sämtliche Tageszeiten,<br />
ein guter Kopf könnte wohl noch Eins<br />
und das Andere interpolieren. Dadurch<br />
wird alles, was ein jeder tut, treibt, dichtet,<br />
ja was er vorhat, ins Öffentliche<br />
geschleppt.“ Das ist die Vorwegnahme<br />
des Bloggens, des Chattens, der elektronischen<br />
Blätter, der Zerstreuungskultur.<br />
„Niemand darf sich freuen oder leiden,<br />
als zum Zeitvertreib der Übrigen;<br />
und so springt’s von Haus zu Haus,<br />
von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich<br />
und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles<br />
veloziferisch.“ Goethe bringt sie auf<br />
den Begriff: „Widriges Geschwätz, / Wo<br />
nichts verharret, alles flieht, / Wo schon<br />
verschwunden, was man sieht“.<br />
Zum „widrigen Geschwätz“ gesellt<br />
sich bereits im Faust – am Hof des Kaisers<br />
– die Erfindung des schnellen Geldes<br />
und zugleich die Erosion der Existenzberechtigung<br />
des Staates. Das kaiserliche<br />
Reich präsentiert sich mit seinen ratlosen<br />
Funktionseliten schon als moderner<br />
Sanierungsfall. Wegen Überschuldung<br />
ist das Staatswesen nicht mehr in<br />
der Lage, die Daseinsvorsorge zu leisten,<br />
die ihm bei seinen Bürgern Legitimation<br />
und Autorität verschafft. Ausgaben und<br />
Haushaltsdefizite wachsen. In das entstehende<br />
Vakuum drängen sich mit Gewalt<br />
und Korruption Interessengruppen, die<br />
das Gewaltmonopol des Staates zerstückeln<br />
und privatisieren. Auf dem Höhepunkt<br />
der Staatskrise dient sich Faust<br />
als Consultant und Haushalts-Experte<br />
an. Mit dem Trick ungedeckter Schuldverschreibungen<br />
empfiehlt er rasche<br />
grenzenlose Geldvermehrung zur Aufrechterhaltung<br />
des (Wohlfahrts-) Staates<br />
8<br />
und des Wohlwollens seiner Bürger als<br />
Subventionsempfänger.<br />
Der Staatsbankrott schreitet auch<br />
hier bereits voran mit der paradoxen<br />
Formel: „Wir wollen alle Tage sparen,<br />
und brauchen alle Tage mehr.“ Auch das<br />
ist Globalisierung: Der „veloziferische“<br />
Zusammenhang von Konsum-Beschleunigung,<br />
beschleunigter Kreditaufnahme<br />
und Beschleunigung von Investition<br />
und Produktion.<br />
Faust selber wird sich mit dem Ruf<br />
„Herrschaft gewinn ich mir und Eigentum“<br />
am Ende der Tragödie mit der<br />
Gründung eines eigenen (kolonialen)<br />
Unternehmens betätigen. Als erster globaler<br />
Wohlstandskrieger führt er das<br />
Schwinden der Relevanz des Staates für<br />
Entscheidungen der Unternehmen vor.<br />
Waren diese einst abhängig vom Territorium<br />
des Staates und seines Schutzes, so<br />
entziehen sie sich durch die Beschleunigungsprozesse<br />
der Globalisierung von<br />
Kommerz, Kapital und Information zunehmend<br />
der Anbindung an den Staat.<br />
In Gestalt des Faust zeichnet Goethe<br />
das Psychogramm eines Spielers und<br />
Drifters, der sich alle Optionen offen<br />
hält. Faust ist der Lebensabschnittsgefährte,<br />
der jede Bindung und Dauer<br />
scheut und alle auf Ziele fixierte Lebensführung<br />
meidet. Faust ist heute.<br />
Zelter, dem Freund und Komponisten<br />
in Berlin, schildert Goethe 1825<br />
dieses Musterbild globaler Funktions-<br />
Eliten: „Eigentlich ist es das Jahrhundert<br />
für leichtfassende praktische Menschen,<br />
(...) wenn sie gleich selbst nicht<br />
zum höchsten begabt sind.“ Ein Profil,<br />
das Goethe dann differenziert mit den<br />
Worten: „Alles aber, mein Teuerster, ist<br />
jetzt ultra (...) im Denken wie im Tun.