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Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe

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Judaica<br />

berief, dass das Totengebet im Getto alltäglich<br />

geworden sei und Pietät im Umgang<br />

mit Büchern keinen Platz mehr<br />

habe:<br />

50<br />

War früher einmal versehentlich ein Buch<br />

zu Boden gefallen, hat man es erschrocken<br />

aufgehoben und wie zur Entschuldigung<br />

geküsst. Im Ghetto dagegen liegen die<br />

Bücher verstaubt und angeschimmelt auf<br />

der nackten, feuchten Erde oder achtlos<br />

in den Ecken. In ihrem Inneren, wo mit<br />

Tinte das Andenken der Verstorbenen<br />

verewigt steht, haben jetzt Spinnen und<br />

Wanzen ihre Nester… 7<br />

Die Archive des familiären Gedächtnisses<br />

sind jetzt von Ungeziefer<br />

bewohnt. Obwohl die Pietät im Umgang<br />

mit Büchern, bedingt durch die<br />

Umstände im Getto, verschwunden ist,<br />

wurden die Bücher selbst nicht vernichtet.<br />

Dem harten Winter 1940/1941 fiel<br />

Vieles als Brennmaterial zum Opfer, u.a.<br />

Familienbetten, aber Bücher wurden<br />

nicht verbrannt, sie „lagen verstaubt in den<br />

düsteren Wohnungen“ . Nach den Deportationen<br />

im Jahre 1942 blieben sie in den<br />

Wohnungen zurück. Der Chronist berichtete:<br />

„Auf dem Markt tauchten bisweilen<br />

hebräische und jiddische Schriften als Makulaturpapier<br />

auf, in den Latrinen, in den Kramläden,<br />

bei Händlern und Strassenverkäufern“ .<br />

Für ein Kilo Makulaturpapier verlangte<br />

man 5 Mark. Der Leiter der Evidenz-<br />

Abteilung, einer Abteilung der scheinbaren<br />

jüdischen Selbstverwaltung, der<br />

Rechtsanwalt Neftalin entwickelte ein<br />

Projekt zur Rettung der Bücher. Er verordnete<br />

in Übereinstimmung mit der<br />

7 (Wie Anm. 4).<br />

8 (Wie Anm.4).<br />

9 Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt.<br />

Hrsg. von Sascha Feuchert, Erwin Leibfried,<br />

Jörg Riecke. Göttingen 2007, B.III, S. 298.<br />

Wirtschaftsabteilung, dass die Verwalter<br />

und Hausmeister die Evidenzabteilung<br />

über alle Bücher informieren, die in den<br />

entsiegelten Wohnungen der Ausgesiedelten<br />

in den Kellern und auf den Dachböden<br />

gefunden wurden. In solchen Fällen<br />

schickte die Evidenzabteilung ihre<br />

Mitarbeiter zu der genannten Adresse,<br />

um die Bücher abzuholen. Größtenteils<br />

waren diese Bücher religiösen Inhalts 10 .<br />

Dieser „Schatz“, der ca. 30 000 Bücher<br />

zählte, wurde gerettet, aufbewahrt, gesichtet<br />

und registriert 11 . Die geretteten<br />

Werte wurden in drei dunklen Räumen<br />

der Evidenzabteilung untergebracht:<br />

„Auf Regalen, die bis zur Decke reichen, liegen<br />

die Werke, die seit Generationen von Hand zu<br />

Hand gegangen sind, vom Großvater auf den<br />

Enkel vererbt…“ 12 , schrieb der Chronist.<br />

Leiter dieser Bibliothek war Ingenieur<br />

Weinhorn. Aus dieser Sammlung wählte<br />

man einige Hundert für Jugendliche<br />

aus. Es wurden bewegliche Bibliotheken<br />

für verschiedene Institutionen eingerichtet,<br />

die sich um Kinder und Jugendliche<br />

kümmerten. Die „Chronik“ informierte,<br />

dass die erste Sammlung, die<br />

150 Bände umfasste, am 24. Juli 1942 an<br />

die Bewohner der Besserungsanstalt geschickt<br />

wurde. Die nächsten wurden für<br />

die Jugendlichen in der Burse bestimmt.<br />

Der Chronist sprach die Hoffnung aus,<br />

dass diese Initiative den Betroffenen<br />

sehr nützen werde und ihnen die Zeit<br />

angenehmer gestalten sollte 13 .<br />

Das Lesebedürfnis beim „Volk des<br />

Buches“ wurde durch mehrere selbstän-<br />

10 Ebenda, B.III., S. 297.<br />

11 Ebenda, B.III, S. 298.<br />

12 Ebenda, B.III, S. 298.<br />

13 Ebenda, B.II. S. 377.

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