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Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe

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<strong>Artykuły</strong><br />

Studium des Klassenkampfs bezahlt gemacht.<br />

Die Entchristlichung der hiesigen<br />

Gesellschaft hat seit 1968 einen weiteren<br />

kräftigen Schub erfahren. Das duldet<br />

keinen Zweifel. Doch dieser zeitgeschichtliche<br />

Hintergrund allein griffe<br />

zu kurz. In der Gattung „christliche Literatur“<br />

selbst steckt ein ästhetisches Problem<br />

von grundsätzlicher Art. Warum<br />

hätte sonst ein Mann wie Jochen Klepper,<br />

Schriftsteller und praktizierender<br />

Christ, sagen können: „Protestantische<br />

Dichtung ist künstlerischer Selbstmord<br />

in Permanenz“? (Dass Klepper tatsächlich<br />

dann in den Freitod ging, ist eine<br />

herbe Bestätigung der eigenen Maxime.)<br />

Es stellt sich die Frage: Welchen Rang,<br />

welche Wahrheit misst ein Romancier<br />

seinem eigenen Wort bei, wenn er zugleich<br />

an das offenbarte Wort eines Gottes<br />

glaubt?<br />

Dieses Problem hat der ostpreußische<br />

Schriftsteller Willy Kramp mit evangelischer<br />

Gewissensakribie zu Ende gedacht.<br />

Kramp, in den 50er und 60er Jahren ein<br />

viel gelesener Autor, erhält 1975 von der<br />

Kirchlichen Hochschule Berlin den Ehrendoktor<br />

der Theologie. Er, der vom<br />

Dichten so wenig lassen mag wie von<br />

seinem Glauben, nutzt den Anlass zu<br />

der Dankesrede „Gibt es eine christliche<br />

Literatur?“ – und er reißt dabei einen<br />

Abgrund auf.<br />

Hält der Schriftsteller, so Kramp,<br />

beim Schreiben an seinem heilsgeschichtlichen<br />

Entwurf fest, nimmt er<br />

also „ideologische und pädagogische<br />

Momente“ in seine Literatur mit hinein,<br />

wird er, von der „Unerbittlichkeit<br />

der ‚reinen’ Kunst her betrachtet“ ‚ „das<br />

künstlerische Gebilde schwächen“, et-<br />

14<br />

was von seiner „Gewalt und plastischen<br />

Kraft fortnehmen“ und sich so im Abseits<br />

des Provinziellen, der Vormoderne<br />

wieder finden. Oder, kurz und bündig,<br />

bereits 1957, aus dem Mund von Arno<br />

Schmidt, bekennender Atheist: „Das<br />

Christentum ist künstlerisch einfach<br />

nicht konkurrenzfähig.“<br />

Der Aporie zwischen literarischer<br />

und religiöser Wort-Setzung – kein Autor,<br />

der sich Christ nennt, wird ihr entkommen.<br />

Die Qualen des Marsyas können<br />

ihm so fremd nicht sein.<br />

Dabei scheint der Konflikt derzeit<br />

still gestellt, in diesem Land jedenfalls.<br />

Christliche Literatur gilt einem Publikum,<br />

das sich für gnadenlos aufgeklärt<br />

hält, als Ausweis von Rückständigkeit,<br />

Wirklichkeitsferne, politisch obskurant,<br />

bestenfalls naiv. Sagen wir´s doch gleich:<br />

vom Makel artistischer Impotenz gezeichnet.<br />

Christliche Literatur kümmert<br />

heutzutage am Wegrand des Marktes<br />

dahin als eine historisch überholte Position,<br />

sofern das Christliche nicht zu<br />

einem geschmacksfreien humanistischen<br />

Fertigsüppchen verkocht ist, das<br />

nur die Allerhungrigsten satt macht.<br />

Ich bin mir keineswegs sicher, dass es<br />

so bleiben muss.<br />

Die Szene aus dem aktuellen Roman<br />

eines deutschsprachigen Autors, der sich<br />

vom Christentum abgrenzt. Ehrlicherweise.<br />

Nicht aus Koketterie. Unter deutschen<br />

Intellektuellen kann man damit<br />

keinen Blumenpott gewinnen. Da ist<br />

das Heidentum heute so selbstverständlich<br />

wie das Amen in der Kirche. Fast ein<br />

Ehrenpunkt.<br />

Zur Situation. Ein junger Deutscher,<br />

Anfang Zwanzig, angehender Schriftsteller,<br />

in einem Intercity-Express. Der Zug

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