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Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe

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<strong>Artykuły</strong><br />

feefahrten zur Oper, die Mutti da oder<br />

dort, Formel Eins in SchwarzRotGold<br />

und Ferienparadiese, drei Wochen mit<br />

Halbpension. Das stiftet nichts. Doch,<br />

es stiftet etwas: das Nichts.“<br />

Für mich ist das eine Kernszene des<br />

Romans. Sein Titel: DIE REISE NACH<br />

SAMOSCH. Und mir kommt das befreiend<br />

fröhliche Wort von Hermann<br />

Kesten in den Sinn, des agnostischen<br />

Juden aus Galizien: „Ich bin von Beruf<br />

und Neigung ein Poet – ein privater Religionsstifter.“<br />

Als „gottgl.“ auf die Welt gekommen,<br />

bin ich nicht von klein auf in die Kirche<br />

hineingewachsen. Erst der junge Mann<br />

hat sie sich selbst zu erobern begonnen.<br />

Um Gott ging es mir dabei nicht.<br />

Kirchen, die ich aufsuchte, überall wo<br />

ich war, wurden Räume der Schönheit<br />

für mich, Gehäuse von Kunst. Schönheit<br />

war die Botschaft, die ich hier finden<br />

wollte. An etwas anderes dachte ich<br />

nicht.<br />

Und doch ist das vielleicht nicht<br />

ganz richtig. Die Schönheit, wie ich sie<br />

als Jüngling sah und wie sie mich begeisterte:<br />

sie hatte die Wahrheit in sich, ihre<br />

Wahrheit: im Maß ihrer Form. Das Maß<br />

war ihre Moral, so wie ich das damals<br />

sah mit Zwanzig, ohne das vielleicht auf<br />

den Begriff bringen zu können oder zu<br />

wollen.<br />

Schönheit – Maß – Wahrheit: Das<br />

war eins für mich. Ich konnte diese<br />

Dreifaltigkeit nicht auseinander reißen,<br />

denn dann wäre jedes einzelne für sich<br />

ungültig geworden. Eine Schönheit<br />

ohne Maß und Wahrheit gab es nicht<br />

für mich, aber auch das umgekehrte galt:<br />

Eine Wahrheit konnte mich nicht überzeugen,<br />

ohne dass ich sie auch als schön<br />

16<br />

empfunden hätte – die Schnitzaltäre<br />

Tilman Riemenschneiders im mainfränkischen<br />

Raum, die Madonnen des Veit<br />

Stoß aus Lindenholz. Dann der Süden.<br />

Rom, Michelangelo, seine Kraftgebärden<br />

in Marmor.<br />

Und immer wieder musste ich in Kirchen<br />

gehen, wenn ich vor diese Schönheit<br />

kommen wollte. Dass die Kirche<br />

vor allem ein Kultraum ist – das nahm<br />

ich hin und respektierte ich. Und geriet<br />

in manchen Gottesdienst hinein und<br />

in noch mehr Kindstaufen und Hochzeiten<br />

– gerade Italien war da ein höchst<br />

gefährliches Pflaster. Und so begehrenswert<br />

auch einige der Bräute waren, die da<br />

vorne in ihrem weißen Stoffgeschiebe zu<br />

ertrinken drohten: Im Grunde lauerte<br />

ich doch nur darauf, bis die Kirche endlich<br />

wieder leer stand und ich ungestört<br />

vor das Bild einer anderen jungen Frau<br />

treten und aus allen Winkeln beäugen<br />

konnte – das Gesicht, wie es vor Jahrhunderten<br />

Fra Angelico oder Pinturicchio<br />

auf der Holztafel eines Altars festgehalten<br />

hatten. Das ziellose Lächeln in<br />

den Mundwinkeln, die kostbaren Brokatbahnen<br />

der Gewänder, fußlang, mit<br />

kompliziertestem Faltenwurf. Abends<br />

hatte ich damit zu tun, Worte zu finden<br />

dafür und aufs Papier zu bringen, mich<br />

meines Daseins in ihnen zu versichern.<br />

Immer kreisten die Gedanken dabei um<br />

das Schöne und seine Moral: die Wahrheit.<br />

Natürlich lernte ich dabei auch Inhalte<br />

der christlichen Mythologie kennen:<br />

Warum Sebastian diese Pfeile auf<br />

sich zog – wieso Rochus seinen Oberschenkel<br />

mit der Pestbeule bloßlegte,<br />

mal mehr, mal weniger freigiebig, darüber<br />

schrieb ich später sogar einen ganzen

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