Profil 5/2002 f r PDF - Kolbenschmidt Pierburg AG
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Das <strong>Profil</strong> 5/<strong>2002</strong> Die Reportage<br />
Seite 21<br />
Internationales Uniformen-Kaleidoskop (v.l.n.r.): Wie eine Beamtin der ehemaligen DDR-Volkspolizei aussah, wie sich ein nepalesischer Polizeioffizier und sein indonesischer Kollege dienstlich kleiden, in welchem<br />
„Outfit“ eine Verkehrspolizistin der französischen „Police National“ ihren Dienst versieht oder ein Königlich bayerischer Gendarm z.B. zwischen 1890 und 1918 in der Öffentlichkeit auftrat – das zeigen diese Fotos.<br />
Rüdiger Fischers „Polizeihistorische Sammlung“<br />
„Gorbi schickte Mütze,<br />
Honecker die Stasi“<br />
Augsburg. 1978 hat für den damals<br />
16-jährigen Rüdiger Fischer eine ganz<br />
besondere Bedeutung. Denn fast zwei<br />
Jahre lang hatte er zuvor seinen Onkel,<br />
einen hohen Polizeibeamten im<br />
bayerischen Innenministerium, immer<br />
wieder um dessen Offiziersmütze gebeten.<br />
Hatte ihm aufzuzeigen versucht,<br />
wie gut sich seine Kopfbedeckung<br />
in dem damals noch bescheidenen<br />
„Sammelsurium“ aus Bundeswehr-,<br />
Post-, Bahn- und Zollmützen<br />
machen würde, die sich in Kindheitstagen<br />
angesammelt hatten. Endlich<br />
bekam er das ersehnte<br />
Stück. Und war dennoch<br />
nicht zufrieden,<br />
denn nun war die Sammelleidenschaft<br />
in dem jungen<br />
Mann entbrannt – eine Leidenschaft,<br />
die bis heute<br />
nicht erloschen ist.<br />
Mittlerweile hat Rüdiger<br />
Fischer, der als Leiter Personal<br />
und Organisation bei der<br />
Rheinmetall Landsysteme GmbH arbeitet,<br />
eine der größten polizeihistorischen<br />
Sammlungen in Deutschland<br />
zusammengetragen. Der 39jährige Jurist<br />
nennt über 500 Polizeimützen aus<br />
aller Welt, einige hundert Pickelhauben<br />
und Tschakos (ein auffälliger, ursprünglich<br />
militärischer Helm aus Leder<br />
oder Filz von zylindrischer Form),<br />
historische Metall-Helme, Parade-Uniformen,<br />
Tausende von Ärmelabzeichen<br />
und die nach eigenen Angaben<br />
größte Sammlung an Sheriff-Sternen<br />
und Brustschildern aus dem US-Bundesstaat<br />
Arizona sein eigen.<br />
Die obere Etage seiner Augsburger<br />
Wohnung gleicht angesichts der Vielfalt<br />
denn auch eher einem Museum. In<br />
Vitrinen und auf Regalen sind hier seine<br />
schönsten Stücke ausgestellt, wie<br />
beispielsweise eine Preußische<br />
Schutzmanns-Pickelhaube von 1846.<br />
Sie war die erste Polizei-Pickelhaube<br />
der Welt, heute sind davon nur noch<br />
drei existierende Exemplare bekannt.<br />
Stolz ist Fischer zudem auf seine<br />
Sammlung bayerischer Landespolizei-<br />
Tschakos und einen Paradehelm der<br />
Leibgendarmerie des letzten Königs<br />
von Preußen.<br />
Auch das elterliche Reihenhaus ganz<br />
in der Nähe ist vom Keller bis zum<br />
Dachboden mit Mützen, Helmen und<br />
Abzeichen ausstaffiert. „Naja“, sagt Fischer<br />
mit einem Augenzwinkern,<br />
„schließlich sind die beiden an meiner<br />
Leidenschaft nicht ganzunschuldig.<br />
Mein Vater war Zollbeamter, und auch<br />
der Rest der Verwandtschaft war Uniformträger“.<br />
Schon als „kleiner Junge“<br />
habe er daher mit Zoll-Mützen gespielt,<br />
wie ein Bild aus frühen Kindheitstagen<br />
beweist. „Mein Hobby war<br />
damit quasi vorbestimmt.“<br />
Für seine Leidenschaft scheut er keine<br />
Mühen. Nach der Mütze des Onkels<br />
wollte Rüdiger Fischer Polizeimützen<br />
aus jedem Land der Welt haben: nach<br />
Möglichkeit in bester Qualität und<br />
bevorzugt vom Polizeipräsidenten<br />
höchstpersönlich. Und so hat der findige<br />
RLS-Mitarbeiter in den vergangenen<br />
20 Jahren so ziemlich jeden Polizeichef<br />
der Welt angeschrieben und<br />
um eine landestypische Mütze gebeten.<br />
„Manchmal wußte ich nicht einmal<br />
die Adresse des Polizeipräsidiums“,<br />
erinnert er sich. Da habe er<br />
dann einfach „police headquarter“<br />
und den Namen<br />
der Landeshauptstadt<br />
draufgeschrieben. Meistens<br />
seien seine Briefe<br />
auch richtig angekommen.<br />
Zum Beispiel bei Michael<br />
Gorbatschow. Das damalige<br />
Staatsoberhaupt der Sowjetunion<br />
schrieb Fischer Ende<br />
der achtziger Jahre kurz<br />
vor dem Zerfall des Ost-<br />
Blocks an – auf Russisch,<br />
versteht sich. Dafür hatte<br />
er extra zwei Semester lang einen<br />
Sprachkurs belegt. Und tatsächlich:<br />
Etwa drei Monate nach seiner Anfrage<br />
kam ein Päckchen mit einer Mütze und<br />
einem Begleitbrief zurück. „Da wurde<br />
mir bewußt, daß ,Perestroika‘ und<br />
,Glasnost‘, also der Umbau und die<br />
Öffnung der damaligen UdSSR, vorankamen“,<br />
so Fischer.<br />
Erich Honecker hingegen, den er<br />
ebenfalls persönlich kontaktiert hatte,<br />
zeigte wenig Verständnis für das Hobby<br />
des Westdeutschen. Statt einer<br />
Mütze schickte der frühere DDR-<br />
Staatsratsvorsitzende die Stasi! „Ich<br />
bin damals für kurze Zeit abgehört<br />
worden, konnte das aber schnell<br />
klären“, sagt Fischer. Sein Hobby<br />
konnte der Sammler auch mit seiner<br />
zweiten Leidenschaft, dem Reisen, gut<br />
verbinden. „In vielen Ländern bin ich<br />
einfach aufs Polizeirevier gegangen<br />
und habe nach einer Mütze gefragt“,<br />
erzählt er. Neben dem gewünschten<br />
Erinnerungsstück habe es manchmal<br />
sogar noch eine Gratis-Stadtrundfahrt<br />
im Polizeiwagen gegeben.<br />
Inzwischen muß er nicht mehr Serienbriefe<br />
versenden, um an seine Mützen<br />
zu kommen. Fischer ist einer der bekanntesten<br />
Sammler in der Szene, der<br />
in Deutschland rund 500 Liebhaber angehören.<br />
Unter Kollegen gilt er als Kenner<br />
und Experte der Heraldik (Wappenkunde).<br />
Sein Wissen über die Bedeutung<br />
und „Sprache“<br />
der Wappen<br />
und Abzeichen<br />
hat er nach eigenem<br />
Bekunden<br />
dabei vor allem<br />
„in langen Gesprächen<br />
mit älteren<br />
Sammlern“<br />
erworben. „Mich<br />
fasziniert vor allem<br />
die Geschichte,<br />
die sich<br />
hinter den Mützen,<br />
Hauben und<br />
Uniformen verbirgt“,<br />
erzählt er.<br />
So sei anhand<br />
der Wappen auf<br />
Polizeimützen<br />
zu sehen, welche<br />
Staatsform<br />
der jeweilige<br />
Staat habe.<br />
Monarchien hätten<br />
eine Krone im Wappen. Staaten<br />
mit revolutionärer Vergangenheit oft<br />
gekreuzte Schwerter und ähnliches.<br />
Wichtig sei auch die „Kokarde“ und<br />
vor allem ihre Position. Dieses kleine<br />
runde Emblem zeigt die Nationalfarbe.<br />
„Sie muß über dem Wappen sitzen,<br />
wenn der Staat für sich beansprucht,<br />
ein Rechtsstaat zu sein, und die Polizei<br />
nur dem Gesetz verpflichtet ist“,<br />
betont Fischer. Die Innenminister-<br />
Prunkstücke aus der „guten alten Zeit“, darunter – z. B. obere<br />
Reihe v.l. – ein Helm des preußischen „Garde du Corps“,<br />
eine Grenadiermütze des ersten Leibregiments aus der Zeit<br />
des „Alten Fritz“ und ein schwedisches Infanterie-Tschako.<br />
Rüdiger Fischer vor seiner umfangreichen Mützensammlung, in der Hand die Mütze des Polizeipräsidenten der Dominikanischen<br />
Republik, Echtgold-handbestickt; das gute Stück hat er auf ein Anschreiben hin „einfach so“ bekommen.<br />
Konferenz der Bundesländer hätte<br />
beim Entwerfen der aktuellen deutschen<br />
Uniformen leider geschlampt,<br />
ärgert er sich ein wenig. Denn auf den<br />
deutschen Polizeimützen ist die Kokarde<br />
unter dem Wappen plaziert worden.<br />
„Demnach stünde die Polizei<br />
über dem Gesetz, und wir würden in<br />
einem Polizei- und nicht in einem<br />
Rechtsstaat leben.“<br />
Auch die Form der Mütze sagt etwas<br />
über Alter und Herkunft aus: In der<br />
Schweiz und Frankreich trägt man Kappen.<br />
Die Engländer haben die Teller-<br />
Mütze hervorgebracht, die heute noch<br />
in vielen „Commonwealth“-<br />
Staaten getragen wird. In<br />
Mitteleuropa herrscht die<br />
obrigkeitlich wirkende<br />
sogenannte Sattel-Form<br />
vor. Und: Arme oder<br />
kleine Länder leisteten<br />
sich meist die schönsten<br />
und aufwendigsten<br />
Mützen, kann Fischer<br />
aus Erfahrung berichten.<br />
Die Mütze des<br />
Polizeichefs aus der<br />
Dominikanischen Republik<br />
beispielsweise ist ringsherum<br />
mit purem Gold handbestickt<br />
und verziert.<br />
Der RLS-Personalchef ist mittlerweile<br />
nicht nur ein Geschichtsexperte,<br />
sondern weiß auch genau, wie man<br />
die historischen Stücke richtig pflegt<br />
und restauriert. Manchmal bekomme<br />
er gerade die sehr alten Stücke nicht<br />
komplett oder in recht schlechtem Zustand,<br />
sagt er. Dann müsse er wie bei<br />
den Tschakos der königlichen bayerischen<br />
Gendarmerie mit echtem Schelllack<br />
zeitgenössisch ausbessern oder<br />
eine Schuppenkette originalgetreu ergänzen.<br />
Um seine Sammlung zu vervollständigen,<br />
hat er einzelne Exemplare,<br />
die nicht mehr zu bekommen<br />
sind, auch schon mal komplett nachgebaut.<br />
Wie zum Beispiel einen Helm<br />
der römischen Prätorianergarde, der<br />
ersten echten Polizeieinheit in der Geschichte.<br />
Außerdem entwirft der<br />
Sammler selbst neue Polizeiabzeichen.<br />
Ein Spezialeinsatzkommando<br />
der Bereitschaftspolizei in Schleswig-<br />
Holstein sei gerade dabei, eine von<br />
ihm entworfene Brustschwinge einzuführen,<br />
so Fischer.<br />
Fast jedes Wochenende ist der Bayer<br />
zudem auf einer Tauschbörse im Bundesgebiet<br />
oder in den Nachbarländern<br />
vertreten, um seine Kontakte zu pflegen.<br />
„Meistens habe ich den größten<br />
Stand“, erzählt er. Mit zwei Kollegen<br />
organisiert er ferner jeweils im Juli eine<br />
eigene Tauschbörse in Königsbrunn<br />
bei Augsburg. Sie<br />
gehört mit den Sammlerbörsen<br />
in Frankfurt und<br />
Berlin zu den drei größten<br />
in Deutschland.<br />
Für sich selbst würde<br />
er dort aber nur noch<br />
selten etwas finden.<br />
„Die schönsten Exemplare<br />
bekomme ich oft<br />
per Zufall“, sagt er. Vom<br />
Bremer Zoll habe er einmal<br />
eine ganze Kiste mit<br />
Mützen erworben, die 50<br />
Jahre lang vergessen auf dem<br />
Dachboden gestanden habe. Ein<br />
anderes Mal hat ihm ein Militaria-<br />
Sammler eine Preußische Schutzmanns-Pickelhaube<br />
für 1700 Euro verkauft.<br />
Ein echtes Schnäppchen, denn<br />
von Liebhabern könnte Fischer dafür<br />
heute 7500 Euro bekommen. Und auch<br />
über das Internet ersteigere er hin und<br />
wieder eine schöne Mütze, sagt er.<br />
Vielleicht taucht dort eines Tages ein<br />
äußerst seltenes rotes Tschako der<br />
Mecklenburg-Strelitz’schen Landjäger<br />
aus dem 19. Jahrhundert auf. Fischer<br />
würde es freuen. Denn so ein Tschako,<br />
von dem nur 40 Exemplare hergestellt<br />
wurden, fehlt ihm noch. Oder ein Helm<br />
der Garde am Quirinalspalast in Rom.<br />
„Das wäre noch einmal was“,<br />
schwärmt er. Sebastian Reimann<br />
Fotos (9): Thomas Klink