Profil 5/2002 f r PDF - Kolbenschmidt Pierburg AG
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Das <strong>Profil</strong> 5/<strong>2002</strong> Das aktuelle Thema<br />
Seite 5<br />
„Automotive“: Kompetenz bei Zukunftstechnologie<br />
Brennstoffzelle macht<br />
dem Motor „Dampf“<br />
(Fortsetzung von Seite 4)<br />
stems“, erläutert Hunkel den Projektinhalt:<br />
„Bei einem auftretenden Leck<br />
müssen sofort Alarmmechanismen –<br />
etwa das Ausschalten und Absperren<br />
der betroffenen Subsysteme – eingeleitet<br />
werden.“ Bisher sind am Markt<br />
keine Wasserstoffsensoren erhältlich,<br />
die den hohen Ansprüchen einer Anwendung<br />
im Pkw gewachsen wären.<br />
„Das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung<br />
legen wir deshalb auf die<br />
,Fail-safe‘-Funktion der Sensoren sowie<br />
des gesamten Sicherheitssystems“,<br />
berichtet Hunkel, der bereits<br />
seit 1999 in der Entwicklungsabteilung<br />
bei der Neusser Rheinmetall-„Automotive“-Tochter<br />
beschäftigt ist: „‚Failsafe‘<br />
bedeutet, daß unsere Sensoren<br />
entweder ausschließlich korrekte,<br />
oder – bei Fehlfunktionen – überhaupt<br />
keine Meßwerte liefern und das<br />
Steuerungssystem ihr Ausfallen sofort<br />
bemerkt.“ Bei der Entwicklung dieser<br />
Technologie wird <strong>Pierburg</strong> von einem<br />
international renommierten Unternehmen<br />
unterstützt, dessen Mitarbeiter<br />
zeitweise auch vor Ort in Neuss arbeiten.<br />
Neben den beschriebenen Wasserstoffsicherheitssensoren,<br />
bei denen<br />
<strong>Pierburg</strong> bereits die technologische<br />
Führerschaft innehat, werden im Produktsegment<br />
der Sensoren sogenannte<br />
Luft- und Wasserstoffmassensensoren<br />
entwickelt. Getestet werden die<br />
Komponenten im hauseigenen Prüfstand<br />
in Neuss. Darüber hinaus ist der<br />
Aufbau eines „Full-Size“-Brennstoffzellen-Prüfstandes<br />
zum Testen anderer<br />
Komponenten in Zusammenarbeit<br />
mit dem Zentrum für Brennstoffzellen-<br />
Technologie an der Universität Duisburg<br />
geplant.<br />
Der in Aachen lebende Entwicklungsspezialist<br />
ist überzeugt davon,<br />
daß der Technologiewandel hin zur<br />
Brennstoffzelle in den nächsten Jahrzehnten<br />
kommen wird. „Die Automobilindustrie<br />
steht unter erheblichem<br />
Druck. Das amerikanische ‚Low Emission<br />
Vehicle Program II‘ des ‚California<br />
Air Resources Board‘ beispielsweise<br />
Grafik: DaimlerChrysler Communications<br />
Schalldämpfer<br />
Luftfilter<br />
Brennstoffzellen-Stacks<br />
Zentralelektrik<br />
Kompressor/Expander<br />
Wärmetauscher<br />
Wasserfilter<br />
schreibt vor, daß in den USA bis zum<br />
Jahr 2004 zehn Prozent der Neufahrzeuge<br />
Nullemissionen oder zumindest<br />
‚super ultra low emissions‘ bzw. ‚ultra<br />
low emissions‘ aufweisen müssen.<br />
Damit soll langfristig ein Emissionsrückgang<br />
um 50 Prozent erreicht werden.“<br />
Und auch in Deutschland gibt es<br />
für die Automobilhersteller immer<br />
strengere Umweltauflagen. „Die<br />
Brennstoffzelle wäre eine ideale Lösung“,<br />
bekräftigt Hunkel: „Sie ist leise,<br />
effizient, vibrations- und emissionsfrei.<br />
Und Wasserstoff ist ein unerschöpflicher<br />
Rohstoff. Immerhin bestehen<br />
90 Prozent unseres Universums<br />
daraus. Zudem wären wir unabhängig<br />
von den begrenzten Rohölvorkommen.“<br />
Dennoch gibt es viele Kritiker, die<br />
vom Durchbruch der Brennstoffzelle<br />
wenig überzeugt sind. Hinterfragt werden<br />
die Dauerhaltbarkeit der Zellen<br />
und der wirtschaftliche Erfolg, bedenkt<br />
man den hohen Investitionsaufwand.<br />
„Alles nur eine Frage der Zeit“,<br />
entgegnet Hunkel solchen Zweiflern:<br />
„Der ‚Necar 5‘ von DaimlerChrysler<br />
schaffte bereits 250 000 Kilometer auf<br />
dem Prüfstand. Derzeit wird er im<br />
Straßenverkehr getestet. Daß man keine<br />
Betriebserfahrung mit den Brennstoffzellen-Antrieben<br />
hat, stimmt in<br />
diesem Sinne also nicht.“ Und auch<br />
bei den Preisen wird sich in den nächsten<br />
Jahren noch einiges tun, davon ist<br />
der Hobbysportler überzeugt: „Innovative<br />
Technologien sind anfangs immer<br />
teurer als die bereits etablierten.<br />
Schließlich war das Automobil mit<br />
dem klassischen Verbrennungsmotor<br />
auch nicht von Beginn an für jedermann<br />
zu bezahlen. Erst wenn die<br />
Brennstoffzelle durch Massenproduktion<br />
wettbewerbsfähig ist, lohnt es<br />
sich, mit Fahrzeugen wie dem ‚Necar‘<br />
in Serienproduktion zu gehen.“ Bis<br />
dahin will sich die <strong>Kolbenschmidt</strong> <strong>Pierburg</strong><br />
<strong>AG</strong> dank konsequenter Entwicklungstätigkeiten<br />
auf dem Gebiet der<br />
Brennstoffzellen-Technologie eine bedeutende<br />
Stellung im neuen Zuliefermarkt<br />
gesichert haben.<br />
Claudia Wessolly<br />
Kondensator<br />
Kondensatabscheider<br />
Wasserpumpe<br />
H2-/Luftbefeuchter<br />
Ladeluftkühler<br />
Jetpumpe<br />
Schalldämpfer (Luft)<br />
Wasserstofftank<br />
PIERBURG INSIDE: 1994 präsentierte DaimlerChrysler (Stuttgart)<br />
das erste „New Electric Car“ (Necar), einen Kleintransporter, der bis unters<br />
Dach mit Apparaten und Meßgeräten vollgestopft war. Mittlerweile<br />
paßt die gesamte Technik in den Motorraum eines A-Klasse-Modells.<br />
Beim „Necar 4“, der unter anderem mit einem Luftmassensensor, einer<br />
elektrischen Wasserpumpe, Sicherheitssensoren und Ventilen der <strong>Pierburg</strong><br />
GmbH (Neuss) ausgestattet ist, finden bequem fünf Personen mit<br />
Gepäck Platz. Der kompakte Brennstoffzellen-Antrieb ist im Unterboden<br />
des A-Klasse-Modells untergebracht. Insgesamt sind 320 Zellen zu zwei<br />
„Stacks“ zusammengefaßt, die eine Leistung von 70 Kilowatt mit einer<br />
Spitzengeschwindigkeit von 145 Stundenkilometern bringen. Beladen mit<br />
fünf Kilogramm flüssigem Wasserstoff besitzt der „Necar 4“ eine Reichweite<br />
von 450 Kilometern und ist ein echtes „Zero Emission Vehicle“ (Null-<br />
Emissions-Fahrzeug). Als bestes Fahrzeugkonzept für die Zukunft erhielt<br />
der „Necar 4“ bereits 1999 die Auszeichnung “International Engine of the<br />
Year“. Spätestens 2004 will DaimlerChrysler die erste Kleinserie von<br />
Brennstoffzellen-Autos auf den Markt bringen.<br />
Composing: frei-stil digitale Bildgestaltung<br />
Systemkompetenz im Brennstoffzellen-Fahrzeug: Insgesamt fünf Produktgruppen werden im Bereich der alternativen<br />
Antriebe bei der <strong>Pierburg</strong> GmbH in Neuss entwickelt. An welchen Stellen die Ventile, Sensoren, Gebläse,<br />
elektrischen Pumpen und Kompressoren im Pkw zum Einsatz kommen, zeigt die obige Grafik. Geplant ist, zukünftig<br />
ein umfassendes Luftversorgungssystem, bestehend aus einem Kompressor, Luftgebläse, Luftmassensensoren,<br />
Ventilen und der dazugehörigen Elektronik, für einen Brennstoffzellen-Antrieb anzubieten.<br />
Aus Wasserstoff und Luft wird Energie<br />
Brennstoffzellen sind sehr<br />
einfach aufgebaut. Die eigentliche<br />
Zelle besteht aus<br />
drei nebeneinander liegenden<br />
Schichten: Die beiden<br />
äußeren Schichten – Anode und Kathode<br />
– sind die Elektroden, die mittlere<br />
Schicht, eine hauchdünne Trägerstruktur,<br />
ist der Elektrolyt. Dieser besteht,<br />
je nach Brennstoffzellen-Typ,<br />
aus unterschiedlichen Stoffen. Manche<br />
Elektrolyten sind flüssig; andere<br />
sind fest und haben eine Membran-<br />
Struktur. Da eine einzelne Zelle nur<br />
für eine Glühbirne reicht, also ein<br />
sehr niedriges Spannungsniveau besitzt,<br />
werden die Brennstoffzellen je<br />
nach benötigter Spannung aneinander<br />
gestapelt, sozusagen in Reihe geschaltet.<br />
Solch einen Stapel nennt<br />
man „Stack“.<br />
Das Funktionsprinzip der Brennstoffzellen<br />
ist ähnlich einfach wie ihr<br />
Aufbau. Die Brennstoffzelle kehrt den<br />
Prozeß der Elektrolyse um. Während<br />
bei der Elektrolyse Wasser (H2O) mit<br />
Hilfe elektrischer Energie in seine gasförmigen<br />
Bestandteile Wasserstoff<br />
(H2) und Sauerstoff (O2) zerlegt wird,<br />
nimmt die Brennstoffzelle diese beiden<br />
Stoffe und verwandelt sie wieder<br />
in Wasser. Dabei wird theoretisch die<br />
Menge elektrischer Energie wieder<br />
abgegeben, die bei der Elektrolyse<br />
zur Spaltung notwendig war. In der<br />
Praxis führen verschiedene physikalisch-chemische<br />
Prozesse zu geringfügigen<br />
Verlusten. Da die meisten<br />
Brennstoffzellen neben dem Wasserstoff<br />
mit einfacher Luft funktionieren,<br />
muß der Sauerstoff nicht zusätzlich<br />
gespeichert werden.<br />
Für den mobilen Anwendungsbereich<br />
– wie dem Einsatz im Pkw – werden<br />
meist sogenannte „PEM“-Brennstoffzellen<br />
(„polymer electrolyte membrane“<br />
oder „proton exchange membrane“)<br />
verwendet. Die Niedertemperatur-Zellen<br />
weisen bei geringem Gewicht<br />
eine hohe Leistungsdichte auf,<br />
sind flexibel in der Handhabung und<br />
besitzen ein großes Potential für die<br />
Massenfertigung. Daher stehen sie<br />
derzeit im Vordergrund der gesamten<br />
Brennstoffzellen-Entwicklung.<br />
Das grundlegende Arbeitsprinzip<br />
dieser Zellen funktioniert wie folgt: An<br />
der Anode befindet sich der Wasserstoff,<br />
an der Kathode der Sauerstoff.<br />
Bei kontrollierter chemischer Reaktion<br />
werden die Wasserstoffmoleküle<br />
in ihre Bausteine, Elektronen und Protonen,<br />
gespalten. Die entstehenden,<br />
positiv geladenen Wasserstoff-Ionen<br />
(Protonen) wandern durch den für sie<br />
durchlässigen Elektrolyten zur Katho-<br />
de und wollen mit den dort vorhandenen<br />
Sauerstoff-Teilchen zu Wasser<br />
oxidieren. Dazu benötigen sie aber<br />
die negativ geladenen Ionen (Elektronen),<br />
die vorher an der Anode abgegeben<br />
wurden. Da der Elektrolyt einen<br />
Isolator darstellt, durch den sich<br />
die Elektronen nicht bewegen können,<br />
suchen sie sich einen anderen<br />
Weg zur Kathode. Sie laufen über den<br />
elektrischen Leiter, der beide Seiten<br />
miteinander verbindet: es fließt ein<br />
nutzbarer, elektrischer Strom. Dieser<br />
Prozeß läuft kontinuierlich ab, solange<br />
ausreichend Wasserstoff und Sauerstoff<br />
an Anode und Kathode zur Verfügung<br />
stehen. Die Betriebstemperatur<br />
in den Brennstoffzellen beträgt 80<br />
bis100 Grad; als Abfallprodukt bleibt<br />
Wasser, das als reiner Dampf entweicht.<br />
Ökologisch gesehen ist die Brennstoffzelle<br />
eine der umweltfreundlichsten<br />
Pkw-Antriebsformen. Jedoch ist<br />
die Energiebilanz von der Gewinnung<br />
des Kraftstoffs bis hin zu seiner Verwendung<br />
im Fahrzeug erst dann wirklich<br />
emissionsfrei, wenn der notwendige<br />
Strom für die Elektrolyse – die<br />
Herstellung des Wasserstoffs – langfristig<br />
aus regenerativen Energien wie<br />
Wasser-, Windkraft oder Sonnenenergie<br />
stammt. cw