SZ 01/2005-Druck - Senioren Zeitschrift Frankfurt
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<strong>Senioren</strong> kennen das Problem. Zu<br />
klein gedruckte Beschriftungen oder<br />
Symbole auf Produkt oder Verpackung<br />
sowie eine grundsätzlich zu komplizierte<br />
Erklärung wurden ebenfalls von<br />
mehr als 50 Prozent kritisiert.<br />
Im Grunde alles Dinge, die auch<br />
jüngere Menschen verärgern. Wer<br />
kennt sie nicht, die tückischen Mini-<br />
Milchportionen, bei deren Öffnungsversuchen<br />
einem in zwei von drei<br />
Fällen die Milch um die Ohren spritzt,<br />
anstatt in der Kaffeetasse zu landen?<br />
Es gibt allerdings sehr wohl Hilfsmittel,<br />
mit denen all diese Tücken überwindbar<br />
sind. Man findet sie beispielsweise<br />
in Fachgeschäften wie dem<br />
Senio-Fachhandel für <strong>Senioren</strong> (siehe<br />
S. 6). Das Problem: Viele <strong>Senioren</strong><br />
wissen nichts von ihrer Existenz.<br />
Allerdings ist in umgekehrter Weise<br />
auch der Kunde fortgeschrittenen<br />
Alters für viele Produktentwickler das<br />
große unbekannte Wesen. Gerhard<br />
Naegele vom Institut für Gerontologie<br />
an der Uni Dortmund wies in einem<br />
Vortrag anlässlich der Fachtagung<br />
„<strong>Senioren</strong>gerechte Produkte und<br />
Dienstleistungen“ darauf hin, dass<br />
„nach wie vor Unsicherheit und Unkenntnis<br />
bei Anbietern von Produkten<br />
und Dienstleistungen hinsichtlich der<br />
Erwartungen, der Bedürfnisse und der<br />
finanziellen Möglichkeiten“ älterer<br />
Kunden bestehe. Eine besonders<br />
wichtige Funktion wies der Fachmann<br />
dem Verbraucherschutz zu. Wegweisend<br />
sei etwa das von der Deutschen<br />
Gesellschaft für Gerontotechnik in<br />
Zusammenarbeit mit der TÜV Rheinland<br />
Product Safety GmbH entwickelte<br />
Prüfsiegel „Komfort und Qualität“.<br />
Enge Gänge, unlesbare<br />
Etiketten<br />
Doch nicht nur die Produkte gehen<br />
vielfach an den Bedürfnissen älterer<br />
Verbraucher vorbei. Obwohl Begriffe<br />
wie „Silver Market“ immer häufiger<br />
fallen, sind die Einkaufsbedingungen<br />
vor Ort oft alles andere als ideal.<br />
Zugänge zu Supermärkten und Einzelhandelsläden<br />
sind nicht barrierefrei<br />
gestaltet, die Gänge zu schmal,<br />
sodass ältere Menschen mit Gehhilfe<br />
oder Rollstuhl Probleme haben sich<br />
fortzubewegen. Das Warenangebot<br />
ist unübersichtlich, Ware im oberen<br />
Teil der Regale unerreichbar. Personal<br />
Auch einige Versicherungen haben<br />
spezielle Angebote für <strong>Senioren</strong> .<br />
Foto: FKK, Hoffmann<br />
ist nicht in genügendem Umfang vorhanden,<br />
Beratung fehlt.<br />
Es gibt Ausnahmen. Positivbeispiele,<br />
wie der erst vor wenigen Monaten<br />
eröffnete <strong>Senioren</strong>supermarkt „Neukauf<br />
50+“ im bayrischen Bad Füssing.<br />
Von wegen Einkaufswagen, deren<br />
Rollen klemmen oder bocken – hier<br />
lassen sie sich besonders leicht schieben<br />
und sind zudem mit Sitzgelegenheiten<br />
für die Verschnaufpause zwischendurch<br />
versehen. Gänge sind<br />
breiter gestaltet, und bei den Preisetikettierungen<br />
wurde sorgsam darauf<br />
geachtet, dass die Ziffern größer<br />
sind als gewöhnlich. Damit es keine<br />
Probleme beim Entziffern des Kleingedruckten<br />
gibt, hängen an den Regalen<br />
Lupen. Für den Fall, dass einem älteren<br />
Kunden im Sommer bei Hochtemperaturen<br />
womöglich schwindelig<br />
wird, verfügt der Supermarkt sogar<br />
über einen Ruheraum.<br />
Auch Metro bemüht sich in seinen<br />
„Future Stores“ im Ruhrgebiet um<br />
ältere Kundschaft, in Chemnitz hat die<br />
Edeka-Gruppe erst dieses Jahr eine<br />
seniorengerechte Filiale eröffnet.<br />
Nicht nur <strong>Senioren</strong> begrüßen Angebote<br />
dieser Art. Was alten Menschen<br />
den Einkauf erleichtert, tut automatisch<br />
auch jüngeren Verbrauchern gut.<br />
Der Laden vor Ort<br />
macht dicht<br />
Mit einem entscheidenden Grundproblem<br />
jedoch sieht sich Jung und<br />
Alt gleichermaßen konfrontiert. Immer<br />
mehr Stadtteile beklagen ein<br />
Ladensterben. Der Metzger von nebenan,<br />
mit dem man so schön klönen<br />
konnte, hat dicht gemacht, weil die<br />
Mieten gestiegen sind. Der kleine<br />
Supermarkt von gegenüber hielt der<br />
Konkurrenz der Großen am Stadtrand<br />
nicht Stand. Ärgerlich für alle, eine<br />
mittlere Katastrophe für ältere alleinlebende<br />
Menschen mit eingeschränkter<br />
Mobilität.<br />
Doch zurück zum Trend <strong>Senioren</strong>wirtschaft.<br />
Die Wirtschaft hat es erkannt,<br />
die Politik ebenfalls. „Wer auf<br />
Gewinn setzt, muss Ältere als Kunden<br />
gewinnen!“, sagte Peter Ruhenstroth-<br />
Bauer, Staatssekretär im Bundesseniorenministerium,<br />
im April zum<br />
Thema „Potenziale der <strong>Senioren</strong>wirtschaft“.<br />
Langfristig, so Ruhenstroth-<br />
Bauer, werden nur jene Wirtschaftsregionen<br />
einen Vorteil haben, „die<br />
sich gezielt auf ältere Menschen als<br />
Kunden einstellen“.<br />
Chance für die Gesellschaft<br />
Diese Botschaft hat mittlerweile<br />
auch die deutschen Finanzdienstleister<br />
erreicht. Der Berliner Versicherer<br />
Ideal etwa bietet Versicherungspolicen<br />
an, die spezielle Altersrisiken absichern.<br />
So gibt es eine Police, die bei<br />
Einstufung in die höchste Pflegestufe<br />
sämtliche Kosten übernimmt, eine auf<br />
die Verletzungsrisiken von <strong>Senioren</strong><br />
abgestimmte spezielle Unfallversicherung,<br />
eine Bestattungsvorsorge<br />
sowie eine Sterbegeldversicherung.<br />
Auch die KarstadtQuelle-Versicherung<br />
oder die Allianz-Gruppe haben<br />
sich auf <strong>Senioren</strong> eingestellt.<br />
Bemerkenswert ist der arbeitsmarktbelebende<br />
Effekt der <strong>Senioren</strong>wirtschaft:<br />
Allein in Nordrhein-Westfalen<br />
sind von 1999 bis 2002 über die<br />
Schaffung seniorengerechter Angebote<br />
rund 12.300 neue Arbeitsplätze entstanden.<br />
Bis 2<strong>01</strong>5 rechnet man mit bis<br />
zu 100.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen.<br />
Zahlen, die dem Argument, der<br />
demografische Wandel belaste ausschließlich<br />
das soziale System der<br />
Bundesrepublik, eindeutig den Wind<br />
aus den Segeln nehmen. Dafür spricht<br />
auch, dass der Altenbericht, den das<br />
Bundesfamilienministerium Mitte<br />
<strong>2005</strong> vorlegen will, unter der<br />
Thematik „Potenziale des Alters in<br />
Wirtschaft und Gesellschaft“ steht.<br />
Annette Wollenhaupt<br />
<strong>SZ</strong> 3/<strong>2005</strong><br />
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