04.01.2013 Aufrufe

Andreas Freitäger

Andreas Freitäger

Andreas Freitäger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wolfgang Müller<br />

Mit einem biographischen Beitrag zu dem hier nahezu seit der Universitätsgründung<br />

wirkenden Mediävisten Eugen Meyer und früheren Staatsarchivdirektor<br />

in Münster knüpfe ich an das Forschungsfeld des 75. Deutschen<br />

Archivtages in Stuttgart 11 2005 an, da ich anhand seiner ausführlichen<br />

Briefe an seinen in der NS-Zeit verfolgten, in die USA emigrierten<br />

Freund Ernst Posner Meyers Berufung von Berlin nach Saarbrücken im<br />

Zeichen der damaligen Berliner Blockade beleuchtet habe und Ihnen daraus<br />

auch zwei prägnante Zitate nicht vorenthalten möchte: „Wir wissen<br />

zwar, daß ein Niederreißen von Bildungsgrenzen allein nicht genügt, um<br />

der Menschheit den Frieden zu bringen. Wir sind aber der Meinung, daß<br />

irgendwo angefangen werden muß, die Grenzzäune einzureißen, die ein<br />

verbohrter Nationalismus in den Gehirnen so vieler Menschen errichtet<br />

hat.“ Und an anderer Stelle: „Aber da unten ist eben die Heimat. Ich habe,<br />

wenn es sehr gut geht, noch etwa 20 Jahre zu leben, und diese Jahre möchte<br />

ich mit Ludwig dem Frommen und mit Reisen nach Paris an die<br />

Bibliothèque Nationale und nach Straßburg und Dijon ausfüllen, das ist<br />

sinnvoll – nach Magdeburg und Prenzlau zu reisen, hat keinen Sinn. Dazu<br />

kommt, daß das, was wir hier seit 1943 durchgemacht haben, so schwer ist,<br />

daß man nicht mehr daran erinnert sein möchte, dazu, wie gesagt, die heimatlichen<br />

Wiesen und Kartoffeläcker.“ 12<br />

Eine weitere Edition in Buchform werde ich hoffentlich in einiger Zeit<br />

abschließen können: Die Edition autobiographischer Aufzeichnungen<br />

und Texte zur Saarfrage aus dem Nachlass des belgischen Soziologen<br />

Georges Goriely, der 1921 in Berlin als Sohn einer polnischen Mutter und<br />

eines russischen Vaters geboren wurde und 1926 nach Brüssel kam, wo er<br />

an der Université Libre 1942 den „docteur en droit“ und 1949 den „docteur<br />

en philosophie“ erwarb, sich während der deutschen Besetzung in verschiedenen<br />

Wohnungen verbarg und sich im „Comité de Défense des Juifs“<br />

11 Vgl. inzwischen: Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus. 75. Deutscher<br />

Archivtag 2005 in Stuttgart. (Tagungsdokumentation zum Deutschen Archivtag<br />

Bd. 10) Essen 2007.<br />

12 Vgl. bislang Wolfgang Müller: „Eine Pflegestätte des Geistes“ (wie Anm.1), S. 287-299.<br />

Zitate S. 291 und 293. Eine weitere Publikation zum Briefwechsel Meyer – Posner ist<br />

geplant.<br />

28 Universitätsreden 73<br />

Zw ischen Nancy, AStA und ESG und im „Aktenurw ald“<br />

engagierte. Politisch zunächst in der linkssozialistisch-trotzkistisch inspirierten<br />

Bewegung beheimatet, wandte er sich ernüchtert durch Trotzkijs<br />

Schicksal, die Moskauer Schauprozesse und den Hitler-Stalin-Pakt ab und<br />

wurde auch als Mitherausgeber der Ende 1944 gegründeten „Cahiers socialistes“<br />

zum überzeugten europäischen Föderalisten, agierte als Publizist<br />

und nahm Ende August 1947 am wegweisenden Kongress der Union<br />

Européenne des Fédéralistes in Montreux teil. Von 1953 bis 1963 begründete<br />

er das hiesige Soziologische Institut, und zum Kreis seiner Schüler<br />

gehört der damalige Saarbrücker Habilitand Ralf Dahrendorf. 13 Kann<br />

man aufgrund der zuletzt beschriebenen Arbeiten von einem besonderen<br />

Dokumentationsziel „Sicherung von Unterlagen zu biographischen Netzwerken“<br />

sprechen?<br />

Nach diesem aktuellen Publikationsbericht wende ich mich im zweiten<br />

Teil konkreter dem Tagungsthema zu und erinnere in diesem Zusammenhang<br />

an die in einem Arbeitskreis unter anderem mit den Kollegen Speck<br />

und Wischnath erarbeiteten Registratur-, Bewertungs- und Erschließungsempfehlungen<br />

von Krankenakten 14 oder die Zusammenarbeit mit dem<br />

Kollegen Plassmann im archivübergreifenden VdA-Arbeitskreis „Archivische<br />

Bewertung“, der mit seinen „Positionen zur archivischen Überlieferungsbildung“<br />

gleichermaßen Bewährtes fixiert und neue Perspektiven<br />

eröffnet. 15 Neue Perspektiven vielleicht auch für uns, die wir uns meist<br />

unter dem Diktat enger Zeitpläne, überaus knapper personeller und materieller<br />

Ressourcen und im Spagat zwischen den eigentlichen Kernaufgaben,<br />

13 Vgl. ebd. S. 300-301.<br />

14 Vgl. Wolfgang Müller / Dieter Speck: Empfehlungen für die Schriftgutverwaltungen<br />

der Kliniken und Institute mit Aufgaben der Krankenversorgung, in: Der Archivar 50,<br />

Heft 3 (1997), S. 563-570; Michael Wischnath: Einführung zu den Bewertungs- und<br />

Erschließungsempfehlungen für Krankenakten, in: der Archivar 51, Heft 2 (1998),<br />

S. 233-244.<br />

15 Vgl. unter anderem bilanzierend Frank M. Bischoff / Robert Kretzschmar (Hrsg.):<br />

Neue Perspektiven archivischer Bewertung. Beiträge zu einem Workshop der Archivschule<br />

Marburg 15.November 2004. (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg –<br />

Institut für Archivwissenschaft Nr. 42) Marburg 2005.<br />

16 Vgl. Heinrich Otto Meisner: Schutz und Pflege des staatlichen Archivgutes unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Kassationsproblems, in: Archivalische Zeitschrift 45<br />

(1939), S. 46.<br />

Universitätsreden 73 29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!