04.01.2013 Aufrufe

Andreas Freitäger

Andreas Freitäger

Andreas Freitäger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Werner Lengger<br />

Ein ausgeprägtes Interesse insbesondere der Forschung, aber auch der<br />

Wirtschaft, an den Prüfungsarbeiten darf also durchaus unterstellt werden.<br />

Die in der Praxis daraus resultierende Nachfrage muss in das Bewertungsverfahren<br />

als gewichtiges Kriterium einfließen. 13 Die Universitätsarchive<br />

bzw. gegebenenfalls die Universitätsbibliotheken stehen entsprechend in<br />

der Pflicht, den Benutzungswünschen potentieller Interessenten – selbstverständlich<br />

innerhalb des hier relativ engen Rahmens der archivgesetzlichen<br />

Bestimmungen – entgegenzukommen.<br />

Den Arbeiten kommt aber auch ein weiterer archivischer Wert zu, den<br />

ich in Anlehnung an Schellenberg als Evidenzwert bezeichnen möchte.<br />

Hier sind wiederum verschiedene Bereiche anzusprechen, die alle der<br />

Dokumentation einzelner Aspekte dienen, die aus der Sicht eines Universitätsarchivs<br />

als relevant eingestuft werden können. So sind die Arbeiten<br />

etwa dazu geeignet, die Art und Qualität studentischer Prüfungsarbeiten<br />

in den verschiedenen Studienfächern im zeitlichen Ablauf abzubilden.<br />

Aus meiner Sicht aber fast noch wichtiger ist die Möglichkeit, mit ihnen<br />

Forschungsschwerpunkte und auch inhaltliche Standpunkte von Professoren,<br />

Instituten und Fakultäten abzubilden. Nicht selten werden derartige<br />

Arbeiten im Rahmen größerer Forschungsprojekte oder bestimmter<br />

Forschungsschwerpunkte vergeben. Anhand der Prüfungsarbeiten lässt<br />

sich einerseits zeigen, inwieweit die Verfasser Einflüsse und Meinungen<br />

ihrer akademischen Lehrer aufnehmen; nicht selten profitieren aber auch<br />

die Professoren von den Forschungen ihrer Schüler, so dass auch ein gewisser<br />

Wissenstransfer in der umgekehrten Richtung zu unterstellen ist. Die<br />

Prüfungsarbeiten können insofern durchaus als Quellen für universitätsund<br />

wissenschaftsgeschichtliche Forschungen dienen. Das insbesondere in<br />

den letzten Jahren stark gestiegene Interesse verschiedener Wissenschaftsdisziplinen<br />

an der Geschichte ihres Faches wird sich auch auf die Prüfungs-<br />

nachgedacht, um den Zugang zu den darin dokumentierten Forschungsergebnissen<br />

weiter zu erleichtern.<br />

13 So erreichen etwa das Universitätsarchiv Augsburg jährlich zahlreiche diesbezügliche<br />

Anfragen, die dank der weit vorangeschrittenen archivischen Erschließung mittlerweile<br />

in vielen Fällen positiv beantwortet werden können. Diese relativ große Nachfrage war<br />

auch eines der ausschlaggebenden Kriterien für die Entscheidung, im Universitäts-<br />

182 Universitätsreden 73<br />

Bew ertung v on Prüfungsarbeiten im Univ ersitätsarchiv Augsburg<br />

arbeiten als wissenschaftsgeschichtliche Quellen richten, sofern die Universitätsarchive<br />

und -bibliotheken diese Quellengruppe nicht aus den Augen<br />

verlieren. 14 Nicht zu vernachlässigen ist sicherlich auch der personengeschichtliche<br />

Aspekt, auch wenn nicht aus jedem Studenten ein Nobelpreisträger<br />

werden kann.<br />

Als gravierendes Problem für die Ermittlung des bleibenden Werts einer<br />

Arbeit stellt sich in der Praxis die in sehr vielen Fällen fehlende fachliche<br />

Kompetenz des Archivars dar. Als Historiker, der er in der Regel ist, stößt<br />

er naturgemäß auf große Schwierigkeiten, soll er über Arbeiten aus ihm<br />

gänzlich fremden Wissenschaftsdisziplinen urteilen. Da liegt der Gedanke<br />

nahe, zu diesem Zweck den an der Universität vorhandenen Sachverstand<br />

„anzuzapfen“. In dem Fall, mit dem sich das Universitätsarchiv Augsburg<br />

vor einiger Zeit konfrontiert sah, ging es um die Bewertung von rund 120<br />

lfm Diplomarbeiten aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Unser<br />

Ansinnen, die Fachleute aus der Fakultät in die Bewertung der bereits im<br />

Archiv verwahrten Arbeiten einzubinden, wurde relativ kühl zurückgewiesen.<br />

Statt dessen empfahl der Fachbereichsrat einstimmig, die Diplomarbeiten<br />

aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät vollständig zu kassieren.<br />

Mangels Alternativen haben wir nun begonnen, nach und nach die<br />

Diplomarbeiten zu kassieren, sofern die rechtlichen Aufbewahrungsfristen<br />

abgelaufen waren. Um jedoch nicht einen kompletten Überlieferungsstrang<br />

zu verlieren, wurden zunächst 10 Prozent der Arbeiten, die in Form<br />

einer Zufallsstichprobe ausgewählt wurden, zurückbehalten. Gerade im Bereich<br />

der Wirtschaftswissenschaften ist die schiere Menge an Prüfungsarbeiten<br />

freilich so enorm, dass selbst die Überlieferung einer Stichprobe<br />

von 10 Prozent mit Blick auf die hierfür erforderliche Lagerkapazität zu<br />

einem Problem zu werden droht. Es kann sich daher unter Umständen die<br />

Notwendigkeit ergeben, diese Stichprobe noch weiter zu verringern.<br />

archiv Augsburg im Bereich der Prüfungsarbeiten eine relativ dichte Überlieferung<br />

anzustreben.<br />

14 Möglichkeiten und Wege eines institutionengeschichtlichen Zugangs anhand von<br />

Prüfungsarbeiten zeigt Reimund Haas: „Der von der Kirche bezeugte Glaube und die<br />

Wirklichkeit des Menschen“. 25 Jahre überdiözesanes Studienhaus St. Lambert am<br />

Beispiel der theologischen Abschlußarbeiten, in: ders. (Hrsg.): Wege zum Priestertum:<br />

25 Jahre überdiözesanes Studienhaus St. Lambert. Grafschaft 1997, S. 57-78.<br />

Universitätsreden 73 183

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!