Andreas Freitäger
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Sabine Brenner-Wilczek<br />
es sehr verschiedene Begriffe des Rheinischen geben kann, die jeweils auf<br />
unterschiedliche Gruppen, Zeiten und auch Räume bezogen sein können.<br />
Für die Überlieferungsbildung des Rheinischen Literaturarchivs sind diese<br />
Forschungen von großer Relevanz. Anzusetzen ist auf der mittleren Ebene<br />
eines Dokumentationsprofils. 10 Dies bedeutet, das Rheinische Literaturarchiv<br />
bewahrt die Überlieferung der Protagonisten und Institutionen<br />
des literarisch-kulturellen Handelns auf. Es dokumentiert literarisches<br />
Leben in einer Region. 11 Damit sieht sich das Rheinische Literaturarchiv<br />
einem weit gefassten Literaturbegriff verpflichtet, ganz im Sinne von<br />
Renate von Heydebrands Konzept eines „literarischen Subystems“. Drei<br />
grobe Eckpunkte können an dieser Stelle festgehalten werden:<br />
1. Es gilt, den Sammelfokus auch auf Autorengruppen und literarisch-kulturelle<br />
Gesellschaften zu richten. Durch ihre Aktivitäten haben sie ein<br />
spezifisches Verständnis des „Rheinischen“ propagiert und das kulturelle<br />
Leben der Region bestimmt.<br />
2. Literatur- und Kulturzeitschriften, auch Fanzines und Underground-<br />
Zeitschriften, sind wichtige kulturelle Speichermedien. In den Nachlassbibliotheken<br />
der Herausgeber und Mitarbeiter sollten diese verstärkt<br />
bewahrt und, falls möglich, kontinuierlich ergänzt werden.<br />
3. Kleine Verlagsarchive mit ihren regional wirksamen Publikationen sollten<br />
auch gesammelt werden. Insbesondere aus den Sammelschriften und<br />
den sie begleitenden Briefwechseln, Einladungskarten zu Buchvorstellungen<br />
und Lesungen u.Ä. ergibt sich ein gutes Bild der persönlichen<br />
und institutionellen Verflechtungen in einer Region.<br />
Dokumentationsziele sind jedoch immer „Work in progress“, benötigen<br />
Werkstattberichte, die Kretzschmar „Motivenberichte“ nennt, und den<br />
10 Hierfür hat Max Plassmann in seinem Beitrag auf der Saarbrücker Tagung zu Recht<br />
plädiert.<br />
11 Die Frage, was dann im geographischen Sinne als „rheinisch“ verstanden werden kann,<br />
ist damit aber noch nicht geklärt. Bei Projekten des Rheinischen Literaturarchivs, beispielsweise<br />
bei dem Internetportal „www.rheinische-literaturnachlaesse.de“, hat man<br />
die Grenzen des Landschaftsverbandes Rheinland zugrunde gelegt.<br />
136 Universitätsreden 73<br />
Archiv e im Wandel<br />
gegenseitigen Austausch. Der alte Booms’sche Ansatz, dazu einen runden<br />
Tisch mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu bilden, ist sicher<br />
nicht praktikabel. Nicht zu Unrecht hat man Booms polemisch geantwortet:<br />
„Wieviel Zeit sollen da wieviel Leute in endlosen Sitzungen miteinander<br />
verbringen und derweilen keinen praktischen Ansatz leisten können?“<br />
12 Es wird eine zukünftige Aufgabe sein, den großen Runden Tisch<br />
durch ein besseres Konzept zu ersetzen.<br />
Dabei bietet sich aus der Sicht des Heine-Instituts ein regional zentriertes<br />
Vorgehen an. Das Rheinische Literaturarchiv versteht sich als Service-<br />
Instanz zwischen der oft zu versteckten lokalen und der zu ausufernden<br />
nationalen bzw. internationalen Ebene. Es vermittelt Informationen zwischen<br />
den einzelnen Archiven und den Benutzern und macht mit dem<br />
Internetportal Literarische Nachlässe in rheinischen Archiv en und der E-Zine<br />
w w w .literatur-archiv -nrw .de entsprechende Service-Angebote.<br />
In einer Workshop-Sitzung im Sommer 2006 hat das Heine-Institut die<br />
Gründung einer Arbeitsgruppe zum Thema Kulturelle Überlieferung auf<br />
regionaler Ebene angeregt, um im Mikrokosmos der Region das kulturelle<br />
Subystem nachzeichnen zu können. Zunächst ist ein Zusammenschluss<br />
der Archivare wichtig, aber auch eine Rückkoppelung an die Forschung ist<br />
nicht zu vernachlässigen. Zwar sehen die Archivgesetze keine Abstimmung<br />
mit der Forschung vor, aber, um hier wiederum Kretzschmar zu zitieren:<br />
„Sie ist auch nicht verboten!“ Daher veranstaltete das Rheinische Literaturarchiv<br />
im Heinrich-Heine-Institut mit Unterstützung des Landschaftsverbandes<br />
Rheinland im Herbst 2006 eine Tagung zum Thema<br />
Kulturelle Überlieferung. Vereine, Verbände, Gesellschaften, um Archivare und<br />
Forscher zu einem gemeinsamen Diskurs anzuregen. Ein zweiter Teil des<br />
Kolloquiums zum Thema Literarisches Leben ist im Jahr 2007 gefolgt. 13<br />
12 Gerhard Granier: Die archivische Bewertung von Dokumentationsgut – eine ungelöste<br />
Aufgabe, in: Der Archivar 27 (1974), S. 231-240, hier: S. 239.<br />
13 Vgl. zu dem vom Landschaftsverband Rheinland geförderten Gesamtprojekt: Enno<br />
Stahl: Literarisches Leben am Rhein. Quellen zur literarischen Infrastruktur im Rheinland<br />
(Beitrag vom 19.5.2006).<br />
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