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Andreas Freitäger

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Klaus Nippert<br />

lichen Gründen Zugänge über viele Jahre nur durch eine provisorische<br />

Abgabeliste erschlossen verbleiben. Wir dürfen aber auch nicht verkennen,<br />

dass sich gegenwärtig mit der Digitalisierung der Findmittel auf der Ebene<br />

der Titelaufnahmen und ihrer bald stark ausgedehnten Online-<br />

Präsentation eine Entwicklung vollzieht, die ,ungehobene Schätze‘ fragwürdiger<br />

macht als bisher. Wenn gerade anspruchsvolle und daher besonders<br />

willkommene Archivbenutzer dazu übergehen, ihre Forschungsprojekte<br />

danach zu konzipieren, wo geeignetes Archivgut online nachweisbar<br />

ist, werden Archive, deren Findmittel den Weg auf fremde<br />

Bildschirme nicht gefunden haben, ein Nachsehen haben. Gut denkbar,<br />

dass sich die Benutzer auf Archive mit online erreichbaren Findmitteln<br />

konzentrieren und in einer – im Bibliothekswesen schon geläufigen –<br />

,Now-or-never-Mentalität‘ dasjenige außen vor lassen, was nicht frühzeitig<br />

in die Projektplanung Eingang findet. Man kann deshalb fragen, ob ein<br />

großer Anteil unerschlossener Bestände nicht als Malus wirksam wird.<br />

Natürlich ist es zu früh, um einzuschätzen, wieviel nicht online erschlossenes<br />

Material sich ein Archiv wird leisten können. Dass wir uns immer<br />

weiter von Verhältnissen wegbewegen, in denen es vielleicht genügt, wenn<br />

Archivare das Wissen um ihre Bestände im Kopf und in provisorischen<br />

Listen speichern, scheint mir aber ebenso überzeugend wie der Gedanke,<br />

dass auch die Erschließungskapazität eine Archivs ein legitimes<br />

Bewertungskriterium sein kann.<br />

Papierzerfall, knapper Magazinraum und eine wohl zunehmende Problematik<br />

von Erschließungsrückständen könnten als Stichworte eigentlich<br />

genügen, um zu begründen, weshalb archivische Bewertung nicht nur als<br />

die nach absoluten Wertkriterien gefällte Entscheidung zwischen ARCHIV-<br />

WÜRDIG und KASSABEL zu denken ist, sondern auch als ein Prozess,<br />

der integriert ist in das materielle Koordinatensystem des Archivs – eben<br />

in Ansehung der Mittel für Bestandserhaltung, Magazinraum und Bearbeitungskapazitäten.<br />

Natürlich findet und fand diese Integration schon immer in irgendeiner<br />

Weise statt – oft wohl mit der Präzision des Augenmaßes, mal mehr, mal<br />

weniger genau. Man kann hier eine Parallele zu dem sprichwörtlichen<br />

,Fingerspitzengefühl‘ in der Bewertungsdiskussion seit der ersten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts ziehen. Gegen Forderungen nach Methodik und<br />

50 Universitätsreden 73<br />

Integrierte Bew ertung<br />

Nachvollziehbarkeit der Einzelentscheidung hat sich das Schlagwort des<br />

Fingerspitzengefühls nicht behauptet. Und für die Fortführung einer<br />

durch Augenmaß integrierten Bewertungspraxis spricht nicht eben die Tatsache,<br />

dass in den zurückliegenden Jahrzehnten – so erfreulich der Zuwachs<br />

an Planstellen im Archivwesen auch gewesen ist – mancher Wechsel<br />

auf eine Zukunft gezogen wurde, die sich für Archive weniger komfortabel<br />

als bisher zu gestalten scheint.<br />

Wenn wir gegenüber einem Archivträger, der eine Präzisierung unseres<br />

Betriebskonzepts erwartet, darauf bestehen, die Bewertungsentscheidung<br />

nach wie vor durch Augenmaß in unsere materiellen Gegebenheiten einzupassen,<br />

werden wir mindestens Punkte vergeben, uns vielleicht sogar im<br />

Korsett einer vorgeschriebenen Übernahmequote wiederfinden. Wie sehr<br />

der bereits angesprochene Präzedenzfall einer einprozentigen Quote für<br />

das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen als Muster für Archive der Fachgruppe<br />

8 geeignet ist, mag eine jede und ein jeder bei sich ermessen. Ich<br />

glaube, wir wären gut beraten, wenn wir uns die Vorteile einer selbständigen<br />

Besetzung des Themas sicherten.<br />

Die Bestimmung eines nach Prioritäten gewichtenden Dokumentationsziels<br />

kann hier schon deshalb helfen, weil so eine genauere Übersicht über<br />

die Arbeitsstrecke entstünde und die Einschätzung erleichtert würde, in<br />

welchem Grad die gesteckten Ziele mit den verfügbaren Mitteln zu erreichen<br />

sind. Gegenüber Bestrebungen zur Mittelkürzung könnte ein solches<br />

Instrument eingesetzt werden, um einsichtig zu machen, dass schon die<br />

bisher verfügbaren Mittel kaum für den langfristigen Erhalt unverzichtbarer<br />

Informationen ausreichen und welche Einschnitte bei der Umsetzung<br />

von Sparmaßnahmen unumgänglich wären.<br />

Welche Funktion können Dokumentationsziele haben? Sicherlich geht<br />

es hier zu einem großen Teil darum, den unausgesprochenen Konsens bewusst<br />

und reflektierbar zu machen, ohne aber Unvorhergesehenes auszuschließen<br />

und ohne individuelle Prioritätensetzungen zu diskreditieren.<br />

Auf keinen Fall aber sollte ein Dokumentationsziel die Reduktion auf ein<br />

Minimalprogramm legitimieren.<br />

Unverzichtbare Bestandteile eines Überlieferungsplans wären sicherlich<br />

vollständige Informationen über:<br />

Universitätsreden 73 51

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