Domschule - Der Kessener
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Würzburg<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kessener</strong> vor ORT eine aktuelle Reihe<br />
Ein ganz normaler Tag<br />
Prof. Dr. Christina Kohlhauser-Vollmuth,Chefärztin<br />
der Kinderklinik<br />
am Mönchberg und Ihr<br />
Team meistern täglich<br />
das Unmögliche<br />
Könnten Sie kurz etwas zu Ihren drei Positionen als Klinikleiterin,<br />
Chefärztin und als Mensch sagen?<br />
<strong>Der</strong> Mensch wurde 1961 in der Steiermark/Österreich geboren.<br />
Nach dem Studium erfolgte die Ausbildung zur Fachärztin für<br />
Kinder- und Jugendmedizin mit besonderem Schwerpunkt<br />
Früh- und Neugeborenenintensivmedizin an der Universitätskinderklinik<br />
Wien.<br />
Schon während des Studiums und der Ausbildung hat mich<br />
das menschliche Gehirn fasziniert. Meine wissenschaftliche<br />
Ausbildung an der Universität Wien und am Karolinska Institut<br />
in Stockholm war daher dem Thema „Auswirkungen des Sauerstoffmangels<br />
während der Geburt auf das kindliche Gehirn“<br />
gewidmet.<br />
Mein Wunsch nach beruflicher Veränderung und meine persönliche<br />
Vorliebe für Deutschland (mein Mann ist Deutscher)<br />
haben mich schließlich nach Würzburg geführt, wo ich seit<br />
Oktober 2002 als Chefärztin der Kinderklinik am Mönchberg<br />
tätig bin.<br />
Daneben war ich von April 2005 bis April 2010 Ärztliche Direktorin<br />
der Missionsärztlichen Klinik.<br />
Während dieser Zeit hat die Kinderklinik am Mönchberg 2008<br />
ihr 100 – jähriges Bestehen gefeiert und ist im Juli 2009 nach<br />
zweijähriger Bauzeit in das Hauptgebäude der Missionsärztlichen<br />
Klinik in der Salvatorstrasse umgezogen.<br />
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Wie sieht ein Alltag in der Klinik aus?<br />
Unser Alltag ist je nach Aufgaben- und Verantwortungsbereich<br />
unterschiedlich:<br />
Für uns Ärzte bedeutet es neben den medizinischen Aufgaben<br />
(Befunderhebung, Planung von Diagnostik und Therapie) auch<br />
die Erfassung des psychosozialen Umfeldes unserer Patienten.<br />
Wichtige Voraussetzung für eine gelungene und erfolgreiche<br />
Behandlung ist eine vertrauensvolle Kommunikation und Kooperation<br />
mit – je nach Alter – dem Patienten selbst und seinen<br />
Eltern.<br />
Zusätzlich müssen täglich zeitaufwendige und nicht immer<br />
nachvollziehbar sinnvolle Dokumentationensaufgaben bewältigt<br />
werden.<br />
Geht es täglich um tragische Diagnosen?<br />
Glücklicherweise sind in unserer Klinik „tragische“ Diagnosen<br />
nicht alltäglich.<br />
Dennoch können auch Erkrankungen, die nicht unmittelbar<br />
lebensbedrohlich sind, die Lebensumstände einer Familie dramatisch<br />
verändern und bisherige Lebensplanungen in Frage<br />
stellen.<br />
Hat sich die Krankheitssituation der Kinder in den letzten<br />
Jahren gewandelt?<br />
In den letzten Jahrzehnten erleben wir eine deutliche Abnahme<br />
von schweren und lebensbedrohlichen Krankheiten,<br />
z. B. Infektionskrankheiten. Dies ist u. a. durch eine bessere<br />
medizinische Versorgung, bessere Vorsorgeprogramme incl.<br />
Impfungen, verbesserte Ernährung und Wissen um kindheitsspezifische<br />
Erkrankungen etc. bedingt.<br />
Gleichzeitig kommt es aber bereits im Kleinkindalter zu einer<br />
Zunahme von chronischen Erkrankungen, wie Asthma, Allergien,<br />
Neurodermitis, Essstörungen und Übergewicht, Auffälligkeiten<br />
im Verhalten, in der Aufmerksamkeit und in der<br />
Konzentration.<br />
Unsere Realität bewegt sich zwischen stark idealisierten<br />
Einzelkindern auf der einen Seite und abgelegten Neugeborenen,<br />
unvorstellbaren körperlichen und seelischen Kindesmisshandlungen,<br />
Vernachlässigungen und Verwahrlosung auf<br />
der anderen Seite –Kindheitskatastrophen, die oft stattfinden,<br />
bevor Kindheit überhaupt begonnen hat.<br />
Dies führt zu einer besorgniserregende Zunahme von psychosomatischen<br />
und psychischen Erkrankungen bei Kindern und<br />
Jugendlichen.<br />
Können Sie etwas zum Dialog Ärzte-Kinder – gerade<br />
bei schweren Krankheiten – sagen, losgelöst von den<br />
Erwachsenen?<br />
Grundlage unserer Tätigkeit als Kinder- und Jugendärzte ist<br />
der Aufbau einer ehrlichen, vertrauensvollen und wertschätzenden<br />
Kommunikation mit dem individuellen Patienten.<br />
Wichtigste Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich auf den<br />
jeweiligen Patienten und seine altersspezifischen Bedürfnisse<br />
und Kommunikationsmöglichkeiten einzustimmen.<br />
Wer das Vertrauen des Patienten gewinnt, hat auch das Vertrauen<br />
der Eltern gewonnen.<br />
Denn jeder Patient – unabhängig von seinem Alter – ist mehr<br />
als „die Summe seiner Organe“ . Genesung, Heilung, aber<br />
auch Begleitung, wenn Heilung nicht mehr möglich ist, benötigen<br />
eine ganzheitliche Wahrnehmung des Individuums<br />
als Patient und beanspruchen unser derzeit kostbarstes und<br />
zunehmend rares Gut - unsere Zeit.<br />
Zuletzt auch einige positive Bemerkungen als Abschluss?<br />
Jede Ärztin / jeder Arzt behauptet von seinem Fach, dass es<br />
das interessanteste, schönste und wichtigste sei. Dies gilt für<br />
die Kinder- und Jugendmedizin ganz besonders:<br />
Es gibt kein vergleichbares Fachgebiet in der Medizin, dass<br />
alle Altersstufen vom Frühgeborenen bis zum Jugendlichen<br />
von 18 Jahren betreut. Damit ist eine ungeheure Breite und<br />
riesige Fülle alters- und entwicklungsspezifischer Krankheitsbilder<br />
- immer auch unter Berücksichtigung des psychosozialen<br />
Kontextes – verbunden. Das macht unsere ärztliche Tätigkeit –<br />
trotz allem – von der Gesundheitspolitik zu verantwortenden-<br />
kinderunfreundlichen Rahmenbedingungen in der Klinik immer<br />
noch zu einer schönen und herausfordernden Aufgabe.<br />
B.K.<br />
16 <strong>Der</strong> <strong>Kessener</strong> 3/2010 … der vielleicht umfangreichste Veranstaltungskalender der Region: www.der-kessener.de