Domschule - Der Kessener
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Würzburg<br />
Anni Mechers Schatzkästlein<br />
Am Ostbahnhof in Heidingsfeld wartet ein besonderes<br />
Museum auf seine Entdeckung<br />
Es gehört zu den unbekannten Kultureinrichtungen in Würzburg:<br />
Am Ostbahnhof im Stadtteil Heidingsfeld hat das Museum<br />
der Banater Schwaben seine Zelt aufgeschlagen. Seit nahezu<br />
25 Jahren wird hier die 250-jährige Geschichte jener deutschsprachigen<br />
Bevölkerungsgruppe erzählt, die ins rumänische Banat<br />
gingen, dort gute und sehr schwierige Zeiten erlebten und<br />
in den 1980er Jahren begannen, nach Deutschland zurückzukehren.<br />
Museumsgründerin Anni Mecher gehört zu ihnen.<br />
Vom Zeitpunkt ihrer Ausreise<br />
aus dem rumänischen<br />
Temeswar an war dies ihr<br />
„größter Wunsch“ für ihr<br />
Leben in Deutschland: „Ich<br />
wollte dort ein Museum<br />
gründen.“ Es sollte dazu<br />
dienen, Erinnerungen und<br />
Brauchtum zu bewahren<br />
und der jungen Generation,<br />
die sich, wie Anni Mecher<br />
wusste, schnell integrieren<br />
würde – was sich dann auch<br />
bewahrheitete – von ihrer<br />
Herkunft zu erzählen.<br />
Die Idee stieß auf viel Gegenliebe, nicht nur bei der in München<br />
angesiedelten Landsmannschaft der Banater Schwaben,<br />
die das Museum bis heute unterstützt. Michael Pfeifer, der<br />
damalige Kreisverbandsvorsitzender der Banater Schwaben,<br />
trieb die Idee gleichfalls voran. Auf Anni Mechers Aufruf an<br />
die Landsleute, Trachten für Puppen zu nähen, die das Herzstück<br />
der neuen Kultureinrichtungen bilden sollten, erklärten<br />
sich zahlreiche Frauen zur Mitarbeit bereit.<br />
Die Stadt schließlich stellte das Haus am Ostbahnhof zur Verfügung<br />
- das damals in einem wenig vorzeigbaren Zustand<br />
war. Wer immer dort zuvor gehaust hatte, hinterließ eine<br />
Unmenge Müll, erinnert sich Mecher. Tausend Arbeitsstunden,<br />
die Hälfte von der Jugendgruppe geleistet, waren nötig,<br />
um das 100 Jahre alte, denkmalgeschützte Gebäude Am<br />
Ostbahnhof 20 herzurichten.<br />
Heute sind in Anni Mechers „Schatzkästlein“ zahlreiche<br />
Trachten aus allen Regionen des Banats zu sehen. Welche<br />
Farbenpracht! Welcher Muster- und Formenreichtum! Aus<br />
<strong>Der</strong> Ölbaum<br />
Eichhornstraße 13 ½<br />
97070 Würzburg<br />
Tel. 0931.3539844<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kessener</strong> 3/2010<br />
<strong>Der</strong> kleine<br />
Ölbaum<br />
Untere Maingasse 38<br />
97209 Veitshöchheim<br />
den verschiedensten Städten und Dörfern des Banats stammen<br />
die Trachten, die an etwa halbmetergroßen Puppen zu<br />
bewundern sind. Jede einzelne musste in natura getragen<br />
worden sein: „Entweder von jener Frau, welche die Tracht<br />
nähte, oder einer Verwandten.“ Auch Anni Mecher nähte<br />
eine aufwändige Tracht für ihr Museum. Einen vollen Monat<br />
saß sie daran.<br />
Neben den vor allem im Erdgeschoss ausgestellten Kirchweih-,<br />
Arbeits- und Hochzeitstrachten gibt es mehrere Spinnräder,<br />
fromme Bücher und Schriftdokumente, eine typische<br />
Banaterküche, zwei Hausaltäre und eine „Gute Stube“ aus<br />
dem Banat zu besichtigen. Tafeln zeigen Stammbäume auf,<br />
Poster liefern Daten und Informationen über die bewegte<br />
Geschichte der Banater Schwaben. Die wurden im 18. Jahrhundert<br />
erstmals zum Umsiedeln ins Banat bewegt, um auf<br />
diese Weise ein Bollwerk gegen die Türken zu errichten, erläutert<br />
Anni Mecher in jener lebhaften Art, die allein einen<br />
Museumsrundgang zum Erlebnis werden lässt.<br />
Drei Ausreisewellen gab es. Viele der ersten Auswanderer,<br />
die ab 1722 Deutschland verließen, kamen um - denn die Türken<br />
fielen neuerlich ein. Die zweite Auswanderergeneration<br />
hatte ihre liebe Not, zu überleben. Erst der dritten Gruppe<br />
gelang es, sich eine Existenz aufzubauen, die, auch dies ist<br />
an den Trachten ablesbar, mancherorts großen Wohlstand<br />
bescherte. Perjamosch etwa war so ein reiches schwäbisches<br />
Dorf. Die Tracht, die dort getragen wurde, zeichnet sich<br />
durch besondere Pracht aus.<br />
Lebendig wird das Museum vor allem durch die Geschichten<br />
derjenigen, die zu den Banater Schwaben gehören. Rund 400<br />
Menschen aus Würzburg und Umgebung zählen laut Mecher<br />
zu den Abonnenten der „Banater Post“. Für viele von ihnen<br />
ist das Museum am Ostbahnhof Heimat- und Begegnungshaus.<br />
Hier studiert der Chor seine Lieder ein. Hier werden<br />
Erinnerungen an die wechselhafte Geschichte der Banater<br />
Schwaben ausgetauscht.<br />
Die weist mehrere sehr dunkle Flecken auf. So wurden jüngere<br />
Männer und Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg auf<br />
Anweisung der Russen nach Russland deportiert, wo sie<br />
Aufbauarbeiten zu leisten hatten. Anni Mechers Mutter<br />
war darunter. Dass sie zwei Kinder hatte, spielte keine Rolle.<br />
13 Monate lang war sie weg, Anni wuchs bei der Großmutter<br />
auf: „Ich erinnere mich an jeden einzelnen Tag.“<br />
Pat Christ<br />
Das Museum der Banater Schwaben ist sonntags zwischen 14<br />
und 17 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen. Unter 661009<br />
können Privatbesichtigungen vereinbart werden.<br />
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