68 / 69 <strong>kiss</strong> Britta Mertens / Unterrichtsmaterialien Bildbeispiele B1 Dellbrügge & de Moll Wer e<strong>in</strong>en Stuhl bauen kann, kann auch e<strong>in</strong>e Stadt bauen 2008 B2 Dellbrügge & de Moll Wer e<strong>in</strong>en Stuhl bauen kann, kann auch e<strong>in</strong>e Stadt bauen 2008 5-Kanal-Video Installation <strong>und</strong> Wandbeschriftung, <strong>Kunst</strong> am Bau, Marcel-Breuer-<strong>Schule</strong>, OSZ für Holztechnik, Glastechnik <strong>und</strong> Design, OSZ Bautechnik II, Berl<strong>in</strong>, mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung <strong>der</strong> Künstler, © Dellbrügge & de Moll /VG Bild-<strong>Kunst</strong>
70 / 71 <strong>kiss</strong> Britta Mertens / Unterrichtsmaterialien Materialien B3 Anna Bel<strong>in</strong>da »Ich würde me<strong>in</strong>er Stadt ke<strong>in</strong>en Namen geben. Ich f<strong>in</strong>de, das sollte e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftsentscheidung se<strong>in</strong> zwischen allen Leuten, die da wohnen. Das sollte abgestimmt werden. Je<strong>der</strong> kann e<strong>in</strong>en Vorschlag machen. Aber ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sheriff – also, ich entscheide das nicht, aber ich b<strong>in</strong> trotzdem <strong>der</strong> Sheriff. Im Großen <strong>und</strong> Ganzen ist me<strong>in</strong>e Stadt r<strong>und</strong>, weil das e<strong>in</strong>e schöne geschlossene Form ist. Es gibt e<strong>in</strong>en Stadtkern, <strong>der</strong> ist auch r<strong>und</strong>. Das ist e<strong>in</strong> großer Marktplatz <strong>und</strong> von da aus gehen e<strong>in</strong> paar Straßen ab, wo Wohnblöcke s<strong>in</strong>d, aber alles relativ überschaubar. Man kennt die Nachbarn. Die E<strong>in</strong>kaufssituation wird so se<strong>in</strong>: Es gibt nur kle<strong>in</strong>e Tante-Emma-Läden, es gibt ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kaufszentren o<strong>der</strong> so. Es ist e<strong>in</strong> bisschen selbstversorgermäßig. Vielleicht gibt es auch außerhalb Fel<strong>der</strong>, wo man selber was anpflanzt. Gärten gibt es, richtig, Bäume, ganz viele. Am Stadtrand ist e<strong>in</strong> Wald mit e<strong>in</strong>em See. Der Rhe<strong>in</strong> o<strong>der</strong> irgende<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er schöner Fluss fließt e<strong>in</strong>mal durch die Stadt durch, am Stadtkern vorbei. Das ist sehr wichtig, damit man auf dem Marktplatz sitzen kann, am Rhe<strong>in</strong> o<strong>der</strong> am Fluss <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Tee tr<strong>in</strong>ken kann. Das f<strong>in</strong>de ich sehr gut. Dieser Stadtkern – da kann je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> will, kommen <strong>und</strong> es gibt immer was zu feiern. Es gibt immer e<strong>in</strong> Fest. Es soll sehr sozial se<strong>in</strong>. Leute, die zum Beispiel zu viel gekocht haben, können das zum Marktplatz br<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Leute, die e<strong>in</strong> bisschen knapp bei Kasse s<strong>in</strong>d, Studenten auch gerne, können das dann essen. Die Energieversorgung: Also, es gibt auch e<strong>in</strong>en Industrieteil. Der ist aber außerhalb, weil man ja doch e<strong>in</strong> bisschen <strong>in</strong>dustriellen Kram braucht. Man kann ja nicht alles nur aus Gras herstellen o<strong>der</strong> Bäumen, das geht ja nicht! Ich setze auf Wasser <strong>und</strong> W<strong>in</strong>d. Da wir e<strong>in</strong>en Fluss haben, <strong>der</strong> durch die Stadt fließt, können wir da Mühlrä<strong>der</strong> dran machen <strong>und</strong> Energie gew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> auch W<strong>in</strong>drä<strong>der</strong> aufstellen. Wir haben auch bestimmt den e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berg, wo man die draufsetzen könnte. Ansonsten – es wird e<strong>in</strong> sehr angenehmes Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, hoffe ich. Das ist me<strong>in</strong>e Stadt. – Ah! Es gibt ke<strong>in</strong>e Autos! Es gibt ke<strong>in</strong>e Autos <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt, weil wir die auch nicht brauchen <strong>und</strong> die Straßen viel zu eng s<strong>in</strong>d. Es gibt nur Fahrrä<strong>der</strong>. Wenn man wirklich dr<strong>in</strong>gend nach außerhalb muss, gibt es vielleicht e<strong>in</strong>en Bus o<strong>der</strong> so etwas wie e<strong>in</strong>e Mitfahrgelegenheit. Vielleicht haben so drei Leute im Dorf e<strong>in</strong> Auto, dann kann man sich das leihen. Aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt gibt es ke<strong>in</strong>e.« »Ich hätte gerne e<strong>in</strong> Haus mit verschiedenen Türen. Die Haustür sollte immer <strong>in</strong> die Stadt führen, die man sich ausgesucht hat, <strong>und</strong> die nächste Tür möchte ich gerne nach Spanien haben, weil da e<strong>in</strong> Großteil me<strong>in</strong>er Familie lebt, damit ich e<strong>in</strong>fach mehr Kontakt zu haben kann. Dann sollte e<strong>in</strong>e Tür <strong>in</strong>s Rhe<strong>in</strong>land führen, ganz klar, weil ich da her- kommen tu <strong>und</strong> es schön ist da. Und Vater Rhe<strong>in</strong> – ist ja auch immer wie<strong>der</strong> nett, da spa zieren zu gehen <strong>und</strong> auch da wohnt e<strong>in</strong> Teil me<strong>in</strong>er Familie. Die nächste Tür sollte irgendwo h<strong>in</strong>führen, wozu man gerade Lust hat. Vielleicht, dass man das vorher e<strong>in</strong>tippt: ›Brasilien‹ <strong>und</strong> dann: D<strong>in</strong>gd<strong>in</strong>gdid<strong>in</strong>g! Wäre vielleicht gut. Ich mag gerne alte Sachen, die müssen nicht immer gerade <strong>und</strong> glatt <strong>und</strong> perfekt se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n können auch ruhig kaputt se<strong>in</strong> <strong>und</strong> runzelig <strong>und</strong> mit abgeblättertem Lack o<strong>der</strong> so. Das macht nichts. Ich b<strong>in</strong> nicht so dieser Beton-Glas-Typ. Das ist e<strong>in</strong>fach nicht me<strong>in</strong>e Materie. Deswegen b<strong>in</strong> ich auch Tischler <strong>und</strong> nicht Glaser. Zurzeit wohne ich mit zwei an<strong>der</strong>en Leuten zusammen. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, mit mehr Leuten zusammen zu wohnen. Wir s<strong>in</strong>d jetzt zu dritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnung <strong>und</strong> das reicht mir. Man hat zwei Bezugspersonen, dann ist es auch noch sehr persönlich. Ich glaube, je größer e<strong>in</strong>e WG wird, desto unpersönlicher wird es wie<strong>der</strong>. Es s<strong>in</strong>d so viele Leute <strong>und</strong> dann kann man ja nicht auf jeden e<strong>in</strong>gehen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass ich me<strong>in</strong>e Unterkunft teile <strong>und</strong> dass es e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft gibt, so e<strong>in</strong>e Gruppe praktisch. Ich b<strong>in</strong> nicht gerne alle<strong>in</strong>e, ich b<strong>in</strong> eher so e<strong>in</strong> gesellschaftlicher Typ. Ich mag gerne Leute um mich haben, ich mag gerne nach Hause kommen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Echo hören, wenn ich schreie: ›HALLO!‹, <strong>und</strong> dann kommt es irgendwie zurück – wäre super!« »Zum Leben brauche ich Luft, Essen, Zigaretten <strong>und</strong> jemanden, mit dem ich quatschen kann, vielleicht Fre<strong>und</strong>e – wäre nicht schlecht. Verzichten kann ich sehr gut auf Luxusartikel, auf e<strong>in</strong> Auto zum Beispiel, das brauche ich nicht. Wenn ich e<strong>in</strong> Fahrrad habe – super! Ich b<strong>in</strong> eher <strong>der</strong> bescheidene Typ, ich brauche nicht viel, um klarzukommen o<strong>der</strong> um mich wohl zu fühlen. Es reichen e<strong>in</strong> paar Kle<strong>in</strong>igkeiten <strong>und</strong> wenn es nur das Liebl<strong>in</strong>gs<strong>kiss</strong>en ist o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> schönes Buch. Dann geht es schon. Ich b<strong>in</strong> zwar schon eher <strong>der</strong> bescheidene Typ, nichtsdestotrotz habe ich trotzdem nie Geld. Und sparen ist da e<strong>in</strong>fach nicht dr<strong>in</strong>. Ich verdiene ja auch nicht viel.« »Wenn ich mir me<strong>in</strong>e Arbeitszeit selber e<strong>in</strong>teilen könnte, würde ich um acht anfangen zu arbeiten bis, sagen wir, halb drei. Das wäre klasse! Weil, morgens muss man früh aufstehen. Vor <strong>der</strong> Arbeit macht man eh’ nix mehr, aber wenn man früh aufsteht, dann hat man mehr vom Tag. Wenn man bis halb drei arbeitet, hat man noch voll viel Zeit, um e<strong>in</strong>kaufen zu gehen <strong>und</strong> Wäsche zu waschen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach im Park zu liegen. Man hat was vom Tag, wo die Sonne noch sche<strong>in</strong>t. Schon gut, das wäre super! Ich f<strong>in</strong>de, e<strong>in</strong> Chef ist schon nicht schlecht, weil man nämlich alles auf den abschieben kann: Der ist schuld! Was mir wichtig ist bei <strong>der</strong> Arbeit, ist e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> Team. Mir ist Teamwork total wichtig, weil ich das ganz gut kann <strong>und</strong> weil es dann auch viel mehr Spaß macht, wenn man zur Arbeit geht <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Team hat <strong>und</strong> je<strong>der</strong> macht irgendwas, <strong>und</strong> zusammen baut man dann e<strong>in</strong>en Schrank o<strong>der</strong> so. Dann macht das e<strong>in</strong>fach mehr Spaß, es passiert e<strong>in</strong>fach was. Ja, Teamwork ist gut!« Aus: Dellbrügge & de Moll: Wer e<strong>in</strong>en Stuhl bauen kann, kann auch e<strong>in</strong>e Stadt bauen, Berl<strong>in</strong> 2008, S. 9–11 B4 Mart<strong>in</strong> »Wenn ich die e<strong>in</strong>malige Chance bekommen würde, e<strong>in</strong>e Stadt zu errichten, dann würde ich mir die besten Ingenieure <strong>der</strong> ganzen Welt zusammensuchen <strong>und</strong> mir Vorschläge machen lassen für die kreativsten Gebäude überhaupt. Die würde ich mir dann raussuchen <strong>und</strong> zusammenwürfeln <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er Stadt machen. Das wäre das Verrückteste, was es je gegeben hat, aber mir würde es gefallen. Ganz sicher.« »Ich werde e<strong>in</strong> mobiles Haus errichten, das man e<strong>in</strong>packen kann <strong>und</strong> auspacken kann. Irgendwo aufbauen <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>packen. Egal wann, egal wo. Me<strong>in</strong> mobiles Haus ist genauso wie e<strong>in</strong> ganz normales Haus, wie es sich je<strong>der</strong> vorstellt: Ziegel, Kl<strong>in</strong>ker, Dachziegel, Warmwasserleitung, alles dabei, <strong>und</strong> mit e<strong>in</strong>em Knopfdruck kann man das ganze D<strong>in</strong>g zusammenpacken, auf den Sattelschlepper, raus <strong>und</strong> los. Wenn ich unterwegs merke: ›Wow, hier sieht’s total toll aus, hier bleibe ich‹, dann drücke ich wie<strong>der</strong> auf den Knopf, packe das D<strong>in</strong>g wie<strong>der</strong> aus <strong>und</strong> bleibe da stehen. Me<strong>in</strong> mobiles Haus soll mal e<strong>in</strong>e ganz große Geschichte werden. Es soll über die ganze Welt vermarktet werden, damit je<strong>der</strong> was davon hat. Ich sehe bloß e<strong>in</strong> Problem: Wie wird die Energieversorgung gespeist? E<strong>in</strong>e Idee wäre zum Beispiel mit e<strong>in</strong>em Akku. Das D<strong>in</strong>g hat im Keller o<strong>der</strong> im Dachboden, je nachdem, e<strong>in</strong>en riesengroßen Akku, <strong>der</strong> sich immer wie<strong>der</strong> auflädt durch Solar energie o<strong>der</strong> durch W<strong>in</strong>drä<strong>der</strong>, die man aufs Dach setzt. So wird das e<strong>in</strong>e ganz coole Geschichte.« »Mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit selbst zu verwirklichen, bedeutet mir, dass an<strong>der</strong>e Menschen an me<strong>in</strong>en Phantasien, Ideen <strong>und</strong> Kreativität teilhaben können, dass me<strong>in</strong>e Auffassungen von an<strong>der</strong>en Leuten geteilt werden, die entwe<strong>der</strong> ähnliche Ansichten haben o<strong>der</strong> sogar auf e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Trichter kommen durch mich.« Aus: Dellbrügge & de Moll: Wer e<strong>in</strong>en Stuhl bauen kann, kann auch e<strong>in</strong>e Stadt bauen, Berl<strong>in</strong> 2008, S. 33