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SONJA KATRIN BAYER Bildschirmtypographie. Technische und

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oder Payback.de. Die Kenntnis der entscheidenden organisatorischen Wirkung dieser<br />

beiden Gestaltfaktoren für die erleichterte Erfassung einer Seitenorganisation scheint<br />

sich mittlerweile auch unter Gestaltern durchzusetzen.<br />

Die Gestaltpsychologie an sich konnte kaum umfassende oder quantifizierbare<br />

Formulierungen ihrer Gesetze vorlegen <strong>und</strong> führte nicht zu einer wirklich erklärenden<br />

Theorie der Wahrnehmung. Dennoch überwindet sie den auch in der Psychologie<br />

lange wirkenden Atomismus des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, nach dem das komplexe Ganze<br />

stets als die Struktur oder das Zusammenwirken (nicht unbedingt nur die Summe)<br />

seiner Teile angesehen wurde. Sie kehrt die Betrachtungsweise förmlich um. Das Teil<br />

geht hier dem Ganzen nicht mehr als dessen Gr<strong>und</strong>lage voraus, sondern was zum<br />

Ganzen <strong>und</strong> was zum Teil wird, ergibt sich erst in einem dynamischen Prozess innerhalb<br />

des gesamten Wahrnehmungsfeldes. 84 Nichtsdestotrotz stellen die experimentellen<br />

Demonstrationen <strong>und</strong> Formulierungen der Gestaltpsychologen eine hervorragende<br />

Ideengr<strong>und</strong>lage für die typografische Gestaltung von Bildschirmoberflächen dar.<br />

Trotz des Fehlens umfassender quantitativer Gesetze kann bei begrenzten, projektbedingten<br />

Problemen beispielsweise mit experimentalpsychologischer Methodik ermittelt<br />

werden, inwieweit sich etwa das Gesetz der Nähe bei der Variation entsprechender<br />

Bildschirmparameter gegenüber dem Gesetz der Ähnlichkeit hinsichtlich eines<br />

bestimmten Effekts positiv oder negativ auswirkt. Die einfachsten <strong>und</strong> wichtigsten<br />

Gesetze, die hier beschrieben wurden, sind teils so offensichtlich, dass sie auf den<br />

ersten Blick trivial erscheinen. So ist es keine neue Erkenntnis, dass in einem Kasten<br />

angeordnete Informationen als zusammengehörig wahrgenommen werden. Aber<br />

trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer Einfachheit werden die Regeln der Gestaltgesetze<br />

auf Websites häufig verletzt, in dem zu wenig oder zu viel Struktur vorhanden<br />

ist, Abstände nicht systematisch geplant sind, Zusammengehöriges durch<br />

Trennlinien abgespalten wird oder Leisten mit ganz unterschiedlichen Elementen<br />

gleichfarbig gestaltet werden. Eine horizontale Trennlinie oder ein Zwischenraum,<br />

die als optische Markierung zwischen Absätzen gedacht sind, können z.B. als Seitenende<br />

interpretiert werden <strong>und</strong> so den Benutzer von weiterem Scrollen abhalten. 85<br />

Das folgende Kapitel soll sich nun nach der wahrnehmungspsychologischen Basis<br />

mit den physiologischen Gr<strong>und</strong>lagen des Lesens sowie dem Leseprozess am Bildschirm<br />

beschäftigen. Auch für den Leseprozess digitaler Dokumente geprägte neuere<br />

Termini sollen zur Sprache kommen.<br />

2 Leserpsychologische Faktoren<br />

2.1 Neurobiologie des Lesens<br />

Auf physiologischer Basis stehen am Anfang des Leseprozesses Umwandlungs- <strong>und</strong><br />

Transduktionsprozesse, die in der Netzhaut an den Photorezeptoren (Zapfen <strong>und</strong><br />

Stäbchen) stattfinden <strong>und</strong> das eingefangene Licht in neuronale Energie umwandeln.<br />

Beim Lesen wird der Punkt der besten Sehschärfe, die Fovea, auf die Worte gerichtet,<br />

84<br />

85<br />

Vgl. Glaser 1998, S. 244.<br />

Vgl. Wirth 2002, „Geschlossenheit <strong>und</strong> gute Fortsetzung“.<br />

46

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