Band 2 - Kompetenzzentrum für Integration - Landesregierung ...
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10.4 Zielgruppen von Erstorientierungskursen<br />
Die Kursteilnehmenden werteten die Erstorientierungskurse als äußerst sinnvolles<br />
und hilfreiches Angebot. Für die meisten Befragten stellten die Kurse einen persönlichen<br />
Gewinn und eine große Unterstützung <strong>für</strong> ihren Lebensalltag dar. Dies zeigt sich<br />
nicht nur in den zahlreichen positiven Äußerungen der Befragten. Auch die Lehrkräfte<br />
berichteten davon, dass Kursteilnehmende häufig sehr dankbar und emotional auf die<br />
Orientierungsmaßnahme reagierten. Demnach wurde während der Pilotphase vor Ort<br />
ein umfassender Bedarf bei der Zielgruppe geweckt.<br />
Insgesamt wurden mit den Erstorientierungskursen nur wenige Neuzugewanderte (25<br />
%) und überwiegend „sonstige Zugewanderte“ (75 %) erreicht. Neuzugewanderte aus<br />
der Türkei bilden eine sehr heterogene Gruppe. Neben Zugewanderten aus verschiedenen<br />
Migrationsgründen (Asyl, Erwerbstätigkeit, Familienzusammenführung) beinhaltet<br />
das Mosaik Migranten und Migrantinnen aus der Türkei auch diverse ethnische<br />
Minderheiten (vgl. Kronstein 1995). Weiterhin unterscheiden sich einreisende Personen<br />
hinsichtlich ihrer Herkunftsregion, Religion, Altersgruppe, Aus- und Schulbildung,<br />
Berufserfahrung etc. (vgl. Hiebinger/Weikert 1995). Der größte Teil der Neuzugewanderten<br />
aus der Türkei reist allerdings aufgrund der Familienzusammenführung nach<br />
Deutschland ein. Die meisten Personen aus der Türkei sind – und zwar geschlechtsunabhängig<br />
– Heiratsmigrantinnen und -migranten, also solche, die in persönlichen<br />
Bezügen in Deutschland ankommen und bereits eine funktionierende türkisch orientierte<br />
Infrastruktur (Familie, Community) in Deutschland vorfinden (vgl. Strassburger<br />
2002). Familie sowie lokale türkische Gruppen und Angebote beinhalten aber nicht<br />
automatisch eine ausreichende Orientierungshilfe in der neuen Gesellschaft, sondern<br />
umfassen häufig vor allem Angebote der Konsumption und Religionsausübung. Andere<br />
Gesellschaftsaspekte werden vernachlässigt und sind häufig unverständlich. Für viele<br />
Neuzuwanderer scheint eine aktive Auseinandersetzung mit der Aufnahmegesellschaft<br />
erst nach mehreren Jahren stattzufinden oder möglich zu sein – dies gilt nicht<br />
nur <strong>für</strong> zugewanderte Frauen in der Familienphase.<br />
Eine gezielte <strong>Integration</strong> der zugezogenen Bevölkerung wurde in Deutschland über<br />
Jahrzehnte weitgehend vernachlässigt. Die starke Kursteilnahme von Menschen, die<br />
bereits seit einigen Jahren in Deutschland leben, verdeutlicht, dass innerhalb der Migrantenbevölkerung<br />
der dringende Wunsch nach Orientierungs- und <strong>Integration</strong>shilfen<br />
besteht. Diese Gruppe sollte daher ebenfalls an Angeboten der Erstorientierung (im<br />
Sinne einer nachholenden <strong>Integration</strong>) partizipieren können. Dies bestätigten auch<br />
die Ergebnisse der Kursevaluation. Ältere Teilnehmende verfügten zwar über etwas<br />
mehr Wissen in Bezug auf die Einwanderungsgesellschaft, weisen aber dennoch einen<br />
Bedarf an (Erst)Orientierung in verschiedenen Bereichen (insbesondere hinsichtlich<br />
politischer und rechtlicher Möglichkeiten) auf. Insgesamt weisen Neuzuwanderinnen<br />
und Migrantinnen, die bereits seit mehreren Jahren in Deutschland leben, in einigen<br />
Bereichen vergleichbare Schwierigkeiten, Bedürfnisse und Interessen auf.<br />
Mit den Erstorientierungskursen wurden trotz der erwarteten Hindernisse – Familienphase<br />
und kulturelle Gegebenheiten – überwiegend Frauen erreicht (N=322) und nur<br />
ein geringer Anteil Männer (N=91). Im Vorfeld hatten alle Projekte erwartet und sich<br />
auch konzeptionell entsprechend vorbereitet, dass es insbesondere <strong>für</strong> Frauen aus<br />
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