Politikwissenschaft 141 - DVPW
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Herbst 2009<br />
Nr. <strong>141</strong><br />
Zuge der Weltfinanzkrise ein Konjunkturprogramm in Höhe von 540 Mrd.<br />
Dollar aufgelegt hat, das klare ökologische Akzente setzt. Seit 2008 bekennt<br />
sich die Regierung offiziell zur Kontrolle der Emissionen, verweist<br />
aber auch weiter darauf, dass die Industrieländer hinsichtlich der Reduktion<br />
zuerst in der Pflicht sind. Gleichwohl dürfte eine chinesische Klimapolitik,<br />
die in erster Linie auf die Reduktion der nationalen Energieintensität<br />
abzielt, angesichts des rasanten Wirtschaftswachstums und der Zunahme<br />
der Steuerungsprobleme rasch an ihre Grenzen stoßen. In der Diskussion<br />
wurde u.a. deutlich, dass die Frage des „richtigen“ Umgangs mit den Umweltherausforderungen<br />
in China auch die interministerielle Koordination in<br />
Deutschland berührt. Denn wenn das BMU auf rasche Reduktion der klimarelevanten<br />
Emissionen drängt, dem BMZ aber in erster Linie an Armutsreduzierung<br />
gelegen ist, dann wird darin auch die Ohnmacht der außenstehenden<br />
Akteure deutlich.<br />
Tadzio Müller (Berlin) behandelte im dritten Input-Statement das Thema<br />
„Shut down Copenhagen? Grüner Kapitalismus, Wachstumskritik und die<br />
globale Bewegung für Klimagerechtigkeit“ aus einer provokanten neomarxistischen<br />
Perspektive. Er konstatierte als Ausgangspunkt das Vorhandensein<br />
von drei Krisen. Erstens einer Legitimationskrise westlicher Demokratien,<br />
die kurzfristig durch den Anti-Terrordiskurs aufgefangen werde.<br />
Zweitens einer Überakkumulationskrise, die sich in der aktuellen Weltfinanz-<br />
und -wirtschaftskrise manifestiere. Und drittens einer Biokrise, die<br />
durch die Probleme bei Klima, Wasser, Landnutzung, Nahrungsversorgung<br />
und schrumpfender Biodiversität offenbar werde. Ein ökologischer Kapitalismus<br />
könne nicht die Lösung sein, da Kapitalismus untrennbar mit ökologischer<br />
Gefräßigkeit und dem Zwang zur Ausweitung von Produktion und<br />
Konsum verbunden sei. Der Reboundeffekt würde zudem alle erreichten<br />
Einsparungserfolge und technischen Neuerungen aufzehren. Die „Lösung“<br />
könne daher nur in einer Verschiebung der Machtverhältnisse liegen, die<br />
gesellschaftlich erkämpft werden müsse: Die fossilen Ressourcen müssten<br />
im Boden verbleiben, die Industrieländer seien zur Zahlung von Reparationen<br />
für historische Schulden zu verpflichten, die lokale Ernährungssouveränität<br />
müsse wiederhergestellt werden und geistige Eigentumsrechte indigener<br />
Gemeinschaften seien zu respektieren. In der Diskussion ging es<br />
u.a. um die Chancen für ein neues Leitbild jenseits des kontroversen<br />
Nachhaltigkeitsbegriffs, um die Möglichkeiten und Grenzen einer sozialökologischen<br />
Marktwirtschaft, die (scheinbare) Ausweglosigkeit der Lage<br />
und um das Potential von „Möglichkeitsräumen“, in denen andere Lebensentwürfe<br />
und Konsummuster erprobt werden.<br />
Das zweite Panel der Sektion zum Thema „Gerechtigkeit und Klimapolitik<br />
in den Nord-Süd Beziehungen“ schlug eine Brücke zwischen entwicklungspolitischen<br />
und politiktheoretischen Fragestellungen.<br />
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