Magazin 01/2010 - bei den Doxs
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„Wegkommen<br />
vom Prinzip der<br />
Sachleistungen“?<br />
Kontroverse Diskussion<br />
um Kostenerstattung<br />
in der GKV<br />
Von Martin Wortmann<br />
Patienten- und Verbraucherverbände sind kritisch,<br />
die Krankenkassen dagegen. Die KBV ist skeptisch,<br />
aber offen und will Patienten wie Ärzten die<br />
Wahl lassen. Hartmannbund und „Freie Ärzteschaft“<br />
sind dafür, ebenso eine klare Mehrheit der Ärzte, die<br />
sich an einer Umfrage der KV Rheinland-Pfalz beteiligt<br />
haben. „Das ist im Moment kein Thema für uns,<br />
das steht auch nicht an“, heißt es dagegen <strong>bei</strong>m<br />
Deutschen Hausärzteverband. In Internet-Foren argumentieren<br />
einzelne Hausärzte skeptisch, praktikabel<br />
und wirtschaftlich sei die Kostenerstattung wohl<br />
nur für Facharztpraxen.<br />
Die Befürworter bekamen nun Unterstützung von<br />
Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP): „Wir müssen<br />
stärker wegkommen vom Prinzip der Sachleistungen<br />
und hinkommen zur Kostenerstattung“, sagte<br />
Rösler laut „Die Welt“ auf dem Neujahrsempfang der<br />
FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Es sei<br />
sinnvoll, wenn Patienten per Rechnung erführen,<br />
wieviel einzelne Behandlungen kosten.<br />
Wahlrecht und Patientenquittung<br />
Laut ARD-DeutschlandTrend Februar 2<strong>01</strong>0 wünschen<br />
sich das auch 91 Prozent der befragten Bürger. Wohl<br />
die wenigsten wissen, dass sie darauf auch in der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung schon seit 2004 einen<br />
gesetzlichen Anspruch haben. Laut Sozialgesetzbuch<br />
müssen Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser<br />
auf Verlangen des Patienten eine sogenannte Patientenquittung<br />
ausstellen, die in verständlicher Form<br />
über die erbrachten Leistungen und ihre voraussichtlichen<br />
Kosten informiert. Da<strong>bei</strong> können die Patienten<br />
zwischen einer „Tagesquittung“ und – gegen einen<br />
Euro plus Versandkosten – einer Quartalsquittung<br />
wählen (siehe Kasten § 305 SGB V).<br />
Genutzt wird diese Möglichkeit wohl nur von wenigen,<br />
Zahlen liegen allerdings weder dem GKV-Spitzenverband<br />
noch der KBV vor. Bei einem Modellversuch<br />
der früheren KV Rheinhessen 2002/2003 lag die<br />
Für die einen ist sie das Ende der solidarischen<br />
Krankenversicherung, für die<br />
anderen eine große Chance für mehr<br />
Transparenz, sachgerechte Behandlung<br />
der Patienten und ein gerechtes Arzt-<br />
Honorar: die Kostenerstattung in der<br />
Gesetzlichen Krankenversicherung.<br />
Auch in der Ärzte- und Psychotherapeutengenossenschaft<br />
DOXS eG wird das<br />
Thema kontrovers diskutiert.<br />
Inanspruchnahme immerhin <strong>bei</strong> durchschnittlich 15<br />
Prozent, nahm innerhalb von vier Quartalen allerdings<br />
von 21,9 auf 8,1 Prozent ab. Insbesondere <strong>bei</strong><br />
<strong>den</strong> zu Beginn deutlich engagierteren Fachärzten<br />
sackte die Beteiligung von zunächst 27,6 (Hausärzte<br />
16,4) auf 8,3 (Hausärzte 7,9) Prozent. „Die Hemmschwelle<br />
ist groß“, meint Christian Zimmermann,<br />
Präsi<strong>den</strong>t des Allgemeinen Patienten-Verbandes in<br />
Marburg. Funktionieren könne die Sache nur, „wenn<br />
der Arzt verpflichtet ist, dem Patienten eine Rechnung<br />
in die Hand zu geben“.<br />
Ebenfalls nach der ARD-Umfrage wollen fast Dreiviertel<br />
der Bürger am gegenwärtigen Gesundheitssystem<br />
festhalten. Ob sie damit auch das Sachleistungsprinzip<br />
gemeint haben, geht aus <strong>den</strong> Anfang Februar veröffentlichten<br />
Ergebnissen nicht hervor. Doch seit<br />
2004 können gesetzlich Versicherte sich auch für die<br />
Kostenerstattung entschei<strong>den</strong>, 2007 wur<strong>den</strong> die<br />
Wahlmöglichkeiten nachgebessert. Hierzu legte der<br />
GKV-Spitzenverband im März 2009 einen Bericht vor.<br />
Danach haben nur 0,19 Prozent der Versicherten die<br />
Kostenerstattung gewählt. Da<strong>bei</strong> liegt der Anteil <strong>bei</strong><br />
<strong>den</strong> Ersatz- (0,34) und Betriebskrankenkassen (0,30<br />
Prozent) deutlich höher, in der AOK-Familie ist er dagegen<br />
mit 0,02 Prozent um <strong>den</strong> Faktor zehn geringer<br />
als im GKV-Durchschnitt.<br />
Gegner der Kostenerstattung sehen sich durch diese<br />
Zahlen bestätigt, Befürworter dagegen verweisen auf<br />
die bisherigen gesetzlichen Bedingungen (siehe Kasten<br />
§ 13 SGB V): Abgerechnet wird mit dem einfachen<br />
Satz der GOÄ. Die Kasse erstattet <strong>den</strong> Patienten<br />
aber höchstens <strong>den</strong> Betrag, <strong>den</strong> die gleiche Behandlung<br />
als Sachleistung gekostet hätte, zudem kann sie<br />
noch Abschläge machen. In Wahltarifen dürfen die<br />
Kassen seit 2007 gegen zusätzliche Prämien die Eigenbeteiligung<br />
reduzieren, ebenso gibt es private<br />
Zusatzversicherungen. Im regulären Erstattungs-Tarif<br />
müssen die Ärzte über das Kostenrisiko aufklären.<br />
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