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Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof

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Morgenandachten auszuwählen, die Jürg und Gottfried dann abwechselnd hielten. Zur<br />

Vorbereitung trafen wir uns e<strong>in</strong>mal wöchentlich und erweiterten dabei unsere Bibelkenntnisse.<br />

Das alles brauchten Typen wie Peter Hemmerich, von uns mehr o<strong>der</strong> weniger liebevoll "die<br />

Humeratsche" genannt, nicht und es wäre nicht verkehrt gewesen, hätten wir genauer h<strong>in</strong>gehört,<br />

wenn er sich über den Picht'schen Stil immer aufs Neue wun<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> beklagte. Als immun<br />

gegen die Picht'sche Aura, aus unterschiedlichen Gründen, habe ich auch an<strong>der</strong>e Schüler wie<br />

Peter Bumm, me<strong>in</strong>en Bru<strong>der</strong>, Michael Marschall, Fritz Gruben, auch Svea <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung.<br />

Nun ist es angezeigt, über diese Picht'sche Aura und Pichts pädagogische Absichten aus <strong>der</strong><br />

Er<strong>in</strong>nerung, aber auch aus dem Abstand von Jahren zu berichten. Nicht nur uns schon genannte<br />

Schüler, auch e<strong>in</strong>e Reihe von Erwachsenen saugte sie an. Und wie bei den Schülern gab es auch<br />

unter ihnen solche, die immun blieben. Zu den Abenden, die im Altbirkle wöchentlich über das<br />

Johannesevangelium stattfanden und zu denen sich <strong>der</strong> ganze Picht'sche Clan <strong>in</strong>clusive <strong>der</strong><br />

sogenannten Mam<strong>in</strong>a, se<strong>in</strong>er Mutter, Edith Picht und e<strong>in</strong>ige Lehrer wie Herr Peters, Herr Goll<br />

und Herr Herchenröther, aber auch Hella Niemeyer e<strong>in</strong>fanden, wurden auch wir bevorzugte und<br />

vielleicht allzu loyale Schüler e<strong>in</strong>geladen, die sich anfangs wie Adepten an <strong>der</strong> Pforte zur höheren<br />

Weisheit wähnten, sowie die Brü<strong>der</strong> Hans und Ulrich Wilckens, die nach dem Zusammenbruch<br />

getrennt auf die beiden christlichen Lager und <strong>der</strong>en Theologie setzten. Was wir dort, m<strong>in</strong>destens<br />

über e<strong>in</strong> Jahr h<strong>in</strong>weg, hörten, war und blieb nur <strong>der</strong> Prolog des Johannesevangeliums: "en arche<br />

en ho logos kai ho logos en pros ton theon, kai ho theos en ho logos" usw., und teilweise das<br />

anschließende Nikodemosgespräch. Nicht wurden wir über die philosophischen und historischen<br />

H<strong>in</strong>tergründe <strong>der</strong> geheimnisvollen Sätze aufgeklärt, die ja jede katholische Meßliturgie<br />

abgeschlossen haben, ehe sie <strong>der</strong> Liturgiereform unter Papst Paul VI. zum Opfer gefallen s<strong>in</strong>d,<br />

son<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong> - so me<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung - wurde ihr Text von <strong>der</strong> sonoren Stimme Georg<br />

Pichts mehr weihevoll rezitiert als kommentiert. <strong>Der</strong> e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Initiant blieb denn auch<br />

allmählich fern und mit <strong>der</strong> Zeit löste sich <strong>der</strong> Konvent auf. Nicht viel an<strong>der</strong>s ist es später dem<br />

Unternehmen Platonlexikon ergangen, das Picht simultan mit dem Snell'schen Homerlexikon<br />

begann und für das im Lauf <strong>der</strong> Zeit nicht unerhebliche Forschungsgel<strong>der</strong> bewilligt worden s<strong>in</strong>d.<br />

Was mir von Pichts Seite wirklich e<strong>in</strong>en Denkanstoß versetzt hat, war e<strong>in</strong>e Griechischstunde im<br />

unteren Turmzimmer, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er, die Platonlektüre unterbrechend, e<strong>in</strong>e Stunde lang Logik mit uns<br />

tra<strong>in</strong>ierte. Wie erstaunt war ich auch, bei gelegentlichen ehrenvollen E<strong>in</strong>ladungen zum Essen im<br />

Altbirkle festzustellen, daß hier neben tiefgründigen Gesprächen über fundamentale Themen<br />

gelegentlich auch Witze gemacht und maßvoll gelacht werden durfte. Später, als ich längst nicht<br />

mehr auf <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> war, lernte ich ihn noch an<strong>der</strong>s kennen, nämlich als e<strong>in</strong>en Menschen von<br />

ganz profanen Emotionen und viel h<strong>in</strong>tergründigem Witz.<br />

Ich wurde mit zwei Aufgaben im Dienste des Altbirkle betraut: erstens hatte ich die zum<br />

Katholizismus übergetretene Mam<strong>in</strong>a sonntags zur Kirche zu begleiten und zweitens sollte ich<br />

mich stundenweise mit <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en an e<strong>in</strong>em Gehirntumor erkrankten Tochter Greda<br />

beschäftigen. Es freute mich immer, wenn ich das kle<strong>in</strong>e Geschöpf mit den hellen Augen zum<br />

Lachen br<strong>in</strong>gen konnte.<br />

Kulturelles Umfeld<br />

Aber zurück <strong>in</strong>s Haupthaus und zu den Schülern. Sport blieb kle<strong>in</strong>geschrieben - auch e<strong>in</strong>e Folge<br />

des Nationalsozialismus -, aber Musik und Theaterspielen begleiteten jedes Trimester.<br />

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