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Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof

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Vorträgen und Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften e<strong>in</strong> bis heute lebendiges Interesse für antike Kunst und<br />

Geschichte geweckt und dabei doch so solide Kenntnisse vermittelt, daß ich seither alle<br />

Teilexam<strong>in</strong>a <strong>in</strong> diesen Bereichen ohne jede eigene Anstrengung mit „Sehr gut“ bestanden habe.<br />

Herr Till dagegen, jener vir vere Romanus, führte uns <strong>in</strong> die klassische Römische Literatur e<strong>in</strong>,<br />

mit unendlicher Sorgfalt, Genauigkeit und Ernsthaftigkeit, wogegen sich manche, zumal ich,<br />

lange und hartnäckig mit Ironie, Spott und Faulheit zu wehren versuchten. Es g<strong>in</strong>g aber <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Late<strong>in</strong>unterricht um mehr als um Grammatik, AcI’s und unregelmäßige Verben – es war<br />

<strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> virtus gegen die vitia. Ich will, um nicht aufs Eigenlob zu verfallen, nicht geradezu<br />

behaupten, daß die vitia die Schlacht verloren hätten, muß aber doch zugeben, daß Herrn Tills<br />

menschliches Vorbild – bei aller Verschiedenheit des Wesens, <strong>der</strong> Interessen und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung<br />

zu den D<strong>in</strong>gen – mich auf dem <strong>Birklehof</strong> am meisten bee<strong>in</strong>druckt hat. Es mag vielleicht auch am<br />

Fach gelegen haben, denn mir sche<strong>in</strong>t, ohne daß ich es genau belegen kann, daß zwischen dem<br />

Late<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Kunst richtig zu leben und zu sterben e<strong>in</strong> Zusammenhang besteht.<br />

Herr Till ist, wie man gehört hat, gestorben wie e<strong>in</strong> stoischer Weiser; daß er sich vom strengen<br />

Lehrer zum heiteren, menschenfreundlichen Philosophen verän<strong>der</strong>t hatte, war me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>druck auf<br />

<strong>der</strong> 20. Abiturfeier me<strong>in</strong>er Klasse im Jahr 1975, die er – an<strong>der</strong>s als Herr Kunert – noch miterlebt<br />

hat, und bei <strong>der</strong> wir alle ihm noch e<strong>in</strong>mal unsere tiefe Dankbarkeit und Zuneigung zeigen<br />

konnten.<br />

Es ist traurig, daß schon so viele von unseren alten Lehrern gestorben s<strong>in</strong>d, Herr Peters, Herr<br />

Klöter, Herr Herchenröther, Herr Kunert und, wie gesagt, Herr Till und lei<strong>der</strong> auch Pfarrer<br />

Fischer, dem gerade unsere Klasse beson<strong>der</strong>s herzlich zugetan war, nicht zuletzt deshalb, weil er<br />

uns <strong>in</strong> schlechten Zeiten gelegentlich abends zu kräftiger Kartoffelsupp’ e<strong>in</strong>lud. Im Übrigen war<br />

er es, <strong>der</strong> nach dem Krieg mit den Reisen anf<strong>in</strong>g. Erst g<strong>in</strong>g es 1949 nach Breisach, wobei schon<br />

dieser heutzutage nahe, damals aber unendlich entlegene Ort das für ihn typische Zielpaar bot:<br />

das Christliche <strong>in</strong> Gestalt des Schnitzaltars im Münster und den Rhe<strong>in</strong> zum Schwimmen. Pfarrer<br />

Fischer liebte es, wo immer es g<strong>in</strong>g, zu baden – die extremste Stelle, an die ich mich jetzt<br />

er<strong>in</strong>nere, war <strong>der</strong> Punkt, wo mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong> st<strong>in</strong>kenden und unre<strong>in</strong>lichen Stadt Lyon Rhone und<br />

Saone zusammenfließen, e<strong>in</strong> schon damals von <strong>der</strong> Umwelthygiene her höchst bedenklicher Platz<br />

– und dann im Wasser möglichst viele Opfer grausamlich zu tunken. Auch wi<strong>der</strong>spenstigen<br />

Geme<strong>in</strong>demitglie<strong>der</strong>n konnte es im Adlerbad passieren, daß sie plötzlich zur Strafe für ihre<br />

Sünden vom „Popen“ angetaucht und ziemlich lange unter Wasser festgehalten wurden.<br />

1950 fuhren wir mit ihm nach Alpirsbach, 1951 nach Lugano – se<strong>in</strong>erzeit e<strong>in</strong> exotisch fernes Ziel<br />

– 1952 nach Cluny und Citeaux, nie um <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Lust willen, son<strong>der</strong>n stets auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

dem Christentum und – Badeplätzen. In Alpirsbach forschten wir nach <strong>der</strong> Hirsauer Reform, <strong>in</strong><br />

Lugano nach dem Urchristentum, das im „Baptischterium“ von Riva San Vitale e<strong>in</strong>e Spur<br />

h<strong>in</strong>terlassen hatte, <strong>in</strong> Burgund ließen wir konsequent alle kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten<br />

l<strong>in</strong>ks liegen – was sicher nicht e<strong>in</strong>mal falsch war, denn selbst e<strong>in</strong> hochmotivierter Jugendlicher<br />

verkraftet pro Tag nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Quantum romanischer Kirchen – und strebten direkt dem<br />

Geist von Cluny und Citeaux zu. Auch hatten wir im Kofferraum außer Zelten, Decken, den<br />

Lebensmitteln samt dem Brot, dem Proviantgepäck immer auch mehrere Kartons voller Bibeln<br />

und Gesangbücher mit, die allerd<strong>in</strong>gs nie benutzt wurden, weil <strong>der</strong> Pfarrer vor Tisch mit dem<br />

Kochen beschäftigt war und wir danach <strong>in</strong> geeigneten Bächen das fettige Plastikgeschirr sauber<br />

zu machen hatten, was immer sehr lange dauerte.<br />

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