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Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof

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<strong>1946</strong> wurde <strong>der</strong> Hirschen wie<strong>der</strong> eröffnet. In e<strong>in</strong>em ganz kalten Haus zogen zum ersten Mal<br />

wie<strong>der</strong> „Kle<strong>in</strong>e“ <strong>in</strong> den <strong>Birklehof</strong>. Me<strong>in</strong> Mann und ich haben dann acht Jahre lang dieses Haus<br />

geführt. Die Zahl <strong>der</strong> uns anvertrauten <strong>Birklehof</strong>er steigerte sich im Lauf <strong>der</strong> Zeit auf über 70.<br />

Außerdem gab es im Hirschen fünf Klassenräume. Das Haus ist zwar groß, aber heute kann man<br />

es sich kaum vorstellen, daß <strong>der</strong> zahlenmäßig größte Teil des <strong>Birklehof</strong>s dort lebte und auch<br />

unterrichtet wurde. Die Zimmer mußten natürlich auch dicht belegt werden. So gab es den<br />

sogenannten „Zwölferstall“, und auch sonst Zimmer mit sieben und acht Betten, — für die<br />

heutigen <strong>Birklehof</strong>er kaum vorstellbar! Wir hatten alle Jungen von Sexta bis Obertertia im Haus.<br />

Das Leben war dementsprechend munter und laut, aber auch fröhlich. Schwierig war es, daß <strong>in</strong><br />

den ersten Jahren das Heizen dieses großen Hauses unmöglich war. So gab es nur <strong>in</strong> den<br />

Klassenzimmern primitive eiserne Öfen, und e<strong>in</strong> weiterer Ofen stand <strong>in</strong> unserem Wohnzimmer,<br />

dessen Ofenrohr durch e<strong>in</strong>e Fensterscheibe nach außen g<strong>in</strong>g und <strong>der</strong> eigentlich immer rauchte.<br />

— Am Pf<strong>in</strong>gstsamstag '46 endlich hatten wir die Möglichkeit, unsere Möbel von Donauesch<strong>in</strong>gen<br />

nach hier zu beför<strong>der</strong>n. In e<strong>in</strong>em offenen Lastwagen, <strong>der</strong> mit Holz betrieben wurde, fuhren wir<br />

hierher — wir selber saßen mitten unter den Möbeln.<br />

Am Pf<strong>in</strong>gstsonntag mußten wir aus den Klassenzimmern Stühle holen, damit alle zum Pf<strong>in</strong>gsttreffen<br />

gekommenen Altbirklehofer wenigstens sitzen konnten. Bewirten konnten wir sie<br />

ke<strong>in</strong>esfalls. Die Verpflegung aller Schüler und Mitarbeiter war überhaupt e<strong>in</strong>es unserer größten<br />

Probleme. Wir hatten zwar e<strong>in</strong>en Koch, Herrn Kaiser, den jetzigen Besitzer vom<br />

„Tannewirtshus“ an <strong>der</strong> Straße nach Breitnau, aber er konnte mit se<strong>in</strong>en Künsten <strong>in</strong> dieser Zeit<br />

nicht viel anfangen. Wir hatten auch e<strong>in</strong>e Wirtschaftsleiter<strong>in</strong>, die Gräf<strong>in</strong> Pfeil, die mit ihrer<br />

Familie aus Schlesien hierher gekommen war. Alle gaben sich die größte Mühe, aus dem<br />

Wenigen, was wir hatten, das Beste zu machen. Trotzdem aber hatte man eigentlich immer<br />

Hunger.<br />

E<strong>in</strong> Problem für uns waren die Freßpakete von zu Hause. In dieser Hungerzeit konnte man<br />

Eßbares wirklich nicht frei herumstehen o<strong>der</strong> liegen lassen. Naschen war nur allzu begreiflich. So<br />

richteten wir den „Eßschrank“ e<strong>in</strong>. Er stand neben unserer Wohnzimmertür. Zweimal täglich gab<br />

es „Eßschrankausgabe“. Wir fanden es so traurig, wenn Jungen, die ke<strong>in</strong>e Pakete bekamen, dann<br />

im H<strong>in</strong>tergrund standen und hungrig und sehnsüchtig zuschauen mußten. Natürlich versuchten<br />

wir, die glücklich Besitzenden zum Verteilen zu bewegen, was glücklicherweise auch meistens<br />

gelang.<br />

Das morgendliche und abendliche Waschen mußte lei<strong>der</strong> immer nur mit kaltem Wasser<br />

vollzogen werden, unten <strong>in</strong> dem großen Waschraum mit den lauten, schwenkbaren<br />

Waschbecken. Es war immer e<strong>in</strong> Mordskrach. Und samstags zogen wir mit <strong>der</strong> ganzen<br />

Jungenschar <strong>in</strong> die Waschküche unter dem Eßsaal. Dort gab es heißes Wasser! Alle wurden dann<br />

gründlich abgeseift und mit e<strong>in</strong>em Schlauch abgespritzt. Es war jedesmal e<strong>in</strong> großes Fest. Es gab<br />

auch an<strong>der</strong>e Feste, z. B. das Nummernspiel an regnerischen Sonntagnachmittagen. Das Spiel<br />

genau zu beschreiben, würde zu weit führen, aber es war e<strong>in</strong> aufregendes Spiel, das durch alle<br />

fünf Stockwerke des Hirschen g<strong>in</strong>g, und mit viel Treppauf und Treppab und mit sehr viel<br />

Geschrei vor sich g<strong>in</strong>g. Wenn wir das während zwei o<strong>der</strong> drei Stunden gespielt hatten, waren<br />

eigentlich alle erschöpft und <strong>der</strong> Sonntagabend verlief ganz friedlich. — Das abendliche<br />

Gutenachtsagen dauerte meist an<strong>der</strong>thalb Stunden. Bei den Sextanern f<strong>in</strong>g es an, an jedem Bett<br />

blieben wir stehen, bis auch dem letzten Obertertianer e<strong>in</strong>e gute Nacht gewünscht war.<br />

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