Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof

Aus „50 Jahre Birklehof“ Bilder und Texte 1932 – 1982
Auf dem Birklehof 1947-1955
Gerbert Hübner
Im Herbst des Jahres 1947 reiste ich, von meinem Vater begleitet, elf Jahre alt, als angehender
Quintaner, zum ersten Mal auf dem Birklehof an. Der Eilgüterzug von Lindau nach Hinterzarten
brauchte damals ungefähr 14 Stunden, von zwei Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags. Dabei
gehörte ich zu den Schülern, die in der Nähe zu Hause waren!
An die ersten Stunden auf dem Birklehof erinnere ich mich noch genau, und diese Erinnerung
wird immer wieder wach, wenn ich den Eßsaalvorraum und den Eßsaal betrete – Räume, die sich
seither kaum verändert haben. Nur erhoben sich damals alle Schüler von ihren Plätzen, wenn ein
Fremder eintrat.
Nach Tisch wurde ich in den Hirschen gebracht, wo damals die Kleinen bis Untertertia wohnten.
Ich merkte bald, daß hier der ebenso gestrenge wie herzliche He König war.
Unsere Zimmer waren groß. Mit der „Windeck“, in der ich zusammen mit sechs anderen
wohnte, hatte ich es gut getroffen. Im „Klausenhorn“ hausten zwölf.
Kurz bevor das Licht ausgemacht wurde, trat Herr Picht eskortiert von den Hauserwachsenen, in
die Zimmer, um den Schülern gute Nacht zu sagen. Eine an sich einfache und natürliche Aktion,
die aber von solcher Feierlichkeit erfüllt war, daß mich tiefe Ehrfurcht ergriff. Damit war ich
Birklehofer.
Der Birklehof hatte ein Idee. Es gab gewisse Ziele, Bildungsinhalte, Schwerpunkte (z.B. die
Musik, aber auch der Sport sollte nicht zu kurz kommen), ja sogar sogenannte Schultugenden: die
Ehrlichkeit, die Wahrhaftigkeit und die Ritterlichkeit, erhabene Dinge also, von denen ich mich
durch Herrn Pichts Reden in den Schulersammlungen zu Anfang und Ende des Tertials immer
wieder von neuem überzeugen ließ. Verstanden habe ich allerdings als kleiner Junge von alledem
kein Wort.
Immerhin hatte ich bald ein gewisses Bild von der Sache: Ganz unten stand der Birklehofer,
besonders der Kleine (freilich bereits etwas unvergleichlich Besseres als ein „Staatsschüler“). Er
mußte unerfüllbaren Anforderungen (s.o.) gerecht werden; daß dies geschah, dafür sorgten
Strichlisten, Hauserwachsene, Lehrer, besonders aber Herchenröthers.
Weit über alledem erhob sich der Altbirklehof, in dem die Ideenwelt der Schule körperlich
anwesend zu sein schien. In ihm wohnten bedeutungsvolle, den Niederungen des Alltags aber
entzogene Geschöpfe wie Baronin Wolff, Herr Wendelstadt, die Eltern Picht, Herr Körte und
andere, die die mythologische Phantasie von uns Schülern schon früh aufs Lebhafteste anregten.
Dort machte Frau Picht in einem mit vielen Flügeln und Cembali angefüllten Raum Musik, und
dort regierte in einer hohen Stube namens „Olymp“ teetrinkend und pfeiferauchend, das
Numinosum des Birklehofs, Herr Picht, die Schule.
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