Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof
Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof
Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof
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In me<strong>in</strong>er Er<strong>in</strong>nerung gab es auch den Versuch von Carl Friedrich von Weizsäcker, <strong>der</strong> bisweilen<br />
im Altbirklehof zu Gast war, uns mit Problemen <strong>der</strong> Physik zu konfrontieren. Aber das lag<br />
außerhalb me<strong>in</strong>es Horizontes und so ist es mir auch nur verschwommen <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung. Gut<br />
er<strong>in</strong>nern kann ich mich <strong>in</strong>dessen an e<strong>in</strong>en französischen protestantischen Militärpfarrer,<br />
Monsieur l'Aumônier, so se<strong>in</strong> Titel, <strong>der</strong> hoch<strong>in</strong>telligent und sehr gebildet war; er hielt nicht<br />
Unterricht, son<strong>der</strong>n dozierte eher französische Kultur auf französisch, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutlichen<br />
Absicht, unsere nach se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nazizeit verlotterten deutschen Gewissen zu<br />
schärfen.<br />
Öfter fuhren wir - immer ab Station Posthalde <strong>der</strong> gesprengten Ravennabrücke wegen - zu<br />
kulturellen Veranstaltungen nach Freiburg. Bis heute s<strong>in</strong>d mir die Bil<strong>der</strong> von Picasso, Braque und<br />
Juan Gris vor Augen, denen ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ersten von den Franzosen veranstalteten und bestückten<br />
Freiburger Ausstellung zwar neugierig, aber auch ziemlich ratlos gegenüberstand.<br />
Nach abendlichem Theater- o<strong>der</strong> Konzertbesuch mußte man von Himmelreich aus durch das<br />
ganze Höllental nachhause laufen, weil am späten Abend ke<strong>in</strong> Zug mehr bis zur Posthalde g<strong>in</strong>g.<br />
Aber solche geme<strong>in</strong>schaftlichen nächtlichen Wan<strong>der</strong>ungen hatten auch romantische Qualitäten.<br />
Was noch zu erwähnen ist<br />
Zur Beschreibung <strong>der</strong> Atmosphäre jener <strong>Birklehof</strong>jahre gehört auch das Folgende: Es gab die<br />
unter uns so benannte <strong>Birklehof</strong>er Lautverschiebung. Sie war e<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung des exzentrischen<br />
Peter Bumm und erfaßte hauptsächlich Eigennamen. Picht und se<strong>in</strong>e Frau waren die "Pichtatas",<br />
die Baron<strong>in</strong> "die Burenee", Petrenz hieß "Pute-danz", Gottfried Weber "Guttfraden", Fritz<br />
Gruben "die Watze", Peter Hemmerich, wie schon erwähnt "die Humeratsche", Michael<br />
Marschall "das Mutschele", Käthe Witte "Käthe Wutte", ich "Rawaua" und so fort.<br />
Peter Bumm und <strong>der</strong> erst 1947 auf den <strong>Birklehof</strong> gekommene geniale Buschi Bechert jagten sich<br />
abwechselnd vom Eßsaalflügel weg, um dort stundenlang Jazzrythmen zu phantasieren. Fast nie<br />
konnte man aus dem Saalbau durch die Kaltküche <strong>in</strong> den Eßsaal gelangen, ohne e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> beiden<br />
Monomanen an ihrem Stammplatz schwelgend anzutreffen.<br />
Im extrem heißen Sommer 1947, genauer gesagt, <strong>in</strong> den Sommerferien, als alle Schüler nachhause<br />
gefahren waren, ich aber wegen Paßschwierigkeiten nicht zu me<strong>in</strong>en Eltern <strong>in</strong> die Schweiz fahren<br />
konnte und daher die Ferien über im <strong>Birklehof</strong> bleiben mußte, war e<strong>in</strong>es morgens im Haupthaus<br />
e<strong>in</strong> Brand ausgebrochen. <strong>Der</strong> Dachboden, <strong>der</strong> erste Stock, das untere Turmzimmer und<br />
angrenzende Räume brannten aus und obgleich die H<strong>in</strong>terzartener Feuerwehr zu Hilfe kam, war<br />
das Feuer erst am Nachmittag besiegt. Den ganzen Tag über versuchten wir, aus dem<br />
qualmenden Gebäude Inventar und Habseligkeiten zu retten. Die Ursache ist me<strong>in</strong>es Wissens nie<br />
geklärt worden. Erhalten hat sich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Er<strong>in</strong>nerung das Dictum: <strong>in</strong> diesem heißen Sommer<br />
1947 seien die Schwarzwäl<strong>der</strong> Bauern auf dem Feld vertrocknet.<br />
Rückblick<br />
Für die Vielfalt geistiger Ernährung, die das Haus Picht uns mit se<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungen nach außen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> sonst dürftigen Vorwährungsreformzeit bot, kann man nur dankbar bleiben. Man hatte<br />
zwar physisch auf e<strong>in</strong>er kargen, aber geistig auf e<strong>in</strong>er blühenden, freilich von e<strong>in</strong>igem Unkraut<br />
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