Der Birklehof in der Nachkriegszeit 1946-1963 - Schule Birklehof

Willen zur Verständigung haben! – Das alles verläuft im Leeren, solange wir nicht europäisch zu
denken wissen, d.h. solange wir nicht die Vertrautheit mit einer geistigen Welt zurückgewinnen,
die in Frankreich und England immer ein selbstverständliches Lebenselement geblieben ist. Die
Rückkehr zur humanistischen Bildung ist nicht Flucht in die Vergangenheit, sondern ein Weg in
die Zukunft, der einzige, der uns geblieben ist. Sie ist zur Notwendigkeit geworden, nicht minder
notwendig, als der materielle Wiederaufbau – ist doch dieser nur möglich, wenn wir im Kreis der
europäischen Völker wieder als zugehörig und als Mitbürger anerkannt werden „ – Später einmal
schreibt Herr Picht über die Aufgabe einer Schule, wie des Birklehofs: „Wenn wir einen
pädagogischen Raum gestalten wollen, in dem junge Menschen die großen Aufgaben unserer Zeit
begreifen lernen, so müssen in den Dimensionen dieses Raumes die Maßstäbe sichtbar werden,
nach denen sich ein geistiges Dasein in unserer Zeit orientieren kann. Daraus ergibt sich für eine
Schule folgende Forderung: 1. Sie darf nicht reine Unterrichtsschule sein, sondern muß einen
Lebenszusammenhang herstellen, in dem jene elementaren sittlichen Erfahrungen gemacht
werden, die heute innerhalb einer Familie nicht mehr voll realisiert werden können. 2. Das Leben
in der Schulgemeinschaft muß den jungen Menschen vor Forderungen stellen, die jeden
Einzelnen in seinem gesamten Dasein erfassen und für sein späteres Leben die Maßstäbe
aufrichten. 3. Insbesondere muß der junge Mensch innerhalb der Schulgemeinschaft lernen,
Opfer zu bringen und Verantwortung zu tragen. Dieser Aufgabe dient man nicht dadurch, daß
man eine Ideologie der Verantwortungsbereitschaft predigt, — sie gelingt nur, wenn das, was uns
als Predigt allzuleicht von den Lippen geht, zu einer unaufdringlichen und selbstverständlichen
Übung wird“. Diese beiden Aussagen zeigen, mit welchen Vorstellungen und in welchem Geiste
das Leben der Schule Birklehof gestaltet werden sollte.
In den ersten Altbirklehofer-Blättern nach dem Kriege, die als Nachruf auf Herrn Kuchenmüllers
Tätigkeit hier gemeint waren, nennt Herr Picht zwei Grundsätze, die schon unter Dr.
Kuchenmüller am Birklehof galten und in der Nachkriegszeit eine erhöhte Bedeutung gewonnen
haben: Den Grundsatz der Ehrlichkeit und den Grundsatz der Mitverantwortung der Schüler.
Und in dem oben erwähnten Aufsatz schreibt Herr Picht: „Beim Aufbau der Selbstverwaltung in
den ersten Jahren mußten wir so manchen Rückschlag überwinden, und die Mängel der
Selbstverwaltung spiegelten sich in mangelhafter Ordnung und schlechter äußerer Haltung. Oft
genug war die Versuchung groß, unsere Grundsätze preiszugeben und durch die bequemen
Mittel äußerlicher Zucht eine ebenso äußerliche und unechte Ordnung herzustellen. Wir hätten
damit manchen ins Auge fallenden Mißstand beheben können, aber wir hätten in verborgeneren
Schichten nicht wieder gut zu machende Schäden verursacht. Ehrlichkeit und
Verantwortungsbewußtsein lassen sich nicht kommandieren, und eine Erziehung, der es nicht um
die Herstellung einer glatt polierten Oberfläche, sondern um die Ermöglichung eines echten
inneren Wachstums geht, muß auch den Mut zum Risiko der Freiheit haben. Inzwischen haben
sich Lebensstil und innere Ordnung der Schule gefestigt, und vieles, was uns in vergangenen
Jahren fast unerreichbar schien, gilt heute schon als selbstverständlich. Wir haben manchen
Fehler gemacht, — im Ganzen aber glaube ich sagen zu dürfen, daß sich der eingeschlagene Weg
bewährt hat“.
Aber ich muß noch einmal auf das zurückkommen, was Herr Picht über Herrn Kuchenmüller in
den Altbirklehofer-Blättern geschrieben hat. Vieles, was da gesagt wird, ist schon gesagt worden,
aber einiges, an das ich mich auch nicht mehr erinnert habe, scheint mir doch unbedingt
erwähnenswert: So hat Herr Kuchenmüller z. B. angeordnet, daß auf dem Schulgebiet nicht mit
dem Hitlergruß gegrüßt werden sollte. Es gab trotz ständigem Drängen von Parteiseite keine
Hitlerbilder und sonstige nationalsozialistischen Symbole in der Schule. Trotz ergangener
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