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III. Predigten und Predigtmeditationen 3. Die biblische Vision vom neuen Gottesvolk<br />
3. Die biblische Vision vom neuen Gottesvolk<br />
Predigtmeditation von Pfarrer<br />
Christoph von Derschau (Wesel)<br />
Im Grunde ist die ganze biblische Geschichte mit<br />
den großen Brennpunkten Exodus und Auferstehung<br />
in beiden Testamenten eine Geschichte von<br />
Befreiung und Versöhnung der Menschheit.<br />
In der Katastrophe der Urgeschichte vollzieht sich<br />
die Entfremdung von Gott (Vertreibung aus dem<br />
Paradies) und der Entfremdung der Menschen untereinander<br />
bis zum Brudermord und der völligen<br />
Sprachlosigkeit (Turmbau zu Babel).<br />
Doch Gott beruft sich in Abraham ein neues Volk<br />
mit dem Auftrag, die verlorene Einheit der Menschen<br />
wiederherzustellen. In der Fremdlingschaft<br />
in Ägypten muss Israel lernen, was es heißt, als abgelehntes,<br />
unterdrücktes Volk zu leben, um seine<br />
Aufgabe zu verstehen:<br />
„Einen Fremdling sollst du nicht bedrücken. Ihr wisst,<br />
wie dem Fremdling zumute ist, seid ihr doch auch<br />
Fremdlinge gewesen im Land Ägypten.“<br />
(2. Mos 23, 9)<br />
Als Israel aus dem babylonischen Exil heimkehrt,<br />
wird es von vielen fremden Völkern bedrückt, die<br />
sich inzwischen in seiner Heimat angesiedelt haben.<br />
Israel kämpft fanatisch um seine ethnische<br />
Identität. Sein Überleben als Volk steht auf dem<br />
Spiel. Jetzt werden die anderen Völker als Feinde<br />
gesehen. In dieser Zeit findet die Überarbeitung<br />
des deuteronomistischen Geschichtswerkes statt,<br />
die die Reinheit des Volkes fordert: Gott selbst befiehlt<br />
die Ausrottung der fremden Völker.<br />
Doch Israel lernt wieder, die Menschheit als Einheit<br />
zu verstehen: Man lese die Büchlein Ruth oder<br />
Jona oder die Geschlechtsregister bis hin zu den<br />
Stammbäumen Jesu bei Matthäus und Lukas. Vor<br />
diesem Hintergrund ist die Bedeutung der Worte<br />
Jesu zu verstehen:<br />
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen<br />
Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber<br />
sage euch: Liebet eure Feinde und bittet für die, welche<br />
euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im<br />
Himmel seid.“ (Mat 5, 43-45)<br />
In der Geschichte vom Barmherzigen Samariter<br />
(luk 10, 25-37) schließt Jesus mit der Frage:<br />
„Welcher von diesen dreien dünkt dich, sei der<br />
Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen<br />
war?“<br />
26<br />
Die Pointe dieser Geschichte: Der Samariter überwand<br />
seine Abscheu gegenüber dem Juden, der in<br />
Not geraten war und ermutigte damit den Juden,<br />
ihm seine samaritische Herkunft zu verzeihen, so<br />
dass sie über die Grenzen ihrer ethnischen Herkunft<br />
hinweg in echte menschliche Beziehung zueinander<br />
treten konnten.<br />
Wie Israel so leben auch die Christen „als Gäste<br />
und Fremdlinge auf Erden“ (Hebr 11, 13) und identifizieren<br />
sich so mit allen Völkern und Rassen, die<br />
sich von Gott entfremdet haben. So können sie<br />
den Auftrag Christi ausführen: „Darum geht hin<br />
und macht alle Völker zu Jüngern …“ (Mat 28, 19)<br />
Durch die Taufe werden Menschen Glieder der<br />
Kirche und werden dem Leib Christi eingegliedert<br />
(ePH 2, 15). Dadurch bekommen sie eine neue<br />
Identität. „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft<br />
worden seid, habt Christus angezogen. Da ist nicht<br />
Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da<br />
ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid alle eines in<br />
Christus Jesus“ (Gal 3, 27-29). „Ist darum jemand in<br />
Christus, so ist er eine neue Schöpfung, denn das Alte<br />
ist vergangen ...“ (2. kor 5, 17-20).<br />
Christ Sein bedeutet, sich allen Menschen in der<br />
Welt verbunden zu wissen, denn die ganze Welt ist<br />
die eine neue Familie Gottes, in der jeder mit jedem<br />
verwandt ist. Wir sind zu Mitarbeitern Gottes<br />
berufen, die Einheit der Welt wiederherzustellen<br />
und sie als ein wiedervereinigtes Ganzes ihm zurückzubringen.<br />
dazu:<br />
Lieder und Gebete gemäß dem<br />
Gottesdienstentwurf (s. S. 3)